Nationalist und künftiger Premier Albin Kurti.

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Wer ist im Parlament, wie viele Parteien braucht die Koalition? Sechs Wochen nach der Kosovo-Wahl verzögert sich die Regierungsbildung: Die Wahlkommission hat entschieden, dass die Stimmen aus 1.472 der 2.547 Wahllokale neu ausgezählt werden müssen. Insgesamt werden damit etwa 90 Prozent aller Stimmen zweimal gezählt.

Der Grund: Zahlreiche Beschwerden – insbesondere von der Partei Nisma – waren eingelangt. Die Partei fiel am 6. Oktober unter die Fünf-Prozent-Hürde und kam nicht mehr ins Parlament. Nisma argumentierte nun, dass jene Stimmen, die aus Serbien kamen, aus dem Endergebnis herausgerechnet werden müssten. Das Höchstgericht muss entscheiden. Nisma hofft, dass bei weniger Gesamtstimmen der eigene Prozentanteil steigen und Nisma doch ins Parlament einziehen werde.

In einer Woche dürfte es ein endgültiges Ergebnis geben. Mit einer Koalition zwischen der stimmenstärksten Vetëvendosje (VV) und dem Zweitplatzierten, der Demokratischen Liga des Kosovo (LDK), kann im Dezember gerechnet werden. Es ist aber möglich, dass die Koalition nach der Neuauszählung auf weitere Parlamentarier – etwa Minderheitenvertreter – angewiesen ist.

Gegensätzliche Positionen

Inhaltlich gibt es zu 80 Prozent Übereinstimmung zwischen der VV und der LDK. Der künftige Premier Albin Kurti will sich auf Rechtsstaatsreformen konzentrieren. Er möchte hingegen nicht mit Vertretern der Srpska Lista im Kosovo, die von Belgrad gesteuert wird, kooperieren. Kurti räumt zwar ein, dass ein Minister von der Srpska Lista gestellt wird, weil dies der Verfassung entspricht; er sieht die Partei aber nicht als Koalitionspartner. Stattdessen versucht er, mit anderen Vertretern der Serben im Kosovo zusammenzuarbeiten.

Vor dem Neustart des Dialogs zwischen Serbien und Kosovo sind die Positionen insgesamt sehr gegensätzlich. Der serbische Präsident Aleksandar Vučić schließt ein Abkommen mit dem Kosovo ohne Grenzänderungen aus. Er will, dass der Nordkosovo zu Serbien kommt. Für die kosovarischen Parteien kommt das nicht infrage.

"Die Idee einer 'razgranicenje' (Abgrenzung) beruht auf einem rassistischen Konzept. Das sind Ideen von Generälen aus dem Ersten Weltkrieg“, sagt Kurti. "Vučić hat sich damit selbst in die Ecke getrieben. Denn auf beiden Seiten der Grenze wird es immer Serben und Albaner geben", so der künftige Premier zum STANDARD.

Für den Dialog mit Serbien hat Kurti drei Prinzipien aufgestellt. Erstens: "Es wird keine Abmachung ohne Dialog geben." Kurti bezieht sich dabei auf intransparente Gespräche zwischen Vučić und dem kosovarischen Präsidenten Hashim Thaçi. Zweitens: "Es wird keinen Dialog mit Landkarten geben. Es geht bei der Abmachung um die Rechte von Personen und nicht um einen Territorialaustausch", so Kurti. Drittens: "Wenn sich die Präsidenten treffen, werden keine Landkarten auf dem Tisch liegen. Landkarten kommen nur auf den Tisch, wenn sich Demarkationsexperten zusammensetzen." (Adelheid Wölfl, 14.11.2019)