SPÖ-Klimaschutzsprecherin Julia Herr wünscht sich von der künftigen Regierung einen Green New Deal.

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Wien – SPÖ-Klimaschutzsprecherin Julia Herr sieht die Klimakrise als wichtigste soziale Frage unserer Zeit. "Es ist nicht fünf vor zwölf, sondern fünf nach zwölf", machte sie bei einem Medientermin energisch auf die Dringlichkeit ihres Anliegens aufmerksam. Während der Deutsche Bundestag am Freitag ein umstrittenes Klimaschutzgesetz beschloss, wünscht sich Herr von der künftigen österreichischen Regierung einen Green New Deal, dessen Eckpunkte sie am Freitag vorstellte. Mit diesem soll Österreich bis 2040 klimaneutral werden.

Mehr als ein Klimaplan

Der von der Abgeordneten geforderte Deal sei "nicht nur einfach ein Klimaplan", sagte sie. "Er soll Umweltpolitik mit Sozialpolitik, Arbeitsmarktpolitik und Wirtschaftspolitik verbinden", so Herr. Die zuletzt vorgeschlagene Klimaschutzmilliarde der SPÖ sieht sie als "Sofortmaßnahme" zwar positiv, sie müsse aber eingebettet werden in ein großes Ganzes, betonte Herr und ergänzte: "Das ist in meinen Augen der Green New Deal."

Wesentliche Instrumente dafür sind massive staatliche Investitionen, das Recht auf Arbeit und eine Beschäftigungsgarantie. Arbeiterinnen und Arbeiter, die in der fossilen Wirtschaft beschäftigt sind und sich Sorgen um ihren Job machen, sollen demnach in Bereichen tätig sein, wo dringend Leute gebraucht werden. In den Zukunftsbranchen Umwelt- und Energietechnik, als Facharbeiterinnen, im sozialen Bereich, in der Pflege.

Staatsfonds geplant

Herr sieht sich selbst als "Stimme für die jungen Leute im Parlament". Das sei ihr besonders wichtig, weil die junge Generation von der Klimakrise am meisten betroffen sein werde, sagte sie. Herr sprach von "extremen Schadenssummen" in Höhe von einer Milliarde Euro jährlich, dazu kämen hohe Strafzahlungen Österreichs wegen nicht erreichter Klimaziele. "Das sind Wahnsinnssummen", kritisierte Herr und schlug vor, das Geld nicht in den europäischen Emissionshandel zu stecken, sondern lieber für den Klimaschutz aufzuwenden.

Damit sollen Sofortmaßnahmen getroffen werden, etwa Ausbau des öffentlichen Verkehrs, mehr Forschung und Entwicklung, thermische Sanierungen. Für weiterreichende Maßnahmen plant Herr mit einem strategischen Staatsfonds und Transformationsfonds. Damit soll die mittel- und langfristige völlige Dekarbonisierung der Wirtschaft gelingen und zehntausende neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Ein Staatsfonds soll Kapital zur Verfügung stellen und sich auch als Anteilseigner aktiv am Aufbau neuer Technologien und Unternehmen beteiligen. "Wenn die öffentliche Hand sich am unternehmerischen Risiko beteiligt, soll sie auch von Erfolgen profitieren", sagt Herr.

Transformation der Gesellschaft

Grundsätzlich möchte Herr eine "Transformation der Gesellschaft". Es sei ein Plan "fort von der fossilen hin zu einer sauberen neuen Wirtschaft", so Herr. Der Green New Deal soll "Gewinne einer neuen grünen Wirtschaft verteilen und er soll brechen mit einer falschen Wachstumslogik in einer Welt, in der die Ressourcen knapp werden", gewährte Herr Einblick in ihre Vorstellungen.

Größer denken

Einen Seitenhieb gab es auch auf die Europäische Union, die Herr zum Handeln aufforderte. "Die Klimakrise werden wir nicht in nationalstaatlichen Grenzen lösen", sagte sie und nannte den Weg in eine CO2-neutrale Zukunft einen "steinigen".

Auf internationaler Ebene hat sich SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner am Freitag in Stockholm mit der Klimakrise befasst. Rendi-Wagner sieht die Bekämpfung der Erderwärmung als zentrale Frage der Sozialdemokratie weltweit, alle in der schwedischen Hauptstadt vertretenen sozialistischen und sozialdemokratischen Parteien der "Progressiven Allianz" seien sich "einig, dass der Klimawandel auch eine große soziale Herausforderung ist", sagte die SPÖ-Vorsitzende in einem Telefoninterview.

"Die soziale Gerechtigkeit muss bei diesem Thema ganz stark mitgedacht werden", betonte sie. Die Sozialdemokraten seine die einzige politische Kraft, die diesen Aspekt immer bei all ihren Konzepten gegen den Klimawandel berücksichtige.

Green New Deal von Timmermans

Die Teilnehmer des Treffens der "Progressiven Allianz" erörterten mit dem niederländischen Sozialdemokraten Frans Timmermans, der in der künftigen EU-Kommission als Vizepräsident für den Klimaschutz zuständig sein wird, dessen Pläne eines Green New Deal für Europa. "Klar ist, dass Europa eine Vorreiterrolle im Kampf gegen die Klimakrise einnehmen muss und Österreich eine Vorreiterrolle innerhalb der Europäischen Union", sagte Rendi-Wagner nach den Beratungen mit Timmermans, den sie in Stockholm auch zu einem bilateralen Gespräch traf.

Ehrgeizigere Ziele bis 2030

Timmermans hatte bei seinem Hearing für seine neue Funktion als Klimakommissar vor dem Europaparlament Anfang Oktober angekündigt, rasch nach seinem Amtsantritt weitreichende Gesetzesentwürfe vorzulegen, in denen das Ziel der Klimaneutralität bis 2050 in der EU-Gesetzgebung verankert sei. Zudem will er umgehend damit beginnen, ehrgeizigere Ziele für die Zeit bis 2030 zu erarbeiten. "Ich werde einen Legislativvorschlag vorlegen, der uns helfen wird, die Emissionen um mindestens 50 Prozent zu senken – oder noch besser sogar um 55 Prozent", sagte Timmermans bei dieser Gelegenheit. Offizielles Ziel sind derzeit minus 40 Prozent.

Die SPÖ-Chefin wiederholte ihre Forderung vom Sommer, einen Klimakonvent für Österreich abzuhalten. Dazu will sie alle betroffenen Wirtschaftszweige, NGOs, Gesellschaftsgruppen und Experten an einen Tisch holen.

Zweites Thema Digitalisierung

Ein weiteres großes Thema der Konferenz der "Progressiven Allianz" auf Einladung der schwedischen Sozialdemokraten (SAP) unter Ministerpräsident Stefan Löfven mit Partei- und Regierungschefs aus Europa und aller Welt war am Freitag auch die Digitalisierung. Die "Progressive Allianz" ist ein ergänzendes Netzwerk zur Sozialistischen Internationale (SI). Sie besteht aus weltweit rund 130 Parteien des sozialistischen und sozialdemokratischen Spektrums sowie knapp 30 international tätigen Organisationen. Sie wurde 1993 in Leipzig gegründet. Rendi-Wagner nahm in Stockholm auch an Podiumsdiskussionen teil und traf bilateral u.a. auch den portugiesischen Ministerpräsidenten Antonio Costa. (APA, red, 15.11.2019)