Salem Tajek (Mitte) wurde von Tirols Landtagspräsidentin Sonja Ledl-Rossmann und Landeshauptmannstellvertreter Josef Geisler für seine sportlichen Leistungen ausgezeichnet. Nun soll er abgeschoben werden.

Foto: GEPA pictures/ Hans Osterauer

Innsbruck – Vor einem Jahr lachte Salem Tajek (27), flankiert von Tiroler Politprominenz, noch von Pressefotos. Bei der Meisterfeier des Landes wurde der gebürtige Afghane von Landeshauptmannstellvertreter Josef Geisler und Landtagspräsidentin Sonja Ledl-Rossmann (beide ÖVP) für seine sportlichen Erfolge ausgezeichnet. 2017 und 2018 wurde er Landesmeister im Boxen in der Bantamklasse. Bei den österreichischen Meisterschaften 2018 holte er den Vizemeistertitel.

Heute sitzt der junge Mann eingeschüchtert im Wohnzimmer von Helmut Schuler in Innsbruck und fürchtet sich vor der drohenden Abschiebung nach Afghanistan in Land, das er als Kleinkind verlassen hat, als seine Eltern wegen des Krieges in den Iran geflohen sind. Der pensionierte Lehrer Schuler hat Tajek unter seine Fittiche genommen. Ihm stehen die Tränen in den Augen, als von der "Ungerechtigkeit" erzählt, die hier seiner Meinung nach passiert.

Vom Flüchtlingsgegner zum Unterstützer

Dabei war Schuler, wie er selbst sagt, 2015 noch einer jener, die ungläubig und zornig die Nachrichten verfolgten, als über die Öffnung der Grenzen für Flüchtlinge berichtet wurde. "Ich war negativ eingestellt. Vor allem gegenüber Afghanen, von denen ich schon welche als Schüler unterrichtet und mit denen ich nur schlechte Erfahrungen gemacht hatte", erzählt er.

Im Juli 2015 kam auch Tajek nach Österreich. Er musste den Iran verlassen, nachdem er dort ein außereheliches Verhältnis mit einer verheirateten Frau eingegangen war. Er sagt, sie habe ihm erzählt, geschieden zu sein. Die beiden wurden in flagranti erwischt.

Schwere Vorwürfe als Fluchtgrund

Plötzlich habe die Frau behauptet, das Verhältnis sei nicht einvernehmlich gewesen und Tajek habe versucht, sie zu vergewaltigen. Als afghanischer Asylwerber ohne legalen Aufenthaltsstatus habe er keine Chance gesehen, sich gegen diesen Vorwurf zu wehren, und entschied sich zur Flucht. Denn im Iran drohte ihm gemäß Scharia die Todesstrafe.

Mithilfe von Schleppern gelangte er über die Türkei, Griechenland, Mazedonien, Serbien und Ungarn nach Österreich. Seit August 2015 lebt er nun in Tirol, wo er sich gut integrieren konnte. Er lernte Deutsch, holte den Pflichtschulabschluss nach und leistete freiwillige Arbeit in diversen Einrichtungen – zuletzt den Tirol Kliniken. Und er boxte.

Im Jahr 2017 lernte er Schuler kennen. Den hatte eine ehemalige Kollegin überredet, in seiner Pension Flüchtlingen Deutschunterricht zu geben. "Ich wollte das gar nicht, weil ich der Meinung war, man soll diesen Leuten nicht helfen. Sonst kommen noch mehr", erzählt er. Damit die Kollegin endlich Frieden gebe, habe er zugesagt, es sich einmal anzusehen.

Unverständnis nach Negativbescheid

Das Treffen mit Tajek habe sein Weltbild auf den Kopf gestellt. "Er widerlegte meine Vorurteile von Beginn an", sagt Schuler. Mittlerweile verbinde sie so etwas wie eine Vater-Sohn-Beziehung. Schuler begleitete Tajek zur Verhandlung beim Bundesverwaltungsgericht in Wien, sagte als Zeuge aus und war überzeugt, "der muss hierbleiben dürfen".

Doch am 28. Oktober kam nun der Negativbescheid. Der Richter glaubte Tajek nicht, jemals im Iran gelebt zu haben. Die vorhandenen Beweise, in Form von Zeugnissen, habe er während der Verhandlung aber nicht sehen wollen, ärgert sich Schuler. Nachträglich werden sie nicht zugelassen. Schuler versteht die Welt nicht mehr: "Er hat Jobzusagen als Installateur von zwei Tiroler Firmen. Salem ist fleißig, höflich, er hat alles richtig gemacht."

Im Internet haben die beiden zu Afghanistan recherchiert. Was sie gefunden haben, macht ihnen Angst. Tajek hat keinen Bezug zu seinem Geburtsland, seine Familie lebt nach wie vor im Iran. Als letzte Hoffnung bleibt der Gang zum Höchstgericht. Doch oft wird abgeschoben, bevor es zu einem Verhandlungstermin kommt. Schuler startete nun eine Onlinepetition für seinen Schützling. (Steffen Arora, 14.11.2019)