Bild nicht mehr verfügbar.

Das Wesen von Zaunerstollen und heimischem Fremdenverkehr führt man sich gerade in Kulturhauptstadtjahren am besten scheibchenweise zu Gemüte.

Foto: Semrad/picturedesk.com

Man muss den Kulturhauptstadtbetreibern von Bad Ischl und Umgebung einen Glückwunsch aussprechen. Mit dem Zuschlag an den Kurort hat unter lauter ehrwürdigen Gemeinden die weitaus salzhaltigste gewonnen. Natriumchlorid steckt auch in den Tränen. Die weint jeder, wenn er an den "Hypertourismus" denkt, der Hallstatt Jahr für Jahr in ein Biwak für asiatische Marschkolonnen verwandelt.

Die Idee, Hallstatt in Fernost maßstabsgetreu nachzubauen, ließ man sich von den Chinesen mit der Versicherung aufschwatzen, es seitlich zu verkehren. In dieser Form, die Heimatliebe zu veräußern, steckt viel Weisheit. Man weiß jetzt verbrieft, dass nur die Original-Hallstätter das Herz am rechten Fleck haben.

Ruhe den Kurschatten

Ähnlich paradox lässt sich das Kulturhauptstadtprojekt begreifen. Man hofft, dass 2024 Unmengen von EU-Bürgern das Salzkammergut besuchen werden. Denen kann man weismachen, dass es viel zu viele Menschen sind, die alljährlich das Salzkammergut besuchen. Ein kluger Vorgriff auf eine allfällige Nachnutzung!

Aber das Wesen von Bad Ischl bestand schon zu Kaisers Zeiten aus Widersprüchen. Franz Joseph verbrachte seine Sommer – wenn er nicht Gämsen und Auerhähne dezimierte – reichlich unaristokratisch in einer Villa. Umgekehrt drängte die Bourgeoisie in die Nähe des Imperators, um sich in seinem ohnehin matten Abglanz adelig zu dünken. Es müssen viele Laufmeter des köstlichen Zaunerstollens verzehrt werden, ehe nach 2024 wieder Stille einkehren kann. Und Ruhe herrscht bei Kurschatten und Schwefelwasserleichen. (Ronald Pohl, 15.11.2019)