Heute, Montag, startet die Eintragungswoche für das Volksbegehren für ein bedingungsloses Grundeinkommen. Jeder Österreicher und jede Österreicherin soll demnach ein monatliches Grundeinkommen von 1200 Euro bekommen. Aber ist das auch sinnvoll? Im Gastkommentar spricht sich der Ökonom und Philosoph Philip Kovce dafür aus. Eine andere Position nimmt WU-Professorin Karin Heitzmann ein.

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Das bedingungslose Grundeinkommen ist kein Almosen.
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Zugegeben: Vieles an dem Volksbegehren zur Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens wirkt erst einmal dilettantisch. Die Do-it-yourself-Website des Grazer Alleinorganisators Peter Hofer ebenso wie manche konkrete Forderung und Formulierung.

Müssen es etwa stur 1200 Euro pro Monat sein? Sollen tatsächlich nur österreichische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger den Betrag erhalten? Und ist eine aufs Hundertstel genaue 0,94-prozentige Finanztransaktionssteuer in Sachen Finanzierung wirklich der Weisheit letzter Schluss? Sicher nicht.

Dass das Volksbegehren dennoch ernst genommen wird, liegt vor allem daran, dass das Grundeinkommen einen Nerv trifft: nämlich die Frage, wie wir angesichts von Klimawandel, Digitalisierung und Individualisierung künftig leben und arbeiten wollen. Wer sich dieser Frage stellt, der kann die Zukunft gestalten; wer davor die Augen verschließt, weil er meint, alles könne beim Alten bleiben, den wird die Zukunft nicht verschonen.

Doppeltes Jobwunder

Doch wie sieht die Zukunft mit einem bedingungslosen Grundeinkommen aus? Das Grundeinkommen verspricht im Kern ein doppeltes Jobwunder: Erstens könnten alle sinn losen Bullshitjobs, die allein dem Erwerbszwang geschuldet sind und Mensch und Umwelt ruinieren, verschwinden (Jobwunder eins). Zweitens wären Zeit und Geld vorhanden, um sich aus freien Stücken sinnvoll zu engagieren (Jobwunder zwei). Das würde dem planetarischen und dem sozialen Klima gleichermaßen zugutekommen.

In seinem jüngsten Essay Die falschen Freunde der einfachen Leute schreibt Robert Misik vor dem Hintergrund aktueller gesellschaftlicher Verwerfungen: "Für die oberen Schichten bedeutet Wandel, dass du dich weiterentwickelst oder ein Start-up gründest. Für die Arbeiterklasse heißt Wandel meist, dass du gefeuert wirst." Das Grundeinkommen hilft interessanterweise beiden: Wer will, der kann mit einem Grundeinkommen sich selbst oder ein Geschäftsmodell neu erfinden. Und wer gefeuert wird oder freiwillig seinen Dienst quittiert, der verliert bloß seinen Job, nicht seinen Kopf.

Anders gesagt: Das Grundeinkommen spielt Arme und Reiche, Arbeiter und Unternehmer, Sicherheit und Freiheit nicht länger gegeneinander aus. Weil alle das Grundeinkommen erhalten, ist es sozial; weil es bedingungslos gewährt wird, ist es liberal. Dass der Einführung eines Grundeinkommens die Faulheit der anderen oder fehlende öffentliche Liquidität entgegenstünden, entspricht übrigens weniger den Tatsachen als einer anthropologischen und ökonomischen Verschwörungstheorie.

Ein Bürgerrecht

Was hingegen passiert, wenn wir dieser Tage auf die Sicherheit und Freiheit eines Grundeinkommens verzichten, das lässt sich in seinen verheerenden Folgen bereits seit Jahren beobachten: Mindestsicherung in Österreich, Hartz IV in Deutschland, Sozialhilfe in der Schweiz – sie alle stehen beispielhaft für neoliberal vergiftete sozialpolitische Diskurse, die nimmersatte Überflussgesellschaften auseinanderreißen.

Anstatt ein menschenwürdiges Existenzminimum sanktionsfrei zu garantieren, werden von bürokratischen Schreibtischtätern willkürlich Fleißige und Faule als scheinbar gute und schlechte Menschen selektiert. Und um die angeblich Faulen zusätzlich zu demütigen, wird ein sozialpolitischer Mangel inszeniert, der den de facto herrschenden gesellschaftlichen Wohlstand regelrecht verhöhnt.

Das Grundeinkommen beendet dieses postfaktische Trauerspiel, wenn wir es als das begreifen, was es ist: kein Almosen, keine Armenspeisung, sondern ein Bürgerrecht. Wenn uns das gelingt, dann steht uns eine Zukunft offen, in der das ebenso kleinliche wie peinliche Hickhack heutiger Sozialpolitik endlich überwunden ist. (Philip Kovce, 18.11.2019)