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Dominic Thiem schonte seine Kräfte.

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Rafa Nadal muss Kräfte bündeln, wenn er weiterkommen will.

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London – Vielleicht hat auch die Aussicht auf ein Duell mit Dominic Thiem letzte Kraftreserven bei Rafael Nadal freigesetzt. Denn knapp 21 Stunden bevor das österreichische Staunen der ATP Finals leicht erkältet und dementsprechend schaumgebremst und innert 76 Minuten sein letztes Gruppenspiel gegen den Italiener Matteo Berrettini mit 6:7 (3), 3:6 verlor, hatte der Mallorquiner in der O2 Arena eine erstaunliche Wiederauferstehung zelebriert. Der 33-Jährige war vom Russen Daniil Medwedew bei 1:5 im dritten Satz eigentlich schon besiegt gewesen, gewann aber nach 2:46 Stunden doch noch mit 6:7 (3), 6:3, 7:6 (4).

Die Partie endete mit dem beinahe gleichen Ergebnis wie das Match zwischen Thiem und dem Serben Novak Djokovic und hatte fast auf die Minute gleich lang gedauert. Nadal stand allerdings wesentlich mehr unter Druck als Thiem und der Djoker, hatte er doch zum Auftakt gegen Alexander Zverev verloren. Nun kann die Nummer eins der Welt heute gegen Stefanos Tsitsipas ins Halbfinale einziehen, sollte der Deutsche, den Tsitsipas mit 6:3, 6:2 abfertigte, nicht einige Stunden später in zwei Sätzen gegen Medwedew reüssieren. Bei einem glatten Sieg des Titelverteidigers wäre auch ein Sieg Nadals über den Griechen zu wenig zum Einzug ins Halbfinale, Tsitsipas wäre Thiems Gegner am Samstag. Thiem gegen Zverev hieße es bei einem Sieg von Tsitsipas gegen Nadal und einem Satzgewinn des Deutschen wenig später. Sogar Medwedew hat noch eine geringe Chance, sich für sein viertes Duell mit Thiem zu qualifizieren.

Thiems Status quo

Dominic Thiem hat in London das Hotel gewechselt und wohnt nun unmittelbar neben der O2-Arena. "Ich habe es schon vorgestern gewechselt, weil es zieht ein bisserl im anderen und die Anreise ist doch relativ lang." Immerhin ist die Anreise für das offizielle Hotel ja mit einer rund 20-minütigen Bootsfahrt auf der Themse für einen verkühlten Spieler eine zusätzliche Belastung. Doch gleichzeitig gab Thiem auch Entwarnung. "Man muss sich überhaupt keine Sorgen machen, weil Ich habe mich heute sogar ein bisserl besser gefühlt als vor zwei Tagen."

Das fehlende Adrenalin, weil er das Match eben nicht gewinnen musste, spielte aber eine Rolle am Donnerstag. "Ich habe gemerkt, dass die ganze Anspannung weg ist, das macht schon einen Riesenanteil aus, wie schnell ich mich bewege. Das hat heute alles ein bisserl gefehlt."

Und schließlich ist Thiem schon zu oft von einem Virus weit zurückgeworfen worden. "Dadurch, dass ich schon auch ein bisserl an der Kippe bin, würde ich sagen, habe ich jetzt auch geschaut, dass ich das intelligent löse heute und nicht wieder zweieinhalb, drei Stunden spiele."

Seine Vorbereitung auf das Semifinale wird am Freitag ein lockeres Training beinhalten. "Wenn es mir so geht wie jetzt, dann wäre ich schon sehr zufrieden. Ich hoffe natürlich, dass es sich noch verbessert, weil es langsam wieder bergauf geht. Heiserkeit, Husten sollte irgendwann weggehen."

Fehlender Titel

Das Turnier der acht Saisonbesten ist der einzig große Titel, der Rafa Nadal in seiner umfangreichen Sammlung noch fehlt. Allerdings ist der Sieger von 19 Grand-Slam-Turnieren schon regelmäßig am Saisonende nicht mehr auf der Höhe seines Könnens. Weshalb, sollte es dazu kommen, ein Sieg Thiems auch über den dritten der dominierenden Spieler des vergangenen Jahrzehnts keine große Überraschung wäre. Im Head to Head führt der Spanier 9:4, in diesem Jahr steht es 1:1, Nadal siegte in Paris, Thiem davor in Barcelona. Positiv sind die Bilanzen Thiems gegen Tsitsipas, Zverev und Medwedew – 4:2, 5:2 und 2:1 –, wobei ihm heuer bisher der Grieche einmal und der Russe zweimal gegenüberstand. Im Finale von Peking setzte sich Thiem gegen Tsitsipas jüngst in drei Sätzen durch. Gegen Medwedew verlor er im Viertelfinale von Montreal, siegte aber einige Monate davor im Finale von Barcelona.

Das bisher letzte Spiel gegen Zverev gewann Thiem im Viertelfinale der French Open 2018 klar. Seither gab es viel Rummel um den Hamburger, den Streitigkeiten wegen seines Managements zeitweilig ordentlich außer Tritt gebracht hatten.

Handy-Gate?

In London hat eine TV-Kamera eingefangen, wie Zverev während eines Seitenwechsels mehrere Sekunden lang in seiner Sporttasche auf einem Gegenstand herumgedrückte

In den sozialen Netzwerken entwickelte sich daraufhin eine Diskussion, ob der 22-Jährige möglicherweise ein Handy bedient haben könnte. Mobiltelefone und Kommunikationsmittel jedweder Art sind jedoch während der Matches strikt verboten, weil sie die Möglichkeit zu illegalem Coaching bieten.

"Mein Handy war in der Umkleidekabine", sagte Zverev anschließend: "Ich weiß nicht genau, was Sie da gesehen haben, aber mein Handy kann es nicht gewesen sein. Vielleicht eine leere Trinkflasche, ich weiß es nicht." Bereits beim Turnier in Peking Anfang Oktober hatte Zverev mit einer ähnlichen Szene für Diskussionen gesorgt. Offizielle Konsequenzen hat er aufgrund des Vorfalls aber nicht zu erwarten. Wohl aber wieder fette Schlagzeilen, ließ doch Boris Becker anklingen, dass er im neuen Jahr Trainer des mit Abstand besten deutschen Spielers werden könnte. (lü, 14.11.2019)