Grünen-Chef Werner Kogler schlägt beim Thema Klimaschutz im Parlament neue Töne an.

Foto: Matthias Cremer

Wenigstens eine zeigte sich verständnisvoll: Die Übergangsregierung habe die Empfehlungen der EU-Kommission weitgehend in den Nationalen Energie- und Klimaplan eingearbeitet, konzedierte Elisabeth Köstinger. Alle weiteren Maßnahmen zur Erreichung der Klimaziele und vor allem deren Finanzierung seien jetzt wohl Aufgabe der nächsten Regierung – erklärte die frühere Umweltministerin, neuerdings Chefverhandlerin für Klimaschutz auf ÖVP-Seite.

Stolze Niederlage

Kurz zuvor hatte Maria Patek bei ihrer Vorstellung des Klimaberichts im Parlament ganz ähnlich argumentiert. "Tiefgreifende politische Weichenstellungen wie etwa ein CO2-Mindestpreis mögen verlockend sein", erklärte die amtierende Ministerin, aber: "Wir schaffen kein Präjudiz!"

Einig waren sich die beiden auch in der Einschätzung der bisherigen Klimaperformance des Landes: "Österreich hält an seiner europäischen Vorreiterrolle fest", erklärte Patek. Was in der Vergangenheit alles geschehen sei? "Da können wir in Österreich schon stolz sein", fand Köstinger.

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Fakten können da nur irritieren. Trotzdem zwei davon: In einer Studie der European Climate Foundation von Mai 2019 befindet sich kein EU-Land "auf einem guten Weg zur Erfüllung der Energie- und Klimaziele für 2030" (minus 40 Prozent Treibhausgase im Vergleich zu 1990). Österreich liegt aber auch klar unter dem EU-Durchschnitt – macht Platz 19 von 28. Vorzugsschülerniveau sieht anders aus. Und ob ein höherer Emissionsausstoß als 1990, wie es aktuelle Prognosen für heuer voraussagen, wirklich Anlass zum Stolzsein ist?

Neos-Mandatar Michael Bernhard bekam im Nationalrat vielmehr "solche Kabeln". Immerhin, befand er zynisch, hatte Patek mit dem Klimaplan "den Mut, diese Niederlage zu verschriftlichen".

Auch Leonore Gewessler, Köstingers Grünen-Konterpart in der Klima-Koalitionsarbeitsgruppe, fand klare Worte der Enttäuschung: Beim vorliegenden Bericht handle es sich um den "traurigen Höhepunkt" der in Sachen Klimaschutz verschlafenen Jahrzehnte. Wenigstens zwei Dinge hätte sie sich nämlich insbesondere von den regierenden Experten erwartet: "Dass sie Fakten auch Fakten sein lassen" und "dass sie einen Plan vorlegen, wie die Schäden, die auf uns zukommen, abzuwenden sind".

Stattdessen: keine Auflistung der klimaschädlichen Subventionen, keine Folgenabschätzung, keine Darstellung des Finanzierungsbedarfs. Alles dringend von der EU-Kommission gefordert.

Die Grünen hatten am Mittwoch allerdings auch an einer Nebenfront zu kämpfen. Es galt nicht nur, das Nein zur von den Sozialdemokraten geforderten Klimamilliarde zu argumentieren. Auch dass man mit ÖVP, FPÖ und Neos für Mautausnahmen auf fünf Autobahnabschnitten gestimmt hat, sollte erklärt werden.

"Locker bleiben"

Parteichef Werner Kogler versuchte sich in seiner Rede aus dem roten Zangengriff zu befreien, und das klang dann so: "Ja, in umgekehrten Rollen würde es vielleicht umgekehrt laufen." Aber jetzt seien es eben seine Grünen, die mitten in Regierungsverhandlungen stünden, und da gelte es, vor finanziellen Schnellschüssen das Gesamtpaket abzuwarten. Er wolle außerdem nicht, dass eine fehlende Wirkungsabschätzung, wie er sie in der roten Forderung zu erkennen glaubt, dann wieder den Rechnungshof auf den Plan rufe.

Außerdem sei es die SPÖ gewesen, die auf dem Gebiet jahrzehntelang säumig gewesen ist, da werde es auf ein paar Wochen mehr oder weniger "auch nicht mehr ankommen", glaubt Kogler und empfiehlt: "Locker bleiben!" Gleichzeitig erklärte der Grünen-Chef, sich für einen parlamentarischen "Klima- und Umweltausschuss" einsetzen zu wollen – der Vorwurf der koalitionsverhandlungsbedingten Untätigkeit soll wohl nicht hängen bleiben.

Apropos, mit Rücksicht auf den möglichen Regierungspartner ÖVP klingen die grünen Forderungen in Sachen Klimaschutz aus dem Munde Koglers jetzt so: "Wir können nicht mehr alle Autobahnen ausbauen", auch nicht "alle Regionalpisten" im Flugverkehr. Nachsatz: "Ich lasse jetzt einmal Wien-Schwechat weg." Selbstverständlich blieb Kogler bei der grünen Forderung nach einer ökologischen Umgestaltung des Steuersystems – "nennen wir es dann CO2-Bepreisung oder sonst wie". Was der Grünen-Chef den Roten empfiehlt, scheint auch für die Verhandlungen mit den Türkisen zu gelten: "Wir müssen die Gesamtbewertung über Einzelmaßnahmen stellen."

Neue rote Eile

SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner konnte er damit nicht überzeugen. Wenn das Haus brenne, habe man nicht "Zeit, gemütlich darauf zu warten, bis die Regierungsverhandlungen endlich abgeschlossen sind". Es stimme zwar, dass Geld nicht auf Bäumen wachse, wie Kogler vor kurzem argumentiert hatte, aber: "Wenn wir nicht investieren, wird es bald keine Bäume mehr geben." Rendi-Wagner erklärte also erneut, sie investiere lieber aktiv in Klimaschutz, als hinterher Strafzahlungen zu leisten.

Julia Herr, die in der SPÖ neuerdings als Bereichssprecherin für den Klimaschutz aktiv ist, erinnerte die Grünen dann auch noch daran, dass es gar nicht so lange her ist, dass man gemeinsam mehr Geld für den Ausbau des öffentlichen Verkehrs, für Investitionen in Forschung und Entwicklung gefordert habe – im Wahlkampf war's. Sie wisse jedenfalls schon, wer den Schaden letztlich zahlen werde: "Die Jungen auf der Straße", die jede Woche für mehr Klimaschutz demonstrieren.

Die rote Kritik am Entwurf Pateks fiel dann kurz, aber knackig aus: Eine Krise lasse sich eben nicht verwalten, befand Rendi-Wagner. Es hätte "mehr Mut und Konsequenz" gebraucht. (Karin Riss, 13.11.2019)