Witzig und volksnah: "Entführung aus dem Serail" in Linz.

Foto: Reinhard Winkler

Zwei elegante Frauen treffen sich im Wiener Café Central, eine Filmemacherin und eine Frauenrechtlerin. Man schreibt das Jahr 1924. Vor 13 Jahren hatten es die zwei noch weniger kommod: Bei Dreharbeiten in der afrikanischen Wüste wurden sie gefangen genommen. Ein hoher türkischer Militär kaufte die beiden samt ihrem Kameramann frei, auch in der Absicht, die emanzipierte Künstlerin in seinen frauenreichen Haushalt zu inte grieren. Doch die widersetzte sich seinen Avancen. Mittlerweile als Diplomat in Kemal Atatürks Diensten, will er die Angebetete in Wien wiedersehen. Wie wohl die Gefühle der beiden füreinander sein werden nach dieser langen Zeit?

Erraten: Wir haben es hier mit Konstanze, Blonde und Bassa Selim zu tun. François de Carpentries hat Mozarts "Entführung aus dem Serail" am Landestheater Linz ins erste Viertel des 20. Jahrhunderts verlegt und um eine Rahmenhandlung ergänzt. Und bevor die Regietheaterhasser vollautomatisch "Wäh!" und "Pfui!" und "Gaga!" schreien: Doch, die zeitliche Verlegung von Mozarts differenzierter Musikgeschichte über zwei couragierte Frauen (und ihre an ihnen zweifelnden Liebhaber) hat Charme und ergibt in vielerlei Hinsicht Sinn.

Komödiantische Extraklasse

Charmant und elegant ist auch die Ausstattung von Karine Van Hercke geraten: Bassa Selims Palast ist ein lichter, weltoffener, himmlischer Ort; die Kostüme der Europäer erinnern an die Stummfilmzeiten eines Rudolph Valentino. Stilvoll, witzig ausstaffiert, brillieren die männlichen Protagonisten, allen voran Michael Wagner und Matthäus Schmidlechner. Wagner singt den Osmin mit einem volksnah-rauen (und in der Tiefe etwas harmlosen) Bass, Schmidlechner verleiht dem Pedrillo mit einer trompetenfesten Mittellage Prägnanz.

Welpensanfte Optik

Ein Geschenk für das Ohr ist der sonnenhelle und geschmeidige Tenor von Johannes Strauß als Belmonte. Die welpensanfte Optik des deutschen Gastes passt ebenfalls gut zu seiner Partie. Die durchsetzungsfähigen Damen reichen nicht an das Niveau der Männer heran: Brigitte Geller bemüht sich als Konstanze um einen feinen Mozart-Ton, plagt sich aber mit den Koloraturen; Theresa Grabner gibt stimmlich achtbar eine kecke Blonde. Hans Schöpflin muss als Bassa ja nur verständnisvoll sein und nichts singen.

Nach einer etwas blassen, gegensatzarmen Ouvertüre findet das mit Eleganz musizierende Bruckner-Orchester Linz unter Leitung von Katharina Müllner bald zu Farbigkeit. Ein lauer Premierenapplaus belohnt die teils hochklassige Produktion unter Gebühr. Empfehlung. (Stefan Ender, 17. 11. 2019)