Der tschechische Premier Andrej Babiš bei seiner Rede in Prag.

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Wer noch einen Beleg dafür gebraucht hat, dass die Visegrád-Staaten alles andere als ein monolithischer Block mit einvernehmlich schlechtem Verhältnis zu Brüssel sind, darf sich bei Viktor Orbán bedanken. Der ungarische Premier hat am Sonntag in der tschechischen Hauptstadt Prag verlässlich geliefert.

„Ohne Nationalstaaten keine Demokratie“, erklärte er bei einer Festrede zum 30. Jahrestag der Samtenen Revolution in der ehemaligen Tschechoslowakei. Dabei nahm er ausdrücklich auf den tschechischen Ex-Präsidenten Václav Klaus Bezug, der mit seiner leidenschaftlichen Aversion gegen die EU zum Spaltpilz im eigenen Land geworden ist.

Nur wenige Minuten zuvor hatte der Gastgeber, der tschechische Premier Andrej Babiš, nicht nur den Revolutionären von 1989 gedankt, sondern auch all jenen, die das Land 2004 in die EU führten. Als ehemaliges KP-Mitglied bedauere er außerdem, einst nicht so mutig gewesen zu sein wie der Dissident und spätere Präsident Václav Havel – den Orbán-Freund Klaus zum Intimfeind erkoren hatte.

Die Demonstranten, die Babiš am Samstag mit EU-Fahnen in den Händen Interessenkonflikte beim Verteilen von Brüsseler Geldern vorwarfen, werden sich davon kaum besänftigen lassen. Aber immerhin: Babiš übte sich tags darauf bei einer wichtigen Rede in rhetorischer Deeskalation. Auf einen Visegrád-Partner, der gleich danach wieder Öl ins Feuer gießt, hätte er getrost verzichten können. (Gerald Schubert, 18.11.2019)