Annalena Baerbock und Robert Habeck sind sichtlich erfreut über das Ergebnis. Vielen Dank für die Blumen – sozusagen.

Foto: APA/AFP/INA FASSBENDER

Bielefeld – Mit überraschend starker Rückendeckung ihrer Partei können die Vorsitzenden der deutschen Grünen, Robert Habeck und Annalena Barbock, das Projekt Regieren in Angriff nehmen. Die beiden wurden am Samstag auf dem Parteitag in Bielefeld mit jeweils mehr als 90 Prozent der Stimmen für weitere zwei Jahre als Grünen-Vorsitzende wiedergewählt – Baerbock sogar mit dem Rekordergebnis von 97,1 Prozent.

Beide betonten vor ihrer Wahl den Anspruch der Grünen, Regierungsverantwortung zu übernehmen. "Wir müssen nicht nur Ziele formulieren, wir müssen sie auch umsetzen", sagte Baerbock. Die Grünen hätten nun drei Aufgaben: "Wir brauchen das Team, wir brauchen Bündnisse, und wir müssen handeln." Habeck warb für eine mutige Politik.

Ungewöhnliche hohe Zustimmung

Baerbock rang nach ihrer Wahl sichtlich um Fassung, presste die Lippen fest aufeinander. In der ersten Reihe stellte Ex-Parteichefin Claudia Roth, die bisher mit 91,5 Prozent Stimm-Rekordhalterin war, begeistert applaudierend fest: "Das ist wirklich ungewöhnlich." Ungewöhnlich war auch, dass Baerbock nach ihrer Bewerbungsrede keine einzige Frage gestellt wurde – vier wären möglich gewesen, und die Delegierten nutzen sie eigentlich gern für offene Kritik.

An Habeck gab es immerhin zwei Fragen – unter anderem zur Auswahl der Aussteller rund um den Parteitag. Nach der Begeisterung über Baerbocks Ergebnis wirkte seine Reaktion eher nüchtern, auch etwas erleichtert – immerhin verbesserte er sich auch deutlich im Vergleich zur ersten Wahl vor fast zwei Jahren, als er rund 81,3 Prozent geholt hatte. Die beiden lächelten gemeinsam mit ihren Blumensträußen in die Kameras, überließen aber schnell die Bühne den weiteren Kandidaten für den Bundesvorstand.

Kanzlerkandidatur

Und was bedeutet das nun für eine mögliche Kanzlerkandidatur? Danach werden die Grünen-Chefs seit Monaten gefragt, die Standardantwort: Das klären wir, wenn es ansteht. Dabei dürfte es offiziell auch weiterhin bleiben. Ob überhaupt jemand mit dem Titel Kanzlerkandidat in den Wahlkampf zieht, wird von den Umfragewerten abhängen, wenn es soweit ist.

Grünen-intern gibt es die Ansicht, dass die beiden Vorsitzenden das unter sich ausmachen werden. Und wer immer es machen will, er oder sie, wird dann auch unterstützt. Dass außerhalb der Partei Habeck, der Bekanntere, der Ältere, der frühere Vize-Ministerpräsident mit Regierungserfahrung, als Favorit gilt, nervt innerhalb der Partei viele.

Habeck und Baerbock hatten die Parteiführung Anfang 2018 kurz nach dem Scheitern der Gespräche über eine Jamaika-Koalition mit Union und FDP im Bund übernommen. Seitdem sind die Umfragewerte der Grünen auf 20 Prozent und mehr geklettert. Bei mehreren Landtagswahlen und der Europawahl gewannen sie deutlich hinzu, die Mitgliederzahl der Partei stieg in den beiden Jahren von 65.000 auf 94.000. (APA, 16.11.2019)