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Für Ursula von der Leyen wird es eng mit dem Kommissionsstart am 1. Dezember.

Foto: AP/Francisco Seco

Ursula von der Leyen ist schlecht beraten. Die nächste Präsidentin der Kommission will den Start ihres Teams nun auf Biegen und Brechen durchdrücken. Das wird aus der engsten Umgebung der Deutschen kolportiert. Ihre Berater seien der Auffassung, dass man auch mit nur 27 Kommissarinnen und Kommissaren – ohne Briten – am 1. Dezember starten könne, obwohl das in den EU-Verträgen so gar nicht vorgesehen ist.

Ihr Argument: Die britische Regierung komme den EU-Pflichten nicht nach. Die EU-27 könnten nicht hinnehmen, sich von London verschaukeln und bremsen zu lassen. Zuvor hatte Premierminister Boris Johnson mitgeteilt, seine Regierung sehe sich außerstande, einen Kandidaten für ein Kommissarsamt zu nominieren.

Sein Argument: So kurz vor der Wahl am 12. Dezember, die de facto über Sein oder Nichtsein des Brexits entscheiden wird, würde eine Nominierung nicht „den Konventionen“ entsprechen. Klingt wie ein Witz: Fast alles, was dazu aus London kam, war mehr als unkonventionell.

Getrickst, betrogen und gelogen

Natürlich ist Johnson nicht glaubhaft. Er hat beim Brexit getrickst, betrogen und gelogen. Aber er trifft jetzt einen wunden Punkt und schuf für die EU-27 ein weiteres Problem, eine juristische Falle, die für von der Leyen politisch später gefährlich werden könnte. Mag sein, dass ihre Experten eine solche Vorgangsweise, die britischen Rechte einfach zu ignorieren, mit juristischen Finessen rechtfertigen können. Politisch klug oder gar weise wäre es nicht.

Zum einen tobt gerade der britische Wahlkampf. Zigtausende Remainer kämpfen gegen Johnson und den Brexit. Wenn von der Leyen zwei Wochen vor der Wahl demonstrativ ohne die Briten startet, wäre das ein Schlag ins Gesicht derer, die für den Verbleib in der EU eintreten. Bis vor kurzem taten das auch die EU-27. Ist die Tür noch offen?

Zum anderen könnte ein Frühstart ein peinliches juristisches Nachspiel haben. Der EU-Vertrag sagt ganz klar, dass jedem Mitgliedsland ein Kommissar zusteht. Man stelle sich vor, der Europäische Gerichtshof korrigiert später nach einer Klage diese Entscheidung, erklärt Beschlüsse der Von-der-Leyen-Kommission für illegal. Es spricht also vieles dafür, auf EU-rechtlich sicherem Boden zu bleiben, den Ausgang der britischen Wahl abzuwarten. Wer weiß, vielleicht wird Boris Johnson abgewählt – oder es kommt zu einem zweiten Brexit-Referendum. Ein Start der Kommission im Jänner wäre jedenfalls kein Beinbruch. (Thomas Mayer, 15.11.2019)