Heute, Montag, startet die Eintragungswoche für das Volksbegehren für ein bedingungsloses Grundeinkommen. Jeder Österreicher und jede Österreicherin soll demnach ein monatliches Grundeinkommen von 1200 Euro bekommen. Aber ist das auch sinnvoll? Im Gastkommentar begrüßt die Sozialwissenschafterin und WU-Professorin Karin Heitzmann zwar die Debatte, aber sie äußert auch Bedenken. Eine andere Position nimmt der Ökonom und Philosoph Philip Kovce ein.

Mit dem bedingungslosen Grundeinkommen frei von Existenssorgen?
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Alle Wohlfahrtsstaaten, nicht nur der österreichische, stehen vor massiven Herausforderungen. Die im Volksbegehren erwähnten Verwerfungen am Arbeitsmarkt – durch Digitalisierung, Automatisierung und Robotik – sind dabei nur eine von vielen Entwicklungen, die nicht nur die Finanzierbarkeit des Wohlfahrtsstaats zukünftig erschweren. Es ist daher wichtig und notwendig, über die Architektur unseres Wohlfahrtsstaats zu sprechen – und damit auch darüber, ob der aktuell angebotene Maßnahmenmix als Antwort auf die neuen Herausforderungen noch angemessen ist.

Derzeit sind die meisten Sozialleistungen als Versicherungsleistungen konzipiert. Abhängig von der Dauer einer sozialversicherungspflichtigen Erwerbsarbeit sowie der Höhe der (kumulierten) Erwerbseinkommen bestimmt sich die Höhe der Auszahlung, etwa in der Pensions- oder Arbeitslosenversicherung. Ein geringer Teil der Sozialleistungen richtet sich nur an Einkommensschwache (Mindestsicherung, Notstandshilfe). Weder die Sozialversicherungs- noch die Fürsorgeleistungen sind damit bedingungslos. Anders als etwa das pauschale Kinderbetreuungsgeld oder die Familienbeihilfe. Diese Geldleistungen entsprechen im Wesentlichen einem bedingungslosen Grundeinkommen. Sie werden aber kaum als problematisch angesehen, tragen sie doch dazu bei, einen Teil der höheren Kosten abzudecken, die durch Kinder im Haushalt entstehen. Der Diskurs rund um die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens stellt damit die wichtige Frage, ob es mehr von diesen bedingungslosen Leistungen braucht, als gegenwärtig angeboten werden.

Politische Ziele

Es geht aber auch ganz zentral um die normativen – und zutiefst politischen – Ziele, die mit einem Sozialstaat erreicht werden sollen. Nach dem vorliegenden Volksbegehren soll es das Grundeinkommen ermöglichen, "ein Leben in Freiheit, Würde und Selbstbestimmung zu führen". Es soll zu einer "Stärkung von Teilhabechancen und einem sozialen Zusammenhalt" kommen, es soll aber auch "eine nachhaltige Gesellschaftsentwicklung" gefördert werden. Auf individueller Ebene verspricht das Grundeinkommen die Möglichkeit, frei von Existenzsorgen jene Arbeiten zu übernehmen, die jede und jeder selbst für sinnvoll hält. Es ist wichtig und notwendig, über diese – und möglicherweise auch andere – Ziele zu sprechen, die mit einem Sozialstaat erreicht werden sollen.

Offen bleibt allerdings die Frage, ob ein bedingungsloses Grundeinkommen die tauglichste Maßnahme darstellt, um etliche sozialpolitischen Ziele auch erreichen zu können. Schon Nobelpreisträger Amartya Sen hat festgestellt, dass das Erreichen eines Ziels unterschiedliche Interventionen für unterschiedliche Personen nach sich ziehen kann.

Effektivere Unterstützung

So ist die Gewährleistung von Mobilität eine wichtige Voraussetzung dafür, ein selbstbestimmtes Leben führen zu können. Eine gesunde Person in einer Großstadt benötigt dafür eventuell nur ein Öffiticket. Eine auf dem Land lebende Person benötigt für dasselbe Ergebnis aber unter Umständen ein Auto. Dieses einfache Beispiel zeigt, dass je nach Ausgangslage unterschiedliche Maßnahmen zur Zielerreichung benötigt werden – eine Ungleichbehandlung, die ein gleiches Einkommen für alle gerade nicht vorsieht.

In diesem Zusammenhang kann auch kritisch gesehen werden, dass das Grundeinkommen als Einkommen konzipiert ist. Mobilität – aber auch andere sozialpolitischen Ziele wie Kinder- und Altenbetreuung oder Langzeitpflege – wird letztlich durch entsprechende Infrastruktur beziehungsweise Sach- oder Dienstleistungen erreicht. In den letzten Jahren haben sich daher viele Wohlfahrtsstaaten, darunter auch Österreich, bemüht, den Anteil der Geldleistungen am gesamten Sozialbudget zugunsten von Sach- und Dienstleistungen zurückzudrängen. Denn nichtmonetäre Unterstützung erweist sich vielfach als eine effektivere Form der Hilfestellung als monetäre Unterstützung. (Karin Heitzmann, 18.11.2019)