Werner Steinecker: "Der Preis ist aber nicht alles, wir müssen und werden einen Mehrwert liefern."

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Lange Zeit sind die Oberösterreicher von Netzbetreibern und Energieversorgern anderer Bundesländer belächelt, mitunter auch angefeindet worden, weil sie frühzeitig auf intelligente Stromzähler gesetzt haben. Nun wird im Land ob der Enns bereits über die nächste Generation von Smart Meter diskutiert.

STANDARD: Ihr Tochterunternehmen Netz Oberösterreich ist von allen Landesnetzgesellschaften am weitesten mit dem Zählertausch. Wann wird der letzte alte Stromzähler durch einen neuen, intelligenten ersetzt?

Steinecker: Formell wird unser Roll-out noch vor Weihnachten abgeschlossen. Es werden vereinzelte Zähler aber auch noch nächstes Jahr getauscht werden.

STANDARD: Inwiefern?

Steinecker: Eine gewisse Anzahl von Kunden will keine smarten Anwendungen, die durch die neuen Zähler möglich werden, haben. Die Opt-out-Rate liegt trotzdem nur bei 1,4 Prozent. Manche werden ihre Vorbehalte aufgrund des erfolgreichen, großflächigen Roll-outs zurücknehmen und in Hinblick auf die Klimastrategie die neue Zählertechnologie akzeptieren. In diesen Fällen wird es nachträglich noch Montagen geben.

STANDARD: Gab es Situationen, wo Leute anfänglich gesagt haben, sie wollen nicht, dass der Zähler die Daten viertelstündlich ausliest, und es dann doch wollen?

Steinecker: Die gibt es. Manche begehren das Opt-out und sehen beim Nachbarn, der ja denselben Zähler montiert hat, dass er mit seiner Wärmepumpe beispielsweise in den Genuss sparsamerer Tarife kommt. Wenn der sagt, du kannst das auch haben, musst aber die smarten Funktionen aktivieren lassen, dann kommt es immer wieder zu einem Umdenken.

Auch Smart Meter müssen, bevor sie an die Zählerwand kommen, richtig eingestellt werden.
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STANDARD: Was passiert dann?

Steinecker: Dann wird der Betriebsmodus des Zählers umgestellt. Dazu muss niemand mehr zum Zähler beim Kunden fahren. Das geht unspektakulär mittels Fernwartung. Das ist auch der große Vorteil dieser Technologie. Daten werden maximal sicher und verschlüsselt gesendet, von der Zentrale zum Umspannwerk, weiter zur Trafostation hin zum Smart Meter. Umgekehrt genauso.

STANDARD: Warum ist die Netz Oberösterreich, der Netzbetreiber der Energie AG, um so viel smarter als andere Landesenergieversorger, die zum Teil erst nächstes Jahr mit dem Ausrollen intelligenter Strommessgeräte beginnen?

Steinecker: Weil wir möglicherweise einen etwas anderen Blick für die Zukunft haben. Begonnen hat es bei uns schon um die Jahrtausendwende, da gab es den Begriff Smart Meter noch gar nicht. Findige Techniker haben sich überlegt, ob man mit einer neuen Generation elektronischer Messgeräte nicht einen Sprung nach vorn machen könnte. Die Idee dahinter war, mit einem automatisierten Prozess die Verbrauchsdaten zu jedem Zeitpunkt ablesen und idealerweise gleich Schaltvorgänge machen zu können.

STANDARD: Aber die Ferraris-Zähler funktionierten doch klaglos?

Steinecker: Die haben bis dorthin verdienstvoll ihre Arbeit gemacht, aber in einem technisch alten, mechanischen Design. Diese Zähler konnten nur die Verbrauchsdaten erfassen. Dann ist entweder jemand von uns hingefahren und hat einmal im Jahr den Zählerstand abgelesen, oder der Kunde hat uns die Daten mittels Selbstablesekarte geschickt. Die innovative Idee war, Nachtspeicher, Wärmepumpen und andere Geräte, die in den Genuss günstigerer Tarife kommen sollten, über den Zähler zuzuschalten anstatt technisch kompliziert und aufwendig mittels Rundsteuertechnik.

STANDARD: Nachtspeicher hat es auch in anderen Bundesländern gegeben, die Ausgangslage war für alle Stromversorger doch gleich?

Steinecker: Das Verständnis aber nicht. Wir haben eine Kosten-Nutzen-Analyse gemacht und gesehen, dass sich der digital automatisierte Prozess in ein paar Jahren rechnet. Dann haben wir den Auftrag für eine erste Versuchsserie an die damalige VA Tech SAT erteilt, die dann von Siemens übernommen wurde. Das war der Urprototyp des AMIS-Zählers (steht für Automatisches Mess- und Informationssystem, Anm.). Andere EVUs haben uns belächelt und gemeint, welcher Spintisiererei gehen die in Oberösterreich nach, gibt es nicht vernünftigere Themenstellungen. Danach hat auch die EU-Kommission begonnen, an einer Smart-Meter-Richtlinie zu arbeiten. Mittlerweile wurde die Anforderung in nationales Gesetz übernommen.

STANDARD: Sie waren der Zeit voraus?

Steinecker: Maximal. Wir mussten uns erst einen geeigneten Partner suchen, der fähig war, das umzusetzen, was in unseren Köpfen war.

STANDARD: Um wie viele Zähler geht es in Oberösterreich?

Steinecker: Fast 650.000 von österreichweit rund 5,6 Millionen.

"Wir haben eine Kosten-Nutzen-Analyse gemacht und gesehen, dass sich der digital automatisierte Prozess in ein paar Jahren rechnet", sagt Steinecker.
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STANDARD: Und 95 Prozent der Haushalte bekommen einen neuen Zähler bzw. haben im Zuständigkeitsbereich der Netz Oberösterreich GmbH bereits einen hängen?

Steinecker: Die 95 Prozent sind eine Mindestanforderung, die gesetzlich bis Ende 2022 vorgegeben ist. Die meisten EVU bemühen sich, ein Mindestmaß zu erfüllen nach dem Motto, kann es nicht noch ein bisschen weniger sein. Wir haben gesagt, das machen wir nicht, wir zielen auf 100 Prozent ab.

STANDARD: Musterschüler?

Steinecker: Was wir machen, ist nicht Musterschüler sein, sondern harter Pragmatismus. 100 Prozent sind leichter handzuhaben, und es ist effizienter, als zwei parallele Systeme zu betreiben.

STANDARD: Wie viel kostet der Tausch?

Steinecker: Wir haben 160 Millionen budgetiert und sind genau im Plan.

STANDARD: Wie viel davon war Lehrgeld?

Steinecker: Wir haben Lernkurven absolviert, konnten andererseits aber auch viel ausprobieren, das uns nun zugutekommt.

STANDARD: Wie sieht es mit neuen Produkten und Tarifmodellen aus?

Steinecker: Wir betreiben eine Art Labor, in dem sich Mitarbeiter mit den verschiedensten Möglichkeiten, die der Smart Meter bietet, auseinandersetzen. Auch wenn wir mit smarten Tarifen Pioniere sind, stehen wir erst am Anfang, da wird noch viel kommen.

STANDARD: Quereinsteiger wie Google oder Amazon wollen die besseren Energiedienstleister werden. Smart Meter sind ein Türöffner dafür. Was werden Sie denen entgegensetzen?

Steinecker: Die werden immer nur hergehen und sagen, ich verkaufe dir das Produkt billiger. Das ist dieses Warenhausprinzip, der No-na-net-Faktor einer Beglückung. Der Preis ist aber nicht alles, wir müssen und werden einen Mehrwert liefern. Indem wir zum Beispiel sagen, wir bieten dir, lieber Haushalt, eine Bündelware an, Strom kombiniert mit Internet und Gas. Oder wir liefern ein Servicepaket für die Heizung, das sich erweitern lässt bis hin zum Angebot von Alarmeinrichtungen. Das können nur wir.

STANDARD: Und die nächste Zählergeneration?

Steinecker: ... wird bei uns schon diskutiert. Wir überlegen, welche zusätzlichen Funktionalitäten Sinn machen, welche Funktionen dem Kunden helfen. Weil wir österreichweit Vorreiter waren, haben wir jetzt die Möglichkeit, unsere Erfahrungen in die Weiterentwicklung einfließen zu lassen und die Systeme der Zukunft mitzugestalten. (Günther Strobl, 15.11.2019)