Vor allem in der kalten Jahreszeit haben Bittersalate wieder Saison. Bei ihnen scheiden sich oft die Geister: Entweder man liebt deren leicht bitteren Geschmack, oder man hasst ihn. Die Salate mit der Bitternote sind eng miteinander verwandt und gingen ursprünglich durch Zucht aus der Wegwarte (oder Zichorie) hervor, einem typischen Wegerand-"Unkraut". Schon die alten Römer verkochten die Zichoriengewächse, und die Wurzeln der Pflanze dienten früher zur Herstellung von Ersatzkaffee und werden neuerdings für die Poduktion von Inulin, einem Ballaststoff, verwertet.

Bittersalate sind heute im Handel meist saisonal erhältlich. Endiviensalat (Endivie, Winterendivie, Eskariol) ist bei uns schon lange als typischer Herbst- und Wintersalat verbreitet. Er hält leichten Frost aus, kann bis in den November im Freien bleiben und lässt sich gut lagern. Chicorée ist eine belgische Zuchtform, bei der die Zichorienwurzeln im Winter abgedeckt austreiben. Dies blassen Triebe werden als Salat beziehungsweise Gemüse verkauft. Radicchio und Zuckerhut sind italienische Züchtungen, von denen nur der rote Radicchio sehr häufig auch bei uns zu finden ist. Auch Frisée-Salat ist eine Endivien-Art, allerdings kein Wintersalat.

Bitterstoffe sind gut für die Gesundheit

Bitterstoffe in der Nahrung – nicht nur in Salaten, auch in anderem Obst und Gemüse – sind generell gut für die Gesundheit und beeinflussen viele Prozesse im menschlichen Körper positiv. So fördern bittere Lebensmittel beispielsweise die Verdauung: Bereits im Mund lösen die Geschmacksrezeptoren auf der Zunge bei bitterem Geschmack eine vermehrte Magensaftproduktion aus. Zudem regen bittere Substanzen die Galle an und sorgen damit für die Unterstützung der Leber. Bittere Speisen können besser verdaut und Vitalstoffe effizienter vom Körper aufgenommen werden. Hand in Hand mit einem gesunden Darm geht auch eine Stärkung des Immunsystems. Abnehmwillige können ebenfalls profitieren, da Bitterstoffe eine längere Sättigung fördern.¹

Bittersalaten wird auch eine beruhigende, anti­entzündliche und schmerzstillende Wirkung nachgesagt. Dafür verantwortlich sind ihre Bitterstoffe Lactucin und Lactucopikrin (früher auch als Intybin bezeichnet), die vor allem in den Blättern enthalten sind. Besonders interessant könnten für die Forschung positive Effekte gegen neurodegenerative Erkrankungen wie Demenz sein: In Versuchen konnte Lactucopikrin das Wachstum von Nervenfortsätzen fördern². Zichoriengewächse liefern außerdem den Balaststoff Inulin, der verdauungsfördernd und als Präbiotikum wirkt. Aufgrund dieser Eigenschaft wird Inulin auch gerne von der Lebensmittelindustrie für "gesunde" Produkte eingesetzt und vor allem aus der Wurzel von Chicorée gewonnen. Die Salate mit der bitteren Note enthalten zudem viel Vitamin C, B-Vitamine, Kalium und Kalzium.

Foto: Open Science -Lebenswissenschaften im Dialog

Bitter: Nur eine Frage der Gewohnheit

Nicht nur Kinder, auch viele Erwachsene rümpfen bei Endivie, Radiccio und Co die Nase: zu bitter! Dabei zählt bitter zu den Geschmacksrichtungen, an die man sich erst gewöhnen muss. Babys haben eine angeborene Abneigung gegen Bitteres und Saures und einen natürlichen Abwehrreflex dagegen. Dieser wird als gustofazialer Reflex bezeichnet. Kinder lernen erst allmählich, saure oder bittere Speisen und Getränke zu akzeptieren, wenn ihnen diese von ihrer Umgebung vorgesetzt werden. Der Geschmack wird erst nach und nach gebildet. Kinder müssen eine Speise, wie beispielsweise eine Gemüsesorte, mindestens zehnmal essen, bis sie den Geschmack wiedererkennen. In diesem Prozess, der als "mere exposure effect" bekannt ist, steigt die Akzeptanz für jene Speisen, die häufig gegessen werden. Kommt immer nur Ähnliches auf den Tisch, zum Beispiel nur die Lieblingsspeisen, ist das der Geschmacksentwicklung nicht förderlich.³ Immer häufiger lehnen auch Erwachsene bittere Speisen und Getränke aufgrund ihrer kulturellen Prägung ab: In den westlichen Industrienationen werden oft süß und salzig bevorzugt, während sauer und bitter langsam verschwinden.

Mit dem Alter steigt oft die Toleranz für Bitteres, vermutlich weil dann auch die Fähigkeit der Geschmackswahrnehmung abnimmt. Interessant ist, dass es für süß nur einen Rezeptor gibt, während für bitter bereits 25 Rezeptoren gefunden wurden. Das hängt damit zusammen, dass es für unsere Vorfahren oft wichtig war, giftige Substanzen aufgrund ihres bitteren Geschmacks zu erkennen und zu meiden.⁴

Auch die genetische Disposition beziehungsweise die Anzahl der Geschmacksrezeptoren eines Individuums spielen eine Rolle, wie sensibel dieses auf Geschmacksreize reagiert. Sogenannte Superschmecker reagieren viel intensiver auf Geschmackserlebnisse als Normalschmecker. Nicht-Schmecker dagegen erleben Geschmäcker viel weniger intensiv.

Wie man die Bitterstoffe austricksen kann

Wegen der Geschmacksvorlieben der Konsumenten sind Pflanzenzüchter ständig bemüht, bei Endivien, Chicorée oder Radicchio-Sorten möglichst die Bitterstoffe zu reduzieren, um deren Beliebtheit zu steigern. Das ist vom gesundheitlichen Standpunkt aus eigentlich schade, denn wegen der Bitterstoffe sollten die gesunden Salate nicht gemieden werden. Hier ein paar Tricks, um den bitteren Geschmack akzeptabler zu machen:

  • Bei Radicchio sind besonders der Strunk und die Rippen bitter, bei Chicorée ist es der Strunk. Durch das Entfernen dieser Teile ist der Salat gleich weniger bitter.
  • Bei Endivie wurde früher das kurze Einlegen der Salatblätter in Wasser empfohlen. Dieses muss jedoch lauwarm sein, da Lactopikrin und Lactucin zwar wasserlöslich sind, sich aber in kaltem Wasser nur schwer lösen. Durch das Einweichen gehen aber die wasserlöslichen B- und C-Vitamine verloren.
  • Bei der Zubereitung kann man versuchen, die Bitterstoffe mit einer süßen Geschmacksnote zu kombinieren, um ihnen so die Intensität zu nehmen. Endiviensalat harmoniert beispielsweise mit Bananen-, Mandarinen- oder Orangenstücken sowie Granatapfelkernen, die man einfach unter den Salat mischt, oder ganz klassisch mit gekochten Erdäpfeln. Chicorée passt gut zu Orangen und zu Äpfeln, und Radicchio wird meist mit anderen Salaten gemischt.
  • Die Marinade kann ebenfalls dazu beitragen, bittere Inhaltsstoffe abzumildern, indem sie zum Beispiel mit Joghurt oder geriebenen Nüssen verfeinert wird.

Salat als Gemüse

Vielfach ist in Vergessenheit geraten, dass alle Zichorien-Salate auch warm als Gemüse zubereitet werden können. So etwa sind kurzgebratener Endiviensalat mit Sonnenblumenkernen und Reis, Radicchio-Risotto oder Chicorée-Auflauf ein ausgefallener Gaumenschmaus. Viele dieser Rezepte enthalten zusätzlich Milch, Orangen oder andere Zutaten, die die Bitterstoffe abmildern. Das Erhitzen ist auch eine gute Verwertung für die gröberen äußeren Blätter, die nicht von allen im Salat geschätzt werden. Gerade die äußeren grünen Blätter enthalten mehr Vitamine als die gelben inneren.

Fazit

Wintersalate sind gesund, kalorienarm und brauchen kein geheiztes Glashaus. Möchte man das Klima schonen, sind sie deshalb Glashaussalat vorzuziehen. Ab Jänner müssen allerdings auch Bittersalate oft im Gewächshaus gezogen werden, da es nicht mehr üblich ist, sie einzulagern, wie das früher gemacht wurde. Es gibt viele Rezepte zur Zubereitung, die ausgezeichnet schmecken, und mit ein paar einfachen Tricks kann auch der bittere Geschmack dieser Salate gemildert werden. Andere Lebensmittel sind teilweise ebenfalls reich an Bitterstoffen, wie zum Beispiel Artischocke, Brokkoli, Grapefruit, Kohlsprossen, Löwenzahn oder Rucola. Diese enthalten andere Bitterstoffe als Lactucopikrin, sind aber ebenfalls sehr gesund. (Isolde Jansen, 21.11.2019)

Isolde Jansen ist Kulturwissenschafterin und seit vielen Jahren bei Open Science tätig. Sie ist eine der Bloggerinnen, die als "bESSERwisser" die Beiträge für den Hungry-for-Science-Blog von Open Science verfassen.

Mehr Beiträge finden Sie auf hungryforscience.at.

Quellen

¹ Avau B., Rotondo A., Thijs T. et al. Targeting extra-oral bitter taste receptors modulates gastrointestinal motility with effects on satiation (2015). Scientific Reports volume 5, Article number: 15985 (2015).

² Venkatesana R., Subedia L., Yeo EJ und Kim SY. Lactucopicrin ameliorates oxidative stress mediated by scopolamine-induced neurotoxicity through activation of the NRF2 pathway (2016). Neurochemistry International Volume 99, October 2016, Pages 133-146. 

³ Ahern SM, Caton SJ, Blundell P., Hetherington MM. Increasing pre-school children's liking for a novel vegetable. A comparison of flavour-flavour learning and repeated exposure (2013). Appetite, 71 (0) (2013), p. 470. 

⁴ Frings S., Müller F. Schmecken (2014). In: Biologie der Sinne. Springer Spektrum, Berlin, Heidelberg.

⁵ Wijtzes AI, Jansen W., Bouthoorn, SH et al: PROP taster status, food preferences and consumption of high-calorie snacks and sweet beverages among 6-year-old ethnically diverse children.  Maternal & Child Nutrition VL 13, issue 2, 1740-8709 (2016). 

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