Vor dem Konferenzgebäude gab es Proteste von Abtreibungsgegnern.

Foto: EPA/DAI KUROKAWA

Kronprinzessin Mary geriet ins Schwärmen. Er sei „ein Wendepunkt in der Geschichte der Menschheit“ gewesen, pries die dänische Monarchin den Bevölkerungsgipfel in Kairo: Damals, vor 25 Jahren, habe die Welt „eine mutige Vision“ für das Verhältnis zwischen Bevölkerung, Entwicklung und individuellem Wohlbefinden gefunden. Und mehr als 6000 Delegierte klatschten Beifall.

Zumindest in der geschichtlichen Nachschau waren sich bei der am Donnerstag in Nairobi zu Ende gegangenen Nachfolgekonferenz des Kairoer Gipfels alle einig: Soll das Bevölkerungswachstum vermindert werden, müssen wirtschaftliche Entwicklung und Geburtenkontrolle zusammen spielen – und Frauen als die Hauptakteure einer Lösung in den Mittelpunkt gerückt werden.

Einige Fortschritte

Tatsächlich hat die Menschheit seitdem einige Fortschritte erzielt. Die Zahl der Frauen, die über Zugang zu Verhütungsmitteln verfügen, stieg um ein Viertel. Bekam eine Frau im weltweiten Durchschnitt 1994 noch 2,8 Kinder, so sind es heute nur noch 2,5. Würde sich dieser Trend fortsetzen, hätte sich die Zahl der Erdbürger in fünfzig Jahren stabilisiert.

Der Erfolg ist allerdings ein begrenzter. Während sich die Geburtenquote in Teilen der Welt wie in Europa oder China tatsächlich nivellierte, steht in anderen Teilen das große Bevölkerungswachstum erst noch bevor. Vor allem im subsaharischen Teil Afrikas, wo sich die Zahl der Menschen in den nächsten 32 Jahren erneut verdoppeln wird.

Längst ist bekannt, dass wachsender Wohlstand die Geburtenquoten senkt. Doch wenn sich der Wohlstand – auch wegen der schnell wachsenden Bevölkerung – nicht einstellt, hilft auch diese Wechselwirkung nicht weiter.

Die zweite unumstrittene Korrelation: dass die bessere Ausbildung von Mädchen die Geburtenziffern reduziert. „Je länger ein Mädchen zur Schule geht, desto älter ist es, wenn es heiratet“, heißt es in einer Studie des Berliner Instituts für Bevölkerung und Entwicklung: „Diese Mädchen haben höhere Erwartungen an ihre Zukunft.“ Für sie ist von entscheidender Bedeutung, während der Ausbildung ungewollte Schwangerschaften zu verhindern – dafür sind Verhütungsmittel nötig.

Sex auch ohne Verhütung

Doch die Kairoer Forderung, dass „alle Frauen“ Zugang zu Verhütungsmitteln haben sollen, ist 25 Jahre später noch immer Zukunftsmusik. In traditionellen afrikanischen Gemeinschaften sind Verhütungsmittel für Jugendliche tabu, weiß Candace Lew von der Organisation Pathfinder International: „Doch wie anderswo in der Welt haben auch Jugendliche in Afrika Sex, ob sie nun Verhütungsmittel haben oder nicht.“

In Entwicklungsländern kommt es jährlich zu 89 Millionen ungewollten Schwangerschaften. Vor allem in Afrika sind Kinderehen und der soziale Druck, möglichst viele Babys zu bekommen, noch immer gang und gäbe.

Erfolg in Äthiopien

Umso erstaunlicher, dass es ausgerechnet im zweitbevölkerungsreichsten Staat des Kontinents, in Äthiopien, zu einer Trendwende kam. Im ostafrikanischen Staat fiel die Geburtenquote von fast sieben auf 4,6 Babys pro Frau. Gleichzeitig nahm der Einsatz von Verhütungsmitteln um das Dreifache zu.

Dass es dazu kam, soll vor allem den 34.000 Gesundheitsberaterinnen zu verdanken sein, die Äthiopiens Regierung in den vergangenen Jahren ausgebildet und eingestellt hat. „Äthiopien hat uns wirklich überrascht“, sagt Alisa Kaps vom Berliner Institut für Bevölkerung und Entwicklung: Die Kairoer Vision kann auch in Afrika Wirklichkeit werden. (Johannes Dieterich, 14.11.2019)