Im Optimalfall lassen Arbeitnehmer ihre Ansprüche auf Abfertigung auch bei einem Jobwechsel im Rucksack – und zwar bis zum Pensionsantritt.

Foto: Imago

Gut eineinhalb Jahrzehnte nach Einführung der Abfertigung neu zieht die Gewerkschaft der Privatangestellten eine grundsätzlich positive Bilanz. "Das war ein Schritt in Richtung mehr Gerechtigkeit für Arbeitnehmer", sagt Bundesvorsitzende Barbara Teiber. Auch den Vorsorgekassen als Träger des Systems attestiert sie, grundsätzlich gute Arbeit geleistet zu haben – dafür allerdings viel zu hohe Kosten einzustreifen.

In Kombination mit zu hohen Renditeerwartungen, die einst bei der Einführung mit sechs Prozent pro Jahr angenommen wurden, stellt Teiber fest: Das ursprüngliche Ziel, am Ende eines Arbeitslebens auf diese Weise Anspruch auf ein Jahresgehalt zu haben, liege bei den derzeitigen Rahmenbedingungen in weiter Ferne.

Höhere Beiträge

Daher bringt sie folgenden Reparaturansatz ins Spiel: Die maximalen jährlichen Kosten sollen von derzeit 0,8 Prozent des verwalteten Vermögens schrittweise auf 0,5 Prozent gesenkt werden. Im Mittel heben die acht heimischen Vorsorgekassen laut Gewerkschaft etwa 0,7 Prozent tatsächlich ein. Im Gegenzug zur Kostensenkung sollen die Arbeitgeberbeiträge für die Abfertigung neu von 1,53 Prozent auf zumindest 2,5 Prozent angehoben werden. Die Arbeitgeber würden diese Erhöhung der Lohnnebenkosten in Summe etwa eine Milliarde Euro pro Jahr zusätzlich kosten.

Diesem Vorstoß der steht die in der Wirtschaftskammer angesiedelte Plattform der betrieblichen Vorsorgekassen zwar grundsätzlich positiv gegenüber – allerdings nur, wenn der Faktor Arbeit dafür an anderer Stelle entlastet werde. Sprich, für Arbeitgeber soll eine mögliche Anpassung der Stellschrauben aufkommensneutral erfolgen. Zudem betonten die Vorsorgekassen in einer Aussendung "ihre gelebte Kosteneffizienz".

13 Millionen Dividende

Teiber hält den Kassen vor, dass die im Vorjahr verrechneten Kosten von insgesamt mehr als 100 Millionen Euro in keiner Relation zum tatsächlichen Aufwand stünden, der sich bloß auf 51 Millionen Euro belaufen habe. Die Folge: Die Vorsorgekassen hätten allein im Vorjahr 13 Millionen Euro an Dividenden an ihre Eigentümer, hauptsächlich Banken und Versicherungen, ausgeschüttet. In Summe hätten die Eigentümer bereits mehr Kapital aus den Kassen zurückbekommen, als ursprünglich zur Gründung eingesetzt worden war. Was die Umsetzung der Vorschläge der Gewerkschaft für die Vorsorgekassen bedeuten würde? "Es wären noch immer Cashcows, aber nicht mehr ganz so lukrative", sagt Teiber.

Seit 2010 würden die Kassen eine jährliche Eigenkapitalrendite von etwa 20 Prozent erwirtschaften, während sich die Arbeitnehmer mit einer Veranlagungsrendite von 2,3 Prozent begnügen müssten, was nur leicht über der durchschnittlichen Inflationsrate von rund zwei Prozent liege.

Mangel an Wettbewerb

Zudem stellt die Gewerkschaft einen Mangel an Wettbewerb zwischen den Vorsorgekassen fest und sieht einen "oligopolistischen Markt mit Preisstarrheit". Um mehr Bewegung am Markt zu forcieren, will die Gewerkschaft die Transparenz erhöhen – etwa indem sie für ihre Mitglieder ein Vergleichstool der Anbieter zur Verfügung stellt, mit dem man Performance und Kosten der Anbieter vergleichen kann.

Nach dem Willen der Gewerkschaft sollen die Kassen auf der jährlichen Kontoinformation der Berechtigten auch eine Gesamtkostenquote veröffentlichen. Außerdem sollen alle Anspruche, die durch Wechsel des Arbeitsplatzes auf mehrere Kassen verstreut sein können, beim aktuellen Anbieter zusammengefasst werden. Das soll mehr Übersicht für die Begünstigten bringen und die Kosten reduzieren. An der kostspieligen Kapitalgarantie für eingezahlte Beiträge will die Gewerkschaft aber nicht rütteln.

Anspruch auf die Abfertigung neu haben alle Arbeitnehmer, die ab 2003 in ein neues Dienstverhältnis eingetreten sind. Die Zahl der Leistungsberechtigten liegt derzeit bei etwa 3,5 Millionen Personen. Im Gegensatz zum vorherigen System verfällt der Anspruch auch bei einer Selbstkündigung nicht. Insgesamt verwalten die acht heimischen Vorsorgekassen derzeit rund 12,9 Milliarden Euro. (Alexander Hahn, 13.11.2019)