Die Hekla auf eigene Faust zu erobern bedarf eines gewissen Aufwandes. Entweder man hat viel Zeit, eine gute Fußcreme und die Gabe, auch unter widrigsten Bedingungen im Zelt gut schlafen zu können. Oder man hat einen Heavy-Offroader. Die Straßen auf die Hekla – ja, Islands bekanntester Vulkan zieht es vor, als Dame angesprochen werden – sind das, was man hierzulande ein Geländeabenteuer nennen würde.

In Island ist das Offroad-Fahren strengstens verboten. Darunter versteht man das Verlassen der Tracks, jener Routen, die sich schwarz durch die bunte Mooslandschaft der ganzen Insel ziehen. Abseits davon hat man nichts verloren. Sei es, um die Trolle und Elfen nicht zu stören, mehr aber noch, um die ohnedies karge Vegetation zu schützen.

Onroad in Island? Abenteuerlicher als Offrad bei uns.
Foto: Volkswagen

Jetzt muss man aber wissen, dass selbst auf den Hauptverkehrsrouten gerne einmal riesige Brocken oder tiefe Wasserdurchfahrten einem normalen Wagen das Vorankommen unmöglich machen. Ausweichen? Verboten! Da muss man dann durch. Oder drüber. Darum fahren die Isländer, die wirklich mobil sein wollen, waschechte Offroader. Meist sind G-Klasse, Wrangler und Defender dann auch noch umgebaut und stehen auf fetten Ballonreifen.

Es ist also gar kein so großes Wunder, dass die Ranger, die darauf achten, dass Fahrzeuge tatsächlich nur auf den Tracks fahren, so gar nicht einsehen wollten, dass der VW Touareg für die Reise auf die Hekla, zum Tor in die Hölle, geeignet ist. Erst als der große SUV, mit aufgeblasenem Luftfahrwerk und seinem 422 PS starken V8-Diesel, trotz zierlicher Alufelgen, demonstrativ Stein und Wasserdurchfahrt meisterte, gab der Ranger mit weit offen stehendem Mund seinen Segen. So erzählte es zumindest Peter Weil, der diese Volkswagen Driving Experience durch Island leitet. Erstaunte Ranger sehen wir auf unserer Reise keine mehr.

Große Augen

Ähnlich entgleiste Grimassen entdecken wir dafür auf dem Weg auf die Hekla in einem anderen Auto. Zwei Asiatinnen haben es mit einem Kleinwagen bis zu einer Kreuzung geschafft, von wo drei Tracks weiterführen. Und jeder von ihnen beginnt mit Schlaglöchern, die groß genug sind, es gleich mit mehreren Autos jener Größe aufzunehmen. Wir ziehen mit den Touaregs weiter und werden für einige Stunden keine weiteren Menschen mehr treffen.

Auch wenn Island landschaftlich sehr beeindruckend ist, stehen die Touristen gern mit dem Rücken zu imposanten Wasserfällen und schauen lieber ins Smartphone.
Foto: Guido Gluschitsch

Die Hekla zeigt sich von ihrer imposantesten Seite. Der größte Teil sticht in die Wolken. Es ist stürmisch. So sehr, dass es kaum gelingt, die Autotür gegen den Wind zu öffnen. Unter uns ist ein Vulkan, dessen Ausbruch schon seit Jahren überfällig ist, meinen Experten. Rund um uns ist nur Moos, das alle Herbstfarben spielt. Es ist weich wie eine kuschelige Decke. Da kann man sich für einen Moment gut vorstellen, hier als Troll zu wohnen. Obwohl, bald wird der lange Winter über das Land ziehen und das Hochland unter einer dicken Schneedecke verstecken. Dann gibt es auch für den stärksten und edelsten Touareg hier kein Fortkommen mehr. Nicht mehr lange, und fast alle Touristen werden die Insel verlassen haben. Auch die Chinesen, die Island inzwischen auch schon für sich entdeckt haben.

Trollparadiese so weit das Auge reicht.
Foto: Guido Gluschitsch

Jetzt, Ende September, tummeln sie sich noch um die wenigen Attraktionen und, weil es hier so gut passt, Hotspots. Vor dem großen Geysir stehen nur wenige Leute. Er speit seine Wasserfontäne nur alle paar Stunden in den Himmel. Da ist der Strokkur, wenige Meter weiter, gnädiger. Er gibt den Besuchern alle paar Minuten die Chance, ein Selfie vor einer Wassersäule zu schießen.

Die Sehenswürdigkeiten Islands kann man zur besten Reisezeit, zwischen Juni und September, ganz leicht daran ausmachen, dass Menschentrauben mit dem Rücken zu ihnen stehen, das Smartphone vor dem Gesicht. Das ist auch beim berühmtesten Wasserfall der Insel, dem Gullfoss so. Nur an der Silfra-Spalte im Nationalpark Þingvellir tauschen viele das Telefon gegen den Taucheranzug, um zwischen der eurasischen und nordamerikanischen Kontinentalplatte tauchen zu können. Es ist für viele der allererste Tauchgang, der dann aber doch nie als solcher gelten darf, weil zumindest immer der Hintern aus dem kalten Wasser ragen wird.

Andere tauschen zwischen den Kontinentalplatten...
Foto: Guido Gluschitsch

Phallusmuseum

Golden Circle nennt man den Touristentrampelpfad, der sich an einem Tag bewältigen lässt. Die meistbesuchten Sehenswürdigkeiten Islands liegen vor den Toren Reykjavíks. Es ist das einzige Gebiet, in dem das Leben pulsiert. In der und rund um die Hauptstadt lebt weit mehr als die Hälfte der 360.000 Isländer. In Reykjavík steht das Konzerthaus Harpa, das nicht von allen geliebt wird. Hier finden wir die Hallgrímskirkja mit dem Denkmal von Leif Eriksson, das Phallusmuseum mit 280 Exponaten und ein malerisches Gässchen, wie nur für die Gäste gebaut.

...während Einheimische geheimnisvolle Ornamente in den Boden zeichnen.
Foto: Guido Gluschitsch

Aber es gibt auch noch die Individualtouristen auf Island. Sie genießen, dass große Teile der Insel herrliche Wildnis sind, die nur von Pferden und Schafen genutzt scheint. Sie wandern oft tagelang über die Berge. Wir treffen einige davon in Landmannalaugar. Dort erholen sie sich in den heißen Quellen von den Strapazen des Fußmarsches. Sie brühen sich in feuchten Zelten, auf Gaskochern, Packerlsuppen oder kochen Gulasch. Die nasse Kleidung, die sie hier vergeblich zu trocknen versuchen, wird morgen nach gerösteter Zwiebel und Knoblauch riechen.

Die dicken Touaregs nehmen sie gar nicht wahr. Sie sehen neben den wilden Offroadgeräten, selbst in den Wasserdurchfahrten, wie normale SUVs aus, nur halt luxuriöser. In Österreich wird das sicher anders sein. Da werden die wenigen vier Liter großen V8-Touaregs (Normverbrauch: 7,4 Liter / 100 km) die Blicke auf sich ziehen wie der Trollpenis im Phallusmuseum. Viele V8-Touaregs wird es bei uns nicht geben. Nur der eine oder andere Wohlhabende, der oft 3,5 Tonnen Anhängelast braucht, wird zugreifen. Dessen ist man sich bei Volkswagen durchaus bewusst. Und das macht auch nichts, denn der große Touareg ist ohnedies für andere Märkte konzipiert. Asien und Amerika etwa. Und vermutlich auch ein wenig als Reisemobil für die Volkswagen Driving Experience. Bei der kann man diese Reise auch nächstes Jahr wieder buchen. So die Hekla das zulässt. (Guido Gluschitsch, 30.12.2019)