Kipplaster kippt Zaster: Mit öffentlichen Münzbergen bewarben Initiatoren in Bern die Abstimmung über ein bedingungsloses Grundeinkommen.

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Wien – Geld ohne Gegenleistung gefällig? Ab heute, Montag, können Österreicher das Volksbegehren „Bedingungsloses Grundeinkommen“ unterschreiben. Die Initiative fordert 1.200 Euro pro Monat für jeden Staatsbürger. Bis 25. November können Unterstützer online, auf Gemeindeämtern oder dem Magistrat unterzeichnen.

Frage: Wer hat das Volksbegehren eingereicht?

Antwort: Initiiert wurde es von dem Grazer Peter Hofer, eine Partei oder ein Verein steckt nicht dahinter. Das Projekt habe ihn insgesamt 80 Euro gekostet, sagte Hofer zuletzt im Gespräch mit dem STANDARD.

Frage: Was wollen Befürworter eines bedingungslosen Grundeinkommens?

Antwort: Das Konzept hat Befürworter aus vielen Ecken. Wirtschaftsliberale sehen eine Chance, die Verwaltung von Sozialtransfers zu verschlanken. Linke wollen Menschen vom Zwang einer Erwerbsarbeit befreien, vor allem wenn mehr Jobs durch Digitalisierung verschwinden. Verfechter sind sich sicher, die meisten würden sich nicht in die Hängematte legen, sondern eine sinnstiftende Beschäftigung suchen.

Frage: Spießt sich ein bedingungsloses Grundeinkommen nur für Staatsbürger nicht mit EU-Recht?

Antwort: Das nicht, aber laut Einschätzung von Experten hätte jeder EU-Bürger, der nach Österreich kommt, ebenfalls Anspruch auf das Grundeinkommen.

Frage: Bei der Sozialhilfe gibt es doch Ausnahmen, selbst für EU-Bürger?

Antwort: Das schon, aber diese gelten nur bei Leistungen für Arme. Zum Beispiel erhalten EU-Bürger hierzulande die Mindestsicherung, wenn sie in Österreich gearbeitet haben oder schon länger als fünf Jahre im Land sind. Bei einem bedingungslosen Grundeinkommen gilt diese Logik aber nicht, erklärt Sozialrechtsexperte Wolfgang Mazal. EU-Bürger sowie Asylberechtigte dürften nicht vom Grundeinkommen ausgeschlossen werden. Außerdem könne jeder Österreicher auch im Ausland, etwa auf einer indonesischen Insel, wohnen und dort vom heimischen Grundeinkommen leben.

Frage:Soll ein bedingungsloses Grundeinkommen andere Sozialleistungen ersetzen?

Antwort: Ja. Welche genau, unterscheidet sich je nach Vorschlag. Aus der Begründung des aktuellen Begehrens geht hervor, dass die Mindestsicherung obsolet würde. Bei anderen Leistungen wie Pensionen oder Arbeitslosengeld treten wiederum rechtliche Hürden auf. Schließlich gilt ein Vertrauensschutz. Versicherte, die in das Pensionssystem einzahlten, haben rechtlichen Anspruch auf die Leistung. Ein bedingungsloses Grundeinkommen müsste zusätzlich ausgezahlt werden.

Frage: Wie sollen 1200 Euro für jeden Staatsbürger finanziert werden?

Antwort: Initiator Hofer sagt, dass 92 Milliarden Euro im Jahr notwendig wären. Das entspricht einer Schätzung des WU-Ökonomen Harald Badinger. Zum Vergleich, der Bundeshaushalt 2019 beträgt knapp 90 Milliarden. Die Mittel will Hofer über eine „Finanztransaktionssteuer“ in Höhe von 0,94 Prozent lukrieren. Den Begriff verwendete der Grazer im Begründungstext jedoch missverständlich. Die Besteuerung ginge über Aktien und Finanzpapiere hinaus. Jedes Mal, wenn im Land Geld die Hände wechselt, würden 0,94 Prozent an den Staat gehen. Hofer will nicht von Steuern sprechen, sondern einem „Solidaritätsbeitrag.“ Im Gegensatz zur Umsatzsteuer, die nur vom Endverbraucher gezahlt wird, würde der Beitrag auch entlang der Wertschöpfungskette anfallen. Hofer schätzt, dass der Staat dadurch über 190 Milliarden Euro im Jahr einnehmen würde. Für Ökonomen war diese Berechnung, ohne Details zu kennen, nicht nachvollziehbar, wie sie im Gespräch mit dem STANDARD sagten.

Frage: Gibt es global Vorbilder?

Antwort: Nicht wirklich. Im Juni 2016 stimmten die Schweizer über ein Grundeinkommen ab. Immerhin 23 Prozent waren dabei für eine Einführung. In Finnland erhielten in einem Experiment 2000 Arbeitslose ein Grundeinkommen. Ähnliche Versuche gab es weltweit in mehreren Dörfern und Regionen. Doch für Kritiker und Fans des Konzepts war stets klar, dass kleine und zeitlich befristeten Experimente kaum Erkenntnisse für eine Revolution des Sozialsystems abwerfen. (Leopold Stefan, 19.11.2019)