Neue Enthüllungen rund um die Kommunikation zwischen Ex-Vizekanzler Heinz-Christian Strache und Ex-Finanzminister Hartwig Löger lassen auf einen massiven Postenschacher schließen.

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Wien – Rund um die Bestellung des früheren blauen Bezirksrats Peter Sidlo zum Finanzvorstand der Casinos Austria (Casag) gibt es neue Enthüllungen, die auf massiven Postenschacher schließen lassen. Von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) beschlagnahmte Unterlagen und Handydaten legen nahe, dass sich FPÖ und ÖVP bei zahlreichen Postenbesetzungen eng abstimmten und die frühere Kanzlerpartei den Koalitionspartner auch bei der Sidlo-Beförderung massiv unterstützte.

Wie der "Falter" Sonntagabend berichtete, liegen dazu neue Akten vor. Demnach schrieb der damalige FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache an Finanzminister Hartwig Löger von der ÖVP: "Lieber Hartwig! Herzlichen Dank für deine Unterstützung bezüglich CASAG! Lg HC".

Heftige Turbulenzen vor Bestellung

Die SMS stammt vom 11. Februar 2019, als Sidlos Bestellung nach heftigen Turbulenzen durchgeboxt worden ist. Davor hatte es Widerstand des tschechischen Großaktionärs Sazka gegeben, zudem sprach der Personalberater Egon Zehnder Sidlo ausreichende Qualifikation ab. Lögers Antwort an Strache ließ nicht lange auf sich warten. Er schickte ein Emoji mit dem nach oben ausgestreckten Daumen an den FPÖ-Chef. In der ORF-Diskussionssendung "Im Zentrum" sagte Löger am Sonntagabend angesprochen auf die SMS, diese habe ihn damals spontan geärgert. Er habe dann nur kurz etwas zurückgeschickt, nach dem Motto "Gib a Ruh".

Die Ermittlungen in der Causa rund um die Bestellung des früheren FPÖ-Kommunalpolitikers Peter Sidlo zum Finanzvorstand der Casinos Austria schlagen weiter hohe Wellen. Bei "Im Zentrum" des ORF wurde am Sonntag darüber diskutiert.
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Doch damit nicht genug. Ebenfalls bekannt wird nun eine Mail des früheren Casag-Chefs Alexander Labak, der seinen Sessel räumen musste. Er warnte Casag-Aufsichtsratspräsident Walter Rothensteiner eindringlich vor der Bestellung des Blauen. "Sidlo wurde von der Novo ganz offensichtlich mit dem klaren Ziel nominiert, von der FPÖ im Gegenzug eine politische Unterstützung für die Gewährung zusätzlicher Lizenzen (zB. Online-Gaming) zu sichern." Sidlo sei der Vertrauensmann der Novomatic und der FPÖ im Reich der Casinos Austria, eines Unternehmens, das zu einem Drittel im Eigentum der Republik steht.

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Türkis-blauer Proporz

Ein Chat Straches mit Parteifreunden bringt den türkis-blauen Proporz auf den Punkt, schreibt der "Falter": "Bitte alle Vereinbarungen, welche mit Löger, Schmidt und co getroffen worden sind sammeln und für mich dokumentieren. Kurz will davon nichts wissen und das geht nicht. Unser Entgegenkommen bei OeNB zu FMA-neu gibt es nur, wenn wir den zweiten Vorstand sofort bekommen (…) und von den 5 Aufsichtsräten bzw. Direktoren 2 und darunter 2 Abteilungsleiter. Sonst gibt es keine FMA-Neu! Auch die Vereinbarungen ÖBAG-Neu bitte mir aufbereiten. Wir stimmen nirgend wo mehr zu wenn das nicht geklärt wird…..!!!! Das war extra vereinbart, das muss halten."

Mit Schmidt dürfte der frühere Kabinettschef Lögers, Thomas Schmid, gemeint sein. Strache will sich an die Chats "nicht mehr erinnern können", wie er sagte. Ebenfalls in die Hände der Ermittler geriet der Kalender von Novomatic-Eigentümer Johann Graf. Auch Notizen von Raiffeisen-Generalanwalt Rothensteiner liegen der WKStA vor. Der langgediente Manager hielt sich nicht an das oberste Prinzip aller Machtträger, "Jedes Schriftl ein Giftl". Und ziehe damit alle anderen mit, so der "Falter".

Löger selbst meint, Sidlos Bestellung sei eine Angelegenheit der Aktionäre gewesen. Postenschacher könne er ausschließen, sagte Löger der "Kronen Zeitung". Einen Deal zwischen der FPÖ und Novomatic im Zusammenhang mit Lizenzen könne er nicht ausschließen, sagte Löger bei "Im Zentrum". Er könne aber für sich ausschließen, dass er in irgendeiner Form in behauptete Gegengeschäfte zu Sidlos Bestellung involviert gewesen sei. "Ich bin jederzeit bereit, bei einem möglichen Untersuchungsausschuss zur Verfügung zu stehen", so Löger.

"Alles andere wäre eine Provokation"

Der Vizekanzler selbst setzte sich sehr für seine Blauen ein und fühlte die FPÖ postenmäßig offenbar im Hintertreffen. Das erschließt sich aus seiner Nachricht vom 19. März an Finanzminister Löger, die dem STANDARD vorliegt. Es ging um Jobs, Arnold Schiefer (und Schmid) "haben bereits für Öbib/Öbag (Staatsholding, Anm.) neu vereinbart, dass, wenn Schmid (Thomas, Anm.) Aufsichtsratsvorsitzender ist, dann alle AR-(Aufsichtsrats-)Neubesetzungen sofort – nämlich 2019 – erfolgen. vor der Hauptversammlung im April vom Verbund, Post, OMV, BIG (Bundesimmobiliengesellschaft, Anm.), etc! Alles andere wäre eine Provokation", hielt Strache mit seiner Meinung nicht hinterm Berg.

Eine Hand wäscht die andere, quasi, denn, so Strache weiter: "Wir haben umgekehrt bei der ÖBB, Asfinag, Donau etc alle eure 30 AR (Aufsichtsräte) sofort umgesetzt ... in euren Ressorts warten wir bis heute ... auch Telekom! Ausgemacht war 2018/2019. das bitte auch sicherstellen und einhalten! Lg HC."

Schiefer wechselte innerhalb der FPÖ

Zur Erklärung: Arnold Schiefer (damals FPÖ; er ist inzwischen von der Wiener in die oberösterreichische Partei gewechselt) war Aufsichtsratschef der ÖBB-Holding, seit 1. April ist er deren Finanzchef. Auch Schiefer bekam die Nachricht Straches an den Minister, Strache hatte sie ihm weitergeleitet.

Schiefer seinerseits versorgte den blauen Parteichef mit aktuellem Material aus den Medien. Am 21. März etwa schickte er Strache einen Artikel "Staatsmanager von FPÖs Gnaden" aus dem "Trend", in dem es auch um Sidlo ging.

Wie sich der Mann, der als Stein des Anstoßes in der Casag-Affäre gelten kann, selbst empfahl? Auch das erschließt sich aus der Auswertung von Handydaten durch die Ermittler.

Wie Strache Sidlo verkaufen sollte

Am 16. Jänner plauderten Strache und Sidlo, damals noch Chef der kleinen Wiener Investmentfirma Sigma, per Textnachrichten miteinander, es ging ums Auswahlverfahren bei den Casinos. Wie oft berichtet, war ja der Personalberater Egon Zehnder eingeschaltet, der am Endes des Verfahrens zur Ansicht kam, dass Sidlo als Finanzchef nur eingeschränkt geeignet sei.

"Könnte sein, dass sich Egon Zehnder (Headhunter) bei dir meldet bzgl. Referenz für mich", schrieb der damalige FPÖ-Bezirksrat aus Wien-Alsergrund an seinen Parteiobmann. "Dann erzähl ihm halt, wie toll ich bin", zwinkerte er ihm zu. Strache darauf: "Ok! ;) was soll ich ihm beruflich erzählen?" Sidlo diktierte es ihm so: "Ich denke, es geht eher in Richtung Managementqualitäten: teamorientiert, werteorientiert, verbindlich, verlässlich, loyal, durch die Politik Menschenkenntnis und Verhandlungsgeschick, kann Teams führen (zB Klub im Bezirk). Sonst Finanzfachmann, den die Partei schon öfter für Budget- oder Finanzierungsthemen um Rat gefragt hat". Straches Antwort findet sich in den Unterlagen, die dem STANDARD allesamt vorliegen, in Form eines Emojis: Daumen nach oben.

Schiefers Tipp

Eine öffentliche Ausschreibung des Postens im teilstaatlichen Unternehmen gab es nicht. Strache am 16. Jänner an Schiefer: "Peter Sidlo wurde uns zugesagt! Lg", und der gab den sachdienlichen Hinweis: "Muss sich aber bei Personalberater melden/bewerben", was laut Strache aber schon abgehakt werden konnte: "Das ist passiert. Und Neumann und Glatz-Kremsner (damals noch Finanzchefin der Casag und ÖVP-Vizeobfrau, Anm.) haben Unterstützung zugesagt." (gra, red, 17.11.2019)