Bei mehrtägigen Roadtrips ist es immer klug, sich mit einem Spiel bei Laune zu halten. Mit der Karin, einer Kollegin eines Kleinformates, eignet sich besonders das Panda-Spiel. Wer zuerst einen der besten Fiats der Welt entdeckt, schreit „Panda“. In Italien können einem da schnell der Mund trocken und die Augen feucht werden. Für einen Vier-Tage-Trip von Tirana, quer durch Albanien, eignet sich das Spiel gar nicht. Schon gar nicht, wenn man darauf achtet, dass man sich auf möglichst viele Schotterstraßen eine Staublunge züchtet. Albanien ist kein Panda-Land. Wer ein Auto hat, fährt vorzugsweise Benz. Und das nicht sehr gut.

Bis 1990 war es den Normalbürgern in Albanien untersagt, Autos zu besitzen. Das ist nicht die einzige Absonderlichkeit, mit denen sich die damalige Diktatur ein Denkmal gesetzt hat. Jedenfalls fehlt den Albanern anscheinend die Übung beim Autofahren und Verkehrsregeln werden heute, vielleicht um die Geschichte der Unterdrückung zu kompensieren, umso liberaler ausgelegt.

Pferde, Esel und Ochsen gehören in Albanien zum normalen Straßenbild. Der Škoda Karoq Scout nicht. Wer schon ein Auto hat, fährt einen meist sehr alten Stern.
Foto: Škoda

Gescheiterte Twingo-Suche

Mit dem Strubbe, dem genialen Kollegen aus dem Hochglanzmagazin, der an sich dadurch auffällt, während der wildesten Berghatzerln zu bemerken: „Das ist aber eine schöne Radstrecke“, läuft in der Regel ein anderes Spiel. Wer als Erster einen Twingo der ersten Generation sieht, schreit „Mit“ oder „Ohne Faltdach“. Sie merken, die Sache ist diffiziler. Aber auch dieses Spiel lässt sich in Albanien nicht spielen. Mit Strubbe teilte ich mir vor einigen Jahren den Wagen, beim Škoda Euro Trek durch Rumänien. Schon damals scheiterten wir an der Twingo-Suche und stellten gach auf Esel um, deren Sichtung wir mit „Eselchen!“ quittierten.

Diese Regeländerung haben wir dann einfach auch für Albanien übernommen – was nur stimmig war, weil wir uns wieder auf einem Škoda Euro Trek befinden. Jedes Jahr paaren die Tschechen ein neues Auto mit guten Offroad-Eigenschaften mit einer Reise durch den Osten Europas. Das vorgeschobene Ziel ist, die weißen Flecken auf der Landkarte bunt zu machen. Doch der Plan ist perfider. Škoda wählt Strecken, die so schwierig sind, dass man sie dem Auto gar nicht zutrauen würde. Es ist kein Geheimnis, dass ein kompakter SUV wie der Škoda Karoq – nicht einmal der neue, 190 PS starke 4x4 TDI in der Ausstattung Scout (ab 42.460 Euro), den wir fuhren – nicht konzipiert wurde, um tagelang die Wildnis zu erkunden. Die letzte Meile zur Jagdhütte? Ja, gut. Aber ausgesetzte Straßen, die der letzte Starkregen zu einem argen Streuselkuchen deformiert hat? Sicher nicht.

Der Besitz eines Autos war Normalbürgern bis 1990 verboten. Enver Hoxha, 1944 bis 1985 Diktator Albaniens, investierte das Geld lieber in tausende Bunker als in die Infrastruktur.
Foto: Škoda

So kam auch bald ein neues Spiel dazu. Wer gibt zuerst auf? Die Plomben oder die Pneus. Zur Sicherheit hatten wir einen Ersatzreifen auf dem Dach, der sich auch zur Meditation in Fahrpausen eignete. Und ein Arzt war dabei. Aber wir brauchten weder das Rad – am Karoq waren übrigens Serienreifen montiert, welche mit den leicht verstärkten Flanken –, noch mussten wir den Arzt auf seine chiropraktische oder dentalchirurgischen Fähigkeiten abklopfen. Aber viel hat nicht mehr gefehlt, dass der Škoda gewonnen hätte und wir resigniert.

Albanischer Honigtopf

Trotz ihrer Geschichte sind Albaner herrlich gastfreundlich und sehr zuvorkommend.
Foto: Škoda

So ein Roadtrip ist eben kein Zuckerschlecken. Auch nicht, wenn man von Berat nach Gjirokastra den Weg durch den Nationalpark Hotova-Dangell wählt und aus dem Staunen gar nicht mehr herauskommt. Honigschlecken aber schon. Das war dann aber erst auf der ewig langen Offroad-Etappe zwischen Gjirokastra – wo das Geburtshaus von Diktator Enver Hoxha noch einmal bedrückend an die Geschichte des Landes erinnert – und Saranda, direkt an der Küste. Nach Stunden, in denen wir keine Menschen gesehen haben, aber unzählige der Bunker, die Hoxha gegen nie auftauchende Feinde in die Berge betonierte, hielten wir an einem kleinen Hof.

Rundum nur Wildnis. Die einzigen Bäume, soweit der Blick reicht, stehen im Garten. Sonst gibt es hier nur Sträucher, Felsen, ein paar Pferde und sicher noch mehr Bunker. Vor dem Gartentor, von dem weg Bretter in eine kleine Laube auf Stelzen führen, steht ein von der Sonne mehr als halberledigtes Schild. Gleich daneben winken uns eine Frau in Kittelschürze und der Schweif eines Hundes. Beide begrüßen uns herzlich. Albaner, die besonders stolz darauf sind, dass in diesem Land Muslime und Christen friedlich miteinander leben, sind von einer außerordentlichen Gastfreundschaft. Doch diese Dame schlägt sie alle. Sie hat uns Krapfen gemacht. Die Teigfladen schauen nicht annähernd so aus, wie das, was wir aus Großbäckereien und von der Oma kennen. Es ging ihr beim Kochen wohl nicht um die äußere Form. Aber um den Geschmack. Was auf den Tellern liegt, ist nicht weniger als eine lukullische Sensation.

Meditieren oder Herumalbaniern – das ist hier die Frage.
Foto: Škoda

Schlecht gefüllt

Als sie dann auch noch aus einer alten PET-Flasche ihren eigenen Honig in eine Schüssel rinnen lässt, damit wir darin die Krapfen eintunken, ist klar, dass Marillenmarmelade nur eine minderwertige Füllung für Krapfen ist.

Schlecht gefüllt, das sind auch die vielen wilden Katzen und Hunde in der Gegend. Ein Dilemma, das wir auch schon in Rumänien sahen. Je schlechter es den Menschen geht, umso miserabler geht es den Tieren. Deswegen ist das Eselchenspiel auch von manch einem Seufzer unterbrochen. Die Albaner wollen dringend in die EU. Wir sehen in vier Tagen mehr Europaflaggen als in vier Jahren in Österreich. Ein Beitritt könnte wohl einiges des Leides mindern.

Am Grenzübergang, vor der Ausreise und dem Einschiffen auf die Fähre nach Korfu, treffen wir ein sauberes, offensichtlich gesundes, schwarzes Kätzchen. Es schmiert um die Beine, hüpft auf den Schoß, lässt sich streicheln, während die Zöllnerin ihrer Arbeit nachgeht. Und ich habe für die Überfahrt nach Korfu ein neues Spiel: Kratzen. (Guido Gluschitsch, 31.12.2019)