Die landesweiten Proteste richten sich gegen den Beschluss der Regierung, Benzin zu rationieren und zu verteuern.

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Teheran – Die Rationierung und Verteuerung von Benzin hat im Iran landesweit massive Proteste ausgelöst. Die politische Führung will mit harter Hand dagegen vorgehen. Nach Angaben der Nachrichtenagentur Fars sind bisher rund 1.000 Menschen festgenommen worden. Sie hätten am Samstag mehr als 100 Banken und mehrere Kaufhäuser in Brand gesetzt. Die Nachrichtenagentur Isna meldet unterdessen, dass bei Unruhen im Westiran ein Polizist getötet worden sei. Er sei bei Zusammenstößen mit Demonstranten in der Stadt Kermanshah umgekommen.

Das Parlament plante für Sonntag eine Sondersitzung. Der oberste Führer Ayatollah Ali Khamenei verteidigte die Spritpreiserhöhung und -rationierung und kritisierte die Proteste. Das Internet war massiv gestört, viele Menschen hatten seit Samstagnachmittag keinen Zugang mehr

Reaktion auf Wirtschaftskrise

Der Iran steckt in einer tiefen Wirtschaftskrise, die durch die harten US-Sanktionen gegen das Land ausgelöst wurde. Als Konsequenz daraus hatte die iranische Regierung in der Nacht zum Freitag Benzin rationiert und zugleich die Kraftstoffpreise erhöht, was heftige Proteste auslöste. Viele Iraner befürchten, dass sich die Wirtschaftskrise damit noch weiter verschlimmert und fordern eine umgehende Aufhebung der Beschlüsse der Regierung. Die nationale Währung Rial ist schon seit Monaten nur noch die Hälfte wert.

Auch bei Krawallen in der südiranischen Stadt Sirjan gab es am Freitag einen Toten und mehrere Verletzte. Das gab der Sprecher der Stadtverwaltung, Mahmoud Mahmoudabadi, am Samstag bekannt. Demonstranten hätten dort versucht, Tankstellen und Öldepots in Brand zu stecken. Daraufhin hätten die Polizei und sogar Revolutionsgarden eingreifen müssen, sagte ein Sprecher der Stadtverwaltung nach Angaben von Isna. Für Berichte über mehrere weitere Tote bei Protesten im Iran gab es zunächst keine Bestätigung.

Khamenei verurteilt Proteste

Präsident Hassan Rohani, Parlamentspräsident Ali Larijani und Justizchef Ibrahim Raeissi berieten am Samstag über die Proteste. Das Parlament wollte am Sonntag in einer Sondersitzung über die Entwicklung sprechen. Ursprünglich wollte es eine Rücknahme der Regierungsentscheidung erzwingen, Benzin zu rationieren und zu verteuern. Medienberichten zufolge wurde das aber abgelehnt. Die Abgeordneten wollten deshalb beraten, wie verhindert werden kann, dass der Regierungsbeschluss zu einer weiteren Inflationswelle führt.

Irans oberster Führer verteidigte den Beschluss und verurteilte die Proteste. "Die politische Führung des Landes hat eine technische Entscheidung getroffen, die logischerweise auch umgesetzt werden muss", sagte Khamenei.
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Irans oberster Führer verteidigte den Beschluss und verurteilte die Proteste. "Die politische Führung des Landes hat eine technische Entscheidung getroffen, die logischerweise auch umgesetzt werden muss", sagte Khamenei. Er könne nachvollziehen, dass einige Menschen darüber verärgert seien. Aber Beschädigungen und Brandstiftungen seien das Werk von Unruhestiftern, die vom Ausland gelenkt würden, so Khamenei, der das letzte Wort in allen strategischen Belangen hat.

Viele Festnahmen

Der iranische Geheimdienst will nach Angaben der Isna gegen Unruhestifter konsequent vorgehen. Die Elemente hinter dem Vandalismus bei den Protesten seien identifiziert worden und gegen sie würden nun geeignete Schritte unternommen. In der Stadt Yazd im Zentraliran gab es viele Festnahmen. Die Staatsanwaltschaft dort warf den Demonstranten vor, sie hätten die Proteste für "Sabotageaktionen" ausnutzen wollen. Keiner der 40 Verhafteten stamme aus Yazd, so die Staatsanwaltschaft nach Angaben der Nachrichtenagentur Mehr.

Limitiertes Internet

Die Berichterstattung über die Proteste wurde massiv erschwert, weil der Zugang zum Internet stark eingeschränkt war. Nach Angaben des iranischen Telekommunikationsministerium wurde das Internet auf Anweisung des Nationalen Sicherheitsrats für 24 Stunden "limitiert". Die Nichtregierungsorganisation Netblocks, die Blockaden des Internets registriert, schrieb am Samstag auf Twitter, die landesweite Internetnutzung sei binnen etwa einer Stunde auf nur noch sieben Prozent der normalen Nutzung gefallen. Informationen zu den Unruhen in mehreren Städten werden zwar von Augenzeugen per Telefon Medien mitgeteilt, können aber nicht verifiziert werden.

Regierungen meist autoritär regierter Länder haben bereits wiederholt das Internet teilweise oder ganz abgeschaltet, damit sich Demonstranten bei Unruhen nicht absprechen und Bilder von Ausschreitungen und Polizeigewalt nicht verbreitet werden können.

Benzin als Ankerpunkt

Mit einer staatlichen Benzinkarte können die Iraner nur noch bis zu 60 Liter Benzin im Monat zu einem Literpreis von umgerechnet 12 Cent tanken. Wer mehr tanken will, muss pro Liter dann 24 (Normalbenzin) bis 30 Cent (Super) zahlen – fast das Dreifache des bisherigen Preises. Da die 60 Liter kaum für einen Monat ausreichen, müssen die Iraner nun de facto den neuen, höheren Benzinpreis bezahlen.

Der Benzinpreis gilt im Iran als die "Mutter aller Inflationen", weil nach jeder Preiserhöhung alles teurer wurde. Die Regierung wollte die Benzinpreise seit längerer Zeit erhöhen, hatte es aber aus Angst vor einer Verschärfung der Inflation – und Protesten – immer wieder verschoben. Die Iraner können und wollen nicht hinnehmen, dass in einem ölreichen Land, das der viertgrößte Ölproduzent der Welt ist, Benzin rationiert und immer teurer wird.

Österreichisches Außenministerium warnt

Angesichts der derzeitigen Unruhen im Iran wegen der von der Regierung beschlossenen Benzinpreiserhöhung und Spritrationierung mahnt das österreichischen Außenministerium Reisende zur Vorsicht.

"Im ganzen Land, besonders außerhalb von Teheran, kann es immer wieder zu politisch motivierten Kundgebungen mit einem hohen Aufgebot an Sicherheitskräften kommen. Menschenansammlungen sind zu meiden, Foto- und Filmaufnahmen auf jeden Fall zu unterlassen", hieß es am Sonntag auf der Homepage des Ministeriums.

Die Unterstützungsmöglichkeiten für Personen, die neben der österreichischen auch die iranische Staatsangehörigkeit besitzen, seien in Haftfällen stark eingeschränkt. Diese Personen würden trotz ihrer Doppelbürgerschaft von iranischen Behörden wie Personen behandelt, die ausschließlich die iranische Staatsangehörigkeit besitzen, warnt das Wiener Außenamt. (APA, dpa, 17.11.2019)