Die wirtschaftlichen Verluste und Gesundheitskosten durch Feinstaub beliefen sich dem Bericht zufolge in Österreich in den Jahren 2015 und 2016 auf jeweils knapp unter zwei Milliarden Euro.

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Laxenburg/London/Wien – Rund 3.800 frühzeitige Todesfälle in Österreich im Jahr 2016 durch die gestiegene Feinstaubbelastung (PM 2,5 – steht für Particulate Matter. In dieser Einheit wird Feinstaub bemessen) der Luft weisen die Basisdaten des am Donnerstag veröffentlichten Berichts zu Gesundheitsfolgen des Klimawandels des Konsortiums The Lancet Countdown aus. Fast 600 davon sind demnach auf das Verbrennen von Kohle zurückzuführen, heißt es in den der APA übermittelten Österreich-Daten.

Dem Konsortium gehören rund 100 Experten an. Mitbeteiligt an dem Bericht waren auch Forscher aus Österreich. Im Vorfeld der UN-Klimakonferenz in Madrid bilanzieren die Experten aus 35 Institutionen wie der Weltgesundheitsorganisation (WHO), internationale Universitäten sowie unter anderem vom Internationalen Institut für Angewandte Systemanalyse (IIASA) in Laxenburg bei Wien im Fachjournal "The Lancet" die aktuellen und künftigen Auswirkungen des Klimawandels auf die Gesundheit.

Die wirtschaftlichen Verluste und Gesundheitskosten durch Feinstaub beliefen sich dem Bericht zufolge in Österreich in den Jahren 2015 und 2016 auf jeweils knapp unter zwei Milliarden Euro. Bleibe die Luftverschmutzung auf dem Level von 2016, sei in ganz Europa mit jährlichen Kosten in der Höhe von 129 Milliarden zu rechnen.

Mehr Hitzewellen

Durch die gestiegenen Temperaturen erlebten im Jahr 2018 über 65-Jährige mehr Hitzewellen als im Schnitt der Jahre 1986 bis 2005. In Österreich führte das dazu, dass rund 230.000 Menschen mehr in dieser Altersgruppe mit diesen Hitzewellen zurechtkommen mussten.

In Deutschland trug demnach im Jahr 2016 die Feinstaubbelastung (PM 2,5) zu über 44.800 frühzeitigen Todesfällen bei, 8.000 davon seien auf die Verbrennung von Kohle zurückzuführen. Feinstaub stammt unter anderem auch aus dem Verkehr und der Industrie. Die Luftverschmutzung insgesamt habe 2016 weltweit zu sieben Millionen Todesfällen geführt, 2,9 Millionen davon habe Feinstaub verursacht.

Der Klimawandel schädigt insbesondere die Gesundheit von Kindern. Bei einem Weiterwirtschaften wie bisher "wird das Leben jedes heute geborenen Kindes tiefgreifend vom Klimawandel beeinträchtigt werden", so der Bericht. Gehe der CO2-Ausstoß weiter wie bisher, werde ein derzeit geborenes Kind an seinem 71. Geburtstag im Schnitt in einer um vier Grad wärmeren Welt leben.

Krankheitsanfälliger

Kinder seien von den Auswirkungen des Klimawandels am stärksten betroffen, betonte Nick Watts, Chef des Lancet-Konsortiums. Ihr Körper und ihr Immunsystem entwickelt sich noch, und Schäden in der Kindheit könnten bleiben. Auch Ernterückgänge durch den Klimawandel und infolgedessen Unterernährung träfen sie am schlimmsten, schreiben die Forscher. Sie litten stärker an Durchfall und an von Stechmücken übertragenen Erkrankungen wie Dengue. Gleich neun der zehn Jahre mit den besten Bedingungen für Dengue-übertragende Mücken fielen laut Report in den Zeitraum seit dem Jahr 2000. Auch die Bedingungen für den Cholera-Erreger hätten sich seit Anfang der 1980er-Jahre verbessert.

Eine Gruppe von Bakterien, die Vibrionen, werde eine zunehmende Gefahr, heißt es in dem Lancet-Report auch. Die Erreger können Magen-Darm- und Wundinfektionen verursachen. Seit den 1980er-Jahren habe sich aufgrund höherer Wassertemperaturen die Anzahl der Tage verdoppelt, an denen man sich etwa in der Ostsee mit Vibrionen anstecken kann. 2018 waren es 107 Tage.

Keine Kohle, kein Benzin, kein Diesel

Würde die Erderwärmung dagegen auf 1,5 Grad begrenzt – wie im Pariser Klimaabkommen eigentlich vorgesehen – und die diesbezüglichen Versprechen der Länder eingehalten, sehe es anders aus, so die Forscher. Ein Kind in England könnte dann mit sechs Jahren den Kohleausstieg erleben, in Frankreich mit 21 Jahren den Abschied von Benzin- und Dieselautos, und alle heute Geborenen weltweit könnten mit 31 Jahren erleben, dass nur noch so viel CO2 produziert wird, wie von der Natur oder mit technischen Mitteln aufgenommen werden kann. Zugleich könnte die Luft reiner und die Infrastruktur besser sein.

"Eine nie dagewesene Herausforderung verlangt eine nie dagewesene Reaktion, und es benötigt die Mitarbeit der 7,5 Milliarden derzeit lebenden Menschen, um sicherzustellen, dass ein heute geborenes Kind nicht durch ein sich wandelndes Klima bestimmt wird", betonen die Autoren.

Zudem hält der Bericht fest, dass in 77 Prozent der Länder zunehmend Waldbrände und ähnliche Feuer auftreten. Insgesamt führen Temperatursteigerungen und Hitzewellen zu einem Verlust von 133,6 Milliarden Arbeitsstunden.

Forderungen

Um diesen negativen Entwicklungen beizukommen, fordern die Autoren eine schnelle und komplette Abkehr von Strom aus Kohle weltweit. Zudem brauche es eine Zusicherung von Klimaunterstützungen in der Höhe von jährlich rund 91 Milliarden Euro seitens der reicheren Länder für ärmere Staaten, den Ausbau des öffentlichen Verkehr und Anreize zur verstärkten Nutzung des Fahrrades – und nicht zuletzt Investitionen in den Aus- und Umbau der Gesundheitssysteme angesichts der zu erwartenden Veränderungen.

Eine davon stelle sich auch im Bereich der von Stechmücken übertragenen Erkrankungen hierzulande ein: So bringe der Klimawandel mit sich, dass Ärzte zunehmend von Mücken übertragene Erreger auf dem Schirm haben müssten, so Sebastian Ulbert vom Fraunhofer-Institut für Zelltherapie und Immunologie in Leipzig. "So blieben dieses Jahr zum Beispiel die meisten West-Nil-Virus-Infektionen unerkannt, weil bei Grippe-ähnlichen Symptomen niemand an diesen Erreger dachte." Nötig seien Fortbildungen und gute Testsysteme.

Seit den 1960er-Jahren sei das Potenzial der heimischen Ernteerträge im Bezug auf Mais um 19 Prozent und bei Winterweizen um 5,3 Prozent zurückgegangen. Im Vergleich zu den 1950er-Jahren präsentiert sich überdies die Witterung in Österreich für Dengue-übertragende Stechmücken deutlich attraktiver. (APA, red, 15.11.2019)