Fast 50 Jahre, davon 40 als Manager, war Uli Hoeneß bei Bayern München. Selbst als er seine Strafe wegen Steuerhinterziehung verbüßte, arbeitete er als Freigänger im Klub.

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Die Anfänge als Manager bei Bayern München waren für Uli Hoeneß bescheiden. Der Klub war verschuldet, finanzielle und sportliche Erfolge kamen erst später.

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Die Szene war leicht skurril. Da diskutierte kürzlich eine Runde im "Doppelpass", einer Talkshow des deutschen Privatsenders Sport 1, als die Regie live einen Anrufer durchstellte. Am Telefon war Bayern-Boss Uli Hoeneß persönlich, und er musste sich mal wieder aufregen – darüber, dass sich die Ahnungslosen "total despektierlich über Hasan Salihamidzic hier äußern".

Der Hoeneß-Protegé ist bei den Bayern gerade vom Sportdirektor zum Sportvorstand befördert worden, und Hoeneß mag es nun einmal nicht, wenn man über seine Zöglinge nicht gut spricht. Der Anruf sorgte für Aufsehen, er steht nämlich in krassem Gegensatz zu dem, was Freitagabend in München passieren soll: Hoeneß, der wie kein anderer den Verein geprägt und umgekrempelt hat, der verehrt, aber auch gehasst wird, will loslassen. Nach 50 Jahren endet seine Ära bei den Bayern.

"Mister Bayern München"

Der 67-Jährige wird bei der Jahreshauptversammlung als Präsident abtreten, und man kann davon ausgehen, dass in der Münchner Olympiahalle Tränen fließen werden. Die Worte für seine Abschiedsrede bei der finalen Messe vor tausenden Fans werden wie immer aus dem Bauch kommen.

Es wird natürlich einen Rückblick geben, vielleicht bis zum 15. August 1970. An diesem Tag hat Hoeneß als Spieler sein erstes Profimatch für die Bayern bestritten. Schwarzweißfotos erinnern daran, dass "Mister Bayern München" nicht immer Manager, sondern früher aktiver Kicker war.

Diese Karriere endete 1979 wegen eines Knorpelschadens. Doch im selben Jahr ging es auf anderem Terrain so richtig los. Mit 27 wurde Hoeneß bei Bayern München Manager, der Verein war damals ein völlig anderer: "Wir hatten Schulden, und wir hatten keine Mannschaft", sagte der Metzgersohn aus Ulm.

"Prädestiniert für den Beruf"

Er ließ auch nie einen Zweifel daran, warum er der Richtige für Bayern war: "Ich verstehe etwas von Finanzen und Geschäften. Ich verstehe etwas vom Fußball und Fußballspielen. Ich bin prädestiniert für diesen Beruf."

Er brachte das große Geld, die Sponsoren, Merchandising und Marketing. Die Bayern, spöttisch auch FC Hollywood genannt, wurden zu einem der reichsten und erfolgreichsten Vereine der Welt. In seiner Zeit als Manager holten sie 58 Titel, wurden 24-mal Meister und gewannen zweimal die Champions League.

Sehen lassen kann sich auch die wirtschaftliche Bilanz: 750 Millionen Euro Umsatz. 52,5 Millionen Gewinn. Die 2005 eröffnete Allianz-Arena ist abbezahlt.

Legendär ist Hoeneß' Wutrede auf der Jahreshauptversammlung im Jahr 2007, als Fans die schlechte Stimmung in der Arena kritisierten. "Was glaubt ihr eigentlich, wer euch alle finanziert?", brüllte Hoeneß, "die Leute in den Logen, denen wir die Gelder aus der Tasche ziehen. Ohne die hätten wir nämlich keine Allianz-Arena. Sie hat 340 Millionen Euro gekostet, und das ist nun mal mit sieben Euro in der Südkurve nicht zu finanzieren." Das war sie, die berühmte "Abteilung Attacke" des Patrons und Poltergeistes mit seinen zwei Seiten: bedingungsloser Einsatz für den Klub, aber auch Arroganz und überhebliche "Mia san mia"-Mentalität, gepaart mit viel Geld, um anderen Klubs die besten Spieler wegzukaufen.

Gefängnis in Landsberg

Einen demütigeren Hoeneß erlebte man 2014. Im März verurteilte ihn das Münchner Landgericht wegen Steuerhinterziehung in Höhe von 28,5 Millionen Euro zu einer Haftstrafe von drei Jahren und sechs Monaten.

Das Urteil akzeptierte Hoeneß, er trat auch von allen Ämtern beim FC Bayern zurück und im Juni 2014 seine Haft in Landsberg am Lech an. Doch schon als Freigänger arbeitete er wieder in der Firma. Und als er seine Strafe vorzeitig verbüßt hatte, stand einem Wiederaufstieg nichts mehr im Weg. Schließlich hatte er schon 2007 erklärt: "Ich werde dem Verein so lange dienen, bis ich nicht mehr atmen kann."

Und so ganz geht Hoeneß jetzt ja auch nicht. Er bleibt einfaches Mitglied im Aufsichtsrat und hat die personellen Weichen in seinem Sinne gestellt. Neuer Präsident soll sein Freund, der langjährige Adidas-Chef Herbert Hainer werden, Ex-Teamtorhüter Oliver Kahn, ebenfalls ein Hoeneß-Vertrauter, rückt nächstes Jahr in den Vorstand auf und soll ab 2022 Karl-Heinz Rummenigge als Vorstandschef folgen.

Bei der Suche nach einem neuen Trainer – von Niko Kovac hat man sich gerade getrennt – will Hoeneß nicht mehr mitmischen. Das sagt er zumindest. Aber ganz glauben kann man es nicht, denn er hat angekündigt: "Ich werde den Verein wie eine Glucke bewachen." Und: "Der eine oder andere Journalist wird sich jetzt schon gefallen lassen müssen, dass ich die Abteilung Attacke wieder ausfahre, jetzt, wo ich dann keine offizielle Funktion mehr habe." (Birgit Baumann aus Berlin, 15.11.2019)