Im November verzichten Männer im Rahmen des "No Nut November" auf Orgasmen.

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Die Regeln von "No Nut November" sind einfach: Ein Monat lang soll komplett auf Masturbation und Sex verzichtet werden. Der Konsum von Pornografie ist hingegen erlaubt. Den Teilnehmern des Internet-Phänomens geht es darum, Willenskraft zu beweisen. Die Ursprünge des mittlerweile jährlich stattfindenden Events sind unbekannt. Die Challenge soll allerdings auf die Reddit-Selbsthilfegruppe "No Fap" zurückgehen.

Online-Selbsthilfegruppe

Dort ermutigen sich User gegenseitig, auf Masturbation und Pornokonsum zu verzichten. Mehr als eine Million Nutzer weist der Subreddit mittlerweile auf. In der Gruppe wird täglich über die Stärken diskutiert, die man durch Abstinenz und den Verzicht auf Pornos erhalten soll. Manche User sprechen gar von Superkräften. Einen religiösen Hintergrund hat "No Fap" nicht. Viele Männer strömen in den Subreddit aufgrund Impotenz oder Unzufriedenheit mit ihrem Sexleben.

Abstinenz bringt Vorteile

Laut der Sexualtherapeutin Nicole Kienzl kann Abstinenz durchaus einen positiven Effekt mit sich bringen, wie sie dem STANDARD erzählt. Entscheidend sei bei Sex die Qualität und nicht die Quantität. "Subjektiv als gut erlebter Sex steigert das Wohlbefinden und wirkt sich positiv auf die Psyche und den Körper aus", sagt Kienzl. Der Verzicht soll laut der Sexualtherapeutin dazu führen, dass Sex "besonders genussvoll und befriedigend erlebt wird". Außerdem könne man die Selbstwirksamkeit, also den Glauben an sich selbst, steigern.

Übersexualisierung als Auslöser

Die Sexualtherapeutin sieht den Auslöser für Online-Trends wie "No Fap" und "No Nut November" in der Übersexualisierung unserer Gesellschaft, die für viele Menschen zur Belastung werden kann und nicht selten zu Lustlosigkeit und Erektionsstörungen führt. "Druck, Stress und unrealistische Erwartungshaltungen sind wesentliche Lustkiller. Sexualität ist deshalb nicht nur mit Vergnügen und Hingabe verbunden, sondern auch mit Hemmungen, Enttäuschungen und Missverständnissen", fügt Kienzl hinzu. Durch den Verzicht würde Sex wieder zu etwas Besonderem werden.

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Online-Pornografie und Sexsucht

Das Smartphone und Online-Pornografie haben dafür gesorgt, dass jederzeit und überall auf Pornos zugegriffen werden kann. Wissenschaftler Gary Wilson hat sich im Rahmen seines Buchs "YourBrainOnPorn" mit den Auswirkungen auseinandergesetzt. Er sieht Zusammenhänge mit der steigenden Sexsucht von jungen Menschen und Erektionsstörungen durch übernehmenden Online-Pornokonsum. Auch Kienzl sagt gegenüber dem STANDARD, dass Sexsucht "eine zunehmende Erkrankung ist", die häufiger bei Männern anzutreffen ist und durch das Internet verstärkt wird.

Ein "Reboot" kann helfen

Wilson weist allerdings darauf hin, dass es durchaus möglich ist, beständige Muster zu durchbrechen und damit Probleme wie Erektionsstörungen zu bekämpfen. Ein sogenannter Reboot, also ein Neustart, kann dafür sorgen, dass sich das Gehirn wieder "normalisiert". Dafür ist ein wochenlanger Verzicht auf Pornos notwendig. Bei manchen Usern kann so ein Reboot auch mehrere Monate andauern. Dies ist abhängig davon, in welchem Alter mit dem Pornokonsum angefangen wurde. (dk, 17.11.2019)