Der genetische Code kann durch einen Austausch von Buchstaben verändert werden: CRISPR/Cas9 ist ein sehr einfaches Werkzeug für Wissenschafter.
Foto: Polyfilm

Wer Wissenschafter nach CRISPR/Cas9 fragt, erhält meist eine begeisterte, fast schwärmerische Antwort: Nie zuvor sei Genome-Editing so effizient gewesen wie mit der Gen-Schere. Vereinfacht gesagt handelt es sich um einen Proteinkomplex, mit dem man Abschnitte des Erbguts durchtrennen, entfernen und ersetzen kann. Schon werden medizinische Anwendungen für die Behandlung von Erbkrankheiten in Aussicht gestellt. Pflanzen können theoretisch mit CRISPR/ Cas9 resistenter gegenüber Umwelteinflüssen werden.

Selbst die zurückhaltendsten Mikrobiologen und Genetiker sprechen von einer wissenschaftlichen Revolution, denn sie kann die Gesellschaft positiv, aber auch negativ beeinflussen. Der chinesische Wissenschafter He Jiankui, der im vergangenen Jahr stolz behauptete, zwei Zwillinge im embryonalen Zustand mit CRISPR immun gegen das HI-Virus gemacht zu haben, ist noch in Erinnerung.

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Die Faktenlage bietet jedenfalls genug Material für einen eineinhalbstündigen Film über die Gen-Schere, wie er nun in den Kinos angelaufen ist: die kanadische Dokumentation Human Nature von Adam Bolt. Es wurde ein Film über die Bausteine des Lebens. Und er ist für Menschen, die sich mit der Gen-Schere noch nie befasst haben, grundsätzlich ein idealer Einstieg in die Materie.

Die Komplexität des CRISPR/ Cas9-Systems in Bildern zu erklären darf ruhig als schwierig betrachtet werden. Allein die Beschreibung des Mechanismus könnte Bände füllen – und wäre zu viel für Laien. Wenn ein Filmregisseur aber allzu viel Inhalt weglässt, um Zuschauer nicht zu überfordern, setzt er sich dem Vorwurf der Oberflächlichkeit aus. Angesichts dieser Herausforderung ist Regisseur Adam Bolt einen Mittelweg gegangen – mit zahlreichen Interviews, animierten Sequenzen, die zeigen, was bei CRISPR/Cas9 im Detail passiert, und medizinischen Fallbeispielen, die vielleicht irgendwann einmal mit der Gen-Schere behandelt werden könnten. Mit den Patentstreitigkeiten zwischen den Erfinderinnen, der amerikanischen Strukturbiologin Jennifer Doudna und der französischen Mikrobiologin Emmanuelle Charpentier, und dem chinesisch-amerikanischen Neurowissenschafter Feng Zhang hielt er sich gar nicht auf. Stattdessen interviewte er Wissenschafter wie Stephen Hsu, die sagen, was man mit CRISPR/Cas9 wirklich machen kann: alle Veränderungen an einem Embryo vornehmen, die man sich wünscht.

Der Proteinkomplex ermöglicht Manipulationen am Erbgut.
Foto: Polyfilm

Bolt wirkt im Erzählstil nicht belehrend, fragt aber natürlich nach. Er zeigt ein Filmdokument aus der Nazizeit, das zeigt, welche Haltung man damals zu "lebenswertem" Leben hatte. Jennifer Doudna berichtet von einem Albtraum, in dem sich Adolf Hitler an der Technologie interessiert zeigt. Das mag für manche Zuschauer allzu dramatisierend wirken, wenn sich doch Wissenschafter weltweit gegen eine Anwendung in der Keimbahn aussprachen und Gesetze geschaffen wurden, um das zu verhindern. Aber zeigt nicht gerade das Beispiel He Jiankuis, dass der Fantasie im Umgang mit der Gen-Schere kaum Grenzen gesetzt sind?

CRISPR/Cas9 ist Hollywood, sagte einmal ein Wissenschafter euphorisch über die Möglichkeiten des Werkzeugs. Bolt sieht das offenbar ähnlich – und übertreibt bei einigen bildhaften Sequenzen die Assoziationen zu Blockbustern. Szenen aus Star Trek oder Blade Runner sind zu sehen. Wenn Harvard-Professor George Church von der theoretischen Möglichkeit erzählt, die ausgestorbenen Mammuts mit CRISPR/ Cas9 wiederauferstehen zu lassen, mag das Kinofreunde an Jurassic Park erinnern, aber von einem Schreckensszenario ist ein Forscher wie Church doch sehr weit entfernt. Derzeit im Kino