Der Schwurgerichtssaal im Grazer Straflandesgericht ist Schauplatz des Jihadistenprozesses.

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Graz – Im Grazer Straflandesgericht ist am Donnerstag der Prozess gegen elf mutmaßliche Jihadisten fortgesetzt worden. Als dritter Beschuldigter wurde ein 38-Jähriger befragt, bei dessen Hausdurchsuchung Adolf Hitlers "Mein Kampf" sichergestellt worden war. Er leugnete heftig, eine antisemitische Einstellung zu haben.

Der Mazedonier muss sich ebenso wie die anderen Angeklagten wegen der Verbrechen der terroristischen Vereinigung, der kriminellen Organisation und der staatsfeindlichen Verbindung verantworten. "Sie sind der Erste, den ich kenne, der 'Mein Kampf' gelesen hat. Ist der Islamismus nicht von massivem Judenhass geprägt?", fragte der Staatsanwalt. "Solche Themen sind sehr schwer zu erklären", meinte der Befragte. "Ich bin kein Gelehrter."

"Habe Texte nur gelesen"

"Hat Sie 'Mein Kampf' inspiriert?", wollte einer der Geschworenen wissen. "Nein, ich wollte die Psychologie von Hitler sehen, das hat mich interessiert." Er wurde auch mit der Tatsache konfrontiert, dass bei ihm judenfeindliche Textpassagen gefunden wurden. "Ist der Islam geprägt von Judenhass?", fragte der Richter. "Ich habe diese Texte nur gelesen, sie sind nicht von mir", wehrte der Beschuldigte ab.

"Wäre es Ihnen lieber, in einem islamischen Staat zu leben?", interessierte sich einer der Geschworenen. "Den gibt es nicht, daher brauche ich darüber nicht nachzudenken", antwortete der 38-Jährige.

"Ausgeprägte Sympathie für Jihadismus"

Als vierter Angeklagter wurde der Prediger befragt. Der 44-Jährige soll in der Grazer Taqwa-Moschee durch seine Reden radikalisierend gewirkt haben. Im Jahr 2014 sind aus diesem Glaubensverein 38 Personen nach Syrien gegangen, um sich dem IS anzuschließen. Einige kehrten zurück, andere wurden getötet, von manchen hat sich jede Spur verloren.

Der Prediger war auch in einem Wiener Glaubensverein tätig und hatte als Seelsorger ein Einkommen von 1.000 Euro. Der Gutachter bescheinigte ihm eine "ausgeprägte Sympathie für den Jihadismus". "Ich bin ein Gegner des 'Islamischen Staates', das ist wissenschaftlich nicht akzeptabel", meinte er dazu. Er habe sich stets gegen die Ausreise seiner Glaubensbrüder nach Syrien ausgesprochen: "Wenn jemand nicht ausgereist ist, dann wegen meiner Predigten."

"Sie müssen ja nicht lüstern schauen"

Zu seinen religiösen Vorstellungen äußerte er sich ausweichend: "Ich habe ein Glaubensbekenntnis, es ist wie das erste der Zehn Gebote", erläuterte er. "Ist der Ungläubige zu verstoßen oder zu töten?", wollte der Richter wissen. "Es geht gar nicht um Gewalt", kam die Antwort. Den in Graz bereits zu 20 Jahren Haft verurteilten Prediger Mirsad O. – er ist auch diesmal als Zeuge geladen – schätze er nicht besonders: "Es gibt Unterschiede bei uns in den Glaubenssätzen."

Als ihm bei seiner Einvernahme Fotos vorgelegt wurden, hatte er sich geweigert, Bilder von Frauen anzuschauen. "Wieso dürfen Sie das nicht anschauen?", interessierte den Richter. "Das gibt es auch in der Bibel. Wer eine Frau lüstern anschaut ..." – "Sie müssen ja nicht lüstern schauen", warf der Vorsitzende ein. Doch der Prediger gab an, er könne dazu nichts sagen, er habe "niemals hingeschaut".

Angeklagter als besonders radikal eingestuft

Am Nachmittag ist die Befragung des Hauptangeklagten fortgesetzt worden. Der 44-Jährige hatte sich nach eigenen Angaben vor Jahren von der Terrororganisation "Islamischer Staat" (IS) abgewendet. Nach Meinung des Staatsanwaltes, weil die von ihm bevorzugte Gruppe selbst dem IS zu radikal und daher eliminiert worden war. Auf diesbezügliche Fragen antwortete der Prediger mit weitschweifigen Reden.

"Haben Sie einen Beweis dafür?"

Zunächst ging es nur um ein Logo, das einen Reiter in schwarzer Verhüllung zeigte. Dieses Motiv findet sich häufig auf IS-nahen Schriften und Internetseiten und schien auch auf Texten des Predigers auf. "Das ist nicht von mir, ich habe die Seiten von jemandem bearbeiten lassen", lautete seine Rechtfertigung. "Der schreibt aber ganz grausliche Sachen. Und das ist bei Ihnen gefunden worden", meinte der Vorsitzende. "Bei wem?", fragte der Angeklagte nach. "Bei Ihnen", kam die Antwort. "Haben Sie einen Beweis dafür?", hakte der Prediger nach. "Ja sicher", bestätigte der Richter.

Zu radikal für den IS

Heftig wurde die Auseinandersetzung, als es um die Einstellung des Angeklagten zum IS ging. Seit einigen Jahren hatte der Prediger betont, dass er den IS ablehne. "Es hat schon eine Gruppe beim IS gegeben, die Ihrer Ausrichtung entsprach. Die wurde liquidiert, weil sie selbst dem IS zu radikal war", warf der Staatsanwalt ein. "Können Sie mir radikal definieren?", fragte der Beschuldigte. Der Gutachter hatte den 44-Jährigen sogar als "noch radikaler als diese Gruppe" bezeichnet.

Der Prozess wird am kommenden Montag um 9.00 Uhr fortgesetzt. (APA, 14.11.2019)