Die Digitalisierung im Gesundheitswesen steigt.

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Die Digitalisierung wird das Gesundheitswesen von Institutionen wie Spitälern hin zum Patienten nach Hause verlagern. Gleichzeitig machen durch IT-Technik immer besser umsetzbare komplexe und fragmentierte Abläufe das System potenziell verletzlicher. Dies erklärten Mittwochnachmittag Experten bei einer Zukunftsenquete unter dem Titel "Healthcare 2030 – more Tech – more Touch" in Wien.

Anlass für die Enquete, an der zahlreiche führende Vertreter des österreichischen Gesundheitswesens in der Aula der Wissenschaften teilnahmen, war unter anderem die 20-Jahres-Feier von Publikationen wie der "Ärzte Krone" und der "Apotheker Krone" (MedMedia Verlag). Die potenziell "schöne neue Welt" der Digitalisierung des Gesundheitswesens stellte beispielsweise die aus Österreich stammende Wissenschafterin Eva-Maria Kirchberger (Imperial College London) vor. Dort wird unter anderem an Robotern geforscht, die per Fernbedienung aus Europa Patienten in Afrika wie Ärzte physisch untersuchen können sollen.

Mobile Kontaktaufnahme

Die Daten-getriebene Gesundheitsversorgung werde aber noch ganz andere Auswirkungen haben, erklärte die Expertin: "Die Medizin geht weg von Gebäuden und Institutionen, hin zu Software und Services. Der Patient werde in Zukunft viel weniger ins Spital gehen, sondern die meisten der medizinischen Leistungen zu Hause über Tele-Services, Internet-Plattformen etc. erhalten. Ordinationsbesuche würden seltener werden. Die Bedeutung der Krankheitsverhütung durch DNA-Analysen und Risikovermeidung sowie Rundum-Services von Gesundheitsunternehmen von der Prävention bis zur Nachbetreuung würden extrem an Bedeutung gewinnen.

Ein sehr reales Exempel für diese Entwicklung war im heurigen Sommer bei den Gesundheitsgesprächen in Alpbach präsentiert worden: Am Prince of Wales Hospital in Sydney wird eine Klinik gebaut, die 250 Betten weniger aufweist, als es für die Versorgungsregion notwendig wäre. Durch mehrere digitalisierte E-Health-Projekte sollen die Spitalaufnahmen soweit reduziert werden, dass die Betten nicht mehr gebraucht werden.

DNA analyisieren

Ein anderes Beispiel, wie Eva-Maria Kirchberger im Rahmen der Enquete ausführte: In London sei bereits ein Service ausprobiert worden, bei dem Laufkunden schnell ihre DNA bezüglich Gesundheitsrisiken analysieren lassen könnten. Die Daten würden auf einem Armband gespeichert. Gleichzeitig habe man 10.000 Lebensmittelprodukte mit ihren Eigenschaften per Barcode abrufbar gemacht. Kontrolliert der Konsument eines der Lebensmittel mit seinem Armband, sagt ihm das System, ob er das Produkt hinsichtlich seiner Gesundheit kaufen sollte oder nicht.

Verletzlichkeit

Autor Marc Elsberg ("Blackout") betonte als Kontrast dazu die Verletzlichkeit vieler digitaler Systeme. Noch immer gelte ein Spital als ein Ort, zu dem man im Krisenfall hingehen und Sicherheit bzw. Hilfe erwarten könne. "Das sind aber alles Dinge, die wir als Entitäten wahrnehmen, die aber keine Entitäten mehr sind", sagte Elsberg.

Falle großräumig und länger der Strom aus, funktioniere nichts mehr. Was geschieht, wenn ein Notstromaggregat nicht anspringe, sei bereits bei einem "Blackout" in Berlin geschehen: Eine Klinik musste evakuiert werden. Lieferketten für Medikamente, Datenströme von Patienten – alles das sei verletzlich für technisches Versagen, Sabotage oder Computerkriminalität. "Was die Digitalisierung geschaffen hat ist, dass wir uns auf ein System gegenseitiger Abhängigkeiten verlassen." (APA, 13.11.2019)