Rüsselkäfer der Gattung Curculio haben es auf die Samen von Eichen und anderen Bäumen abgesehen.
Foto: Duane D. McKenna

Wien – Insekten sind für sich schon eine beispiellose Erfolgsgeschichte der Evolution: Über eine Million Insektenarten hat man bereits beschrieben. Damit ist mehr als die Hälfte aller wissenschaftlich klassifizierten Organismen ein Insekt. Und die "Dunkelziffer" der noch nicht erfassten Arten könnte Schätzungen zufolge sechs- bis zehnmal höher sein.

Innerhalb dieser fantastisch erfolgreichen Tierklasse sticht eine Gruppe aber noch einmal besonders hervor: die Käfer. Sie stellen im Alleingang etwa 40 Prozent aller Insekten (und ein Viertel aller bekannten Tierarten überhaupt). Dabei hat diese Gruppe relativ lange auf ihren Aufschwung gewartet. Den Ursprung der Käfer (Coleoptera) datieren Forscher in einer aktuellen Studie auf die Karbon-Zeit vor etwa 327 Millionen Jahren – doch erst im Jura, der Zeit vor 201 bis 145 Millionen Jahren, explodierte die Artenvielfalt der Käfer geradezu.

Mit zehn Zentimetern Länge gehört der Goliathkäfer zu den gegenwärtig größten Vertretern der Käfer.
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Ein internationales Forscherteam mit österreichischer Beteiligung hat nun versucht, das Erfolgsgeheimnis der Käfer zu ergründen – und glaubt auch fündig geworden zu sein. Wie das Team um um Duane McKenna von der Universität Memphis, Tennessee im Fachjournal "PNAS" berichtet, verdanken die Krabbler ihre enorme Vielfalt und Verbreitung großteils Genen, die sie einst von Mikroben übernommen haben. Dieser horizontale Gentransfer hätte ihnen ermöglicht, Pflanzenteile zu verdauen, und dadurch ihr Nahrungsspektrum entscheidend bereichert.

Die Käfer haben sich offensichtlich mindestens zwei Mal in ihrer Stammesgeschichte Gene von Bakterien und Pilzen einverleibt, die als Fressopfer oder auch als Symbionten in ihrem Verdauungssystem waren. Diese Gene lieferten die Vorlage für Enzyme, die pflanzliche Zellwandbestandteile (Zellulose, Hemizellulosen und Pektin) abbauen. Sie verschafften den Käfern Zugriff zur üppigsten Kohlenhydratquelle auf der Erde, so die Forscher, zu denen auch Harald Letsch vom Department für Botanik und Biodiversitätsforschung der Universität Wien gehört.

Kartoffelkäfer sind eines von vielen Beispielen, in denen die Nahrungsbedürfnisse von Käfern mit denen des Menschen kollidieren.
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Im Erdmittelalter mögen die Dinosaurier die auffälligste Lebensform auf der Erde gewesen sein. Doch im Verborgenen spielte sich eine andere Revolution ab: Es entwickelte sich eine enorme Vielfalt an pflanzenfressende Käferarten, die sich an verschiedenste Lebensräume anpassten und sich die unterschiedlichen Pflanzenteile zur Nahrung machten. Manche spezialisierten sich zum Beispiel darauf, Blätter zu fressen, andere darauf, Holz anzubohren – wie es bis heute der Fall ist.

Fast die Hälfte der heute lebenden Käfer stammt von der Vielfalt ab, die sich im Jura herausbildete, schätzen die Forscher. Und noch etwas kam der Artenvielfalt der Käfer zugute: Im Vergleich zu anderen Tiergruppen seien während der langen Evolutionsgeschichte der Käfer nur sehr wenige neue Arten wieder ausgestorben. (red, 19. 11. 2019)

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Dafür, dass auch wirklich keine pflanzliche Ressource ausgelassen wird, sorgt der kotfressende Pillendreher.
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