Im Gastkommentar lässt die Washingtoner Journalistin und Buchautorin Elizabeth Drew Revue passieren, wie es zum Amtsenthebungsverfahren gegen Donald Trump kam. Der US-Präsident habe den großen Fehler gemacht, Staatsbeamte, die an den Dienst an der Öffentlichkeit glauben, seit Beginn seiner Präsidentschaft zu attackieren.

Das Verstörendste am Amtsenthebungsverfahren gegen US-Präsident Donald Trump ist, dass es dem verfassungsrechtlichen Gewicht des Problems nicht gerecht wird. Zwar scheinen einige Demokraten im Repräsentantenhaus, insbesondere der Vorsitzende des Geheimdienstausschusses Adam Schiff, den Ernst der ihnen vorgelegten Frage zu verstehen. Doch die meisten Republikaner – aufgestachelt von Trump, der sich häufig beschwert, sie täten nicht genug für ihn – sind auf einer Such- und Vernichtungsmission. Die Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, die lange zögerte, ein Impeachment-Verfahren einzuleiten, verlor im Sommer in dieser Frage die Kontrolle über ihre Fraktion und landete dort, wo sie nicht landen wollte: in einem erbitterten Parteienstreit.

Auf die Gefahr hin, einen unseligen Präzedenzfall zu schaffen, indem sie zulässt, dass Trumps zahlreiche andere Fälle des Machtmissbrauchs unbestraft bleiben, hat Pelosi die Untersuchung auf jene Handlungen des Präsidenten verengt, für die es ausreichende Beweise gibt und von denen sie und ihre Verbündeten glauben, dass die US-Bevölkerung sie problemlos verstehen kann. Trump und seinen Verbündeten bietet sich daher nur ein sehr begrenztes Ziel, das sie unter Feuer nehmen können.

Illustration: Michael Murschetz

Die Ukraine-Affäre

Die Untersuchung konzentriert sich darauf, dass Trump 391 Millionen Dollar an vom Kongress verabschiedeter Militärhilfe für die Ukraine zurückhielt: Präsident Wolodymyr Selenskyj wurde ein von diesem dringend ersehntes Treffen im Weißen Haus in Aussicht gestellt, während Trump und seine Komplizen auf politische Gefälligkeiten drängten, die ihnen bei den US-Wahlen nützlich sein könnten. So wollten sie, dass die Ukraine gegen den Sohn von Ex-Vizepräsident Joe Biden ermitteln solle, der, als sein Vater für die Ukraine-Politik der USA zuständig war, unklugerweise einen lukrativen Sitz im Verwaltungsrat eines ukrainischen Gasunternehmens angenommen hatte.

Obwohl die Demokraten natürlich starke Gefühle in Bezug auf Trump hegen, haben sie in letzter Zeit versucht, einen staatstragenden Ton anzuschlagen. So schwer vorstellbar dies erscheint: Der Zeitraum, in dem der Geheimdienstausschuss hinter verschlossenen Türen Zeugenaussagen sammelte, war durch relative Ruhe geprägt. Die Anhörungen ergaben starke Hinweise auf ein Fehlverhalten Trumps. Dies lag auch daran, dass das Format produktiver war: Die Ausschussmitglieder haben nichts davon, sich ins Rampenlicht zu stellen und das Verfahren zu stören, wenn keine Kameras zugegen sind.

Couragierte Staatsbeamte

Doch der wichtigste – und in der modernen Zeit beispiellose – Faktor war die couragierte Bereitschaft einer Anzahl relativ hochrangiger parteiloser Beamter überwiegend aus dem auswärtigen Dienst, das Aussageverbot aus dem Weißen Haus zu missachten. Sie riskierten ihre Karrieren, indem sie vor dem Ausschuss erschienen. Einige kündigten ihre Stellung, um dies tun zu können.

Trump, der fast nichts vom Regieren versteht, hat einen großen Fehler gemacht, indem er diese Staatsbeamten seit Beginn seiner Präsidentschaft attackierte. Er unterschätzte das Ehrverständnis von Menschen, die im privaten Sektor viel mehr verdienen könnten, aber an den Dienst an der Öffentlichkeit glauben. Vielleicht verstand er es auch einfach nicht.

Und er verschlimmerte seine eigene Lage und die seiner Regierung zusätzlich, indem er eine vom seltsam außer Kontrolle geratenen Rudy Giuliani – einem einst vielbewunderten Bürgermeister von New York City, der heute Trumps persönlicher Anwalt ist und als freiberuflicher Provokateur agiert – geleitete, im Schatten operierende Gruppe ins Leben rief, um seine eigene Ukraine-Politik gegenüber jener "der Bürokraten" durchzusetzen.

Verblüffende Ähnlichkeit

Derart entfesselte inoffizielle Operationen – egal ob durch Richard Nixons "Klempner" oder die Beteiligten am Iran-Contra-Skandal unter der Regierung Ronald Reagans – nehmen gewöhnlich kein gutes Ende. Ich berichtete damals über Nixons Amtsenthebungsverfahren, und obwohl Trump theoretisch viel ernsterer Verbrechen schuldig ist, gibt es eine verblüffende Ähnlichkeit: Beide Männer gerieten in die größten Schwierigkeiten, weil sie nicht erkannten, dass es für die Rache am politischen Gegner Grenzen gibt.

Die plötzliche Entlassung von Marie Yovanovitch, einer langjährigen Führungskraft des auswärtigen Dienstes und hochgeschätzten US-Botschafterin in der Ukraine, die versucht hatte, Giulianis politische Einmischung zu unterbinden, sorgte bei den schon demoralisierten Beamten im Außenministerium für enormen Unmut. Außenminister Mike Pompeo, dessen kaum verhüllte politische Ambitionen ihn dazu gebracht hatten, sich eng an Trump anzulehnen, weigerte sich schlicht, Yovanovitch zu schützen.

Nervöser Trump

Die Republikaner im Kongress konnten aus dem Memorandum über Trumps berüchtigtes Telefongespräch vom 25. Juli mit Selenskyj entnehmen, dass Trump seinen Amtskollegen unter Druck gesetzt hatte, Maßnahmen zu ergreifen, von denen Trump politisch profitiert hätte. Viele wissen auch, dass die Zurückhaltung vom Kongress bewilligter Hilfen an die Ukraine vermutlich einen Machtmissbrauch – ein die Einleitung eines Impeachment-Verfahrens rechtfertigendes Vergehen – darstellt. Doch in dem verzweifelten Bemühen, ihren Präsidenten zu schützen, schlingern sie von einem vereitelten Verteidigungsversuch zum nächsten.

Zur Ablenkung versuchten sie, den Whistleblower, dessen Bericht die Impeachment-Untersuchung ausgelöst hatte, zu verleumden oder gar seine Identität aufzudecken. So brüllte Trump vor kurzem dem in der Auffahrt zum Weißen Haus versammelten Pressekorps zu, dass die Anschuldigungen des Whistleblowers sämtlich "Lügen" seien, obwohl sie von Zeugen gegenüber den Ausschüssen bereits im Wesentlichen bestätigt worden waren.

Erste Risse

Obwohl in der republikanischen Front erste Risse aufgetreten sind, scheint Trump die Partei derzeit noch im Griff zu haben. Er beharrt darauf, dass die Republikaner ohne ihn die Präsidentschaftswahl 2016 verloren hätten und ihm daher Treue schulden. Sicherheitshalber hat er republikanischen Senatoren – insbesondere dem Vorsitzenden der Mehrheitsfraktion Mitch McConnell –, die sich 2020 zur Wiederwahl stellen müssen, seine Hilfe angeboten. Einige wichtige Fundraising-Veranstaltungen sollen natürlich im Trump International Hotel in Washington, D.C., stattfinden. Zumindest ein Ethikexperte sagt, dass Trumps Spenden an Senatoren vor der Abstimmung über eine Amtsenthebung den Tatbestand der „Bestechung“ erfüllen könnten – eine weitere ein Impeachment rechtfertigende Straftat.

Trump vertraut zunehmend auf seine eigenen Instinkte und hat inzwischen kaum noch Mitarbeiter, die seine Ideen infrage stellen. Zugleich ist er zunehmend nervös wegen seines voraussichtlichen Impeachments im Repräsentantenhaus. Infolgedessen agiert der Präsident in der Außenpolitik noch impulsiver, insbesondere was die Tragödie in Syrien angeht.

"L’état, c’est Trump"?

Fast alle US-Präsidenten sind ihrer verfassungsmäßigen Pflicht nachgekommen, "dafür zu sorgen, dass die Gesetze gewissenhaft umgesetzt werden". Doch Trump, der nach dem Motto "L’état, c’est moi" regiert, sieht seine Rolle völlig anders. Deshalb steckt er nun in den größten Schwierigkeiten seit Beginn seiner Präsidentschaft. (Elizabeth Drew, Übersetzung: Jan Doolan, Copyright: Project Syndicate, 17.11.2019)