Zahraddeen Abubakar ist in Abuja stolz auf seine sauberen öffentlichen Toiletten. Heiß duschen kann man bei ihm auch.

Foto: Gänsler

Zahraddeen Abubakar sitzt auf einer selbstgezimmerten Holzbank und unterhält sich mit ein paar Männern. Es ist früher Nachmittag, und auf dem Markt von Jabi, einem Viertel in der nigerianischen Hauptstadt Abuja, ist es ziemlich ruhig. Ganz anders sei es morgens, sagt der 32-Jährige. Dann bilden sich vor seinem Toilettenhaus mitunter lange Warteschlangen.

In Nigeria, wo rund 200 Millionen Menschen leben, haben nur 41 Prozent eigene Toiletten in ihren Wohnungen und Häusern, hat im vergangenen Jahr die nationale Statistikagentur ermittelt. Öffentliche Toiletten wie die von Zahraddeen Abubakar sind für Millionen Menschen deshalb enorm wichtig.

Gebaut wurden diese vor gut zwölf Jahren, sagt Abubakar und präsentiert die acht Toiletten. Er ist stolz darauf, dass alles sauber ist und kein beißender Uringeruch in der Luft liegt. Im Angebot hat er außerdem heiße Duschen.

Hunderte Kunden am Tag

Dafür erhitzt er in zwei riesigen Fässern Wasser, das die Kunden dann in eine der sechs Duschkabinen mitnehmen können. Ein Kübel kostet 50 Naira, umgerechnet zwölf Cent, kaltes Wasser sowie die Toilettennutzung kosten je 30 Naira und damit etwa acht Cent. Wie viele Kunden täglich sein Angebot nutzen, darüber führt Abubakar nicht Buch. „Es sind viele, mindestens 200.“ Das Geschäft laufe gut.

Mindestens zweimal pro Tag kommt auch der 25-jährige Adamu Mohammed hierher. „Dort, wo ich wohne, haben wir keine Toiletten.“ Gerade junge Männer, die sich in Städten wie Abuja, Lagos und Port Harcourt als Tagelöhner durchschlagen, leben zu mehrt in winzigen Zimmern. Eine Basisausstattung gibt es nicht.

Kostspielige Erleichterung

Manchmal teilen sich auch Mehrfamilienhäuser eine Toilette, was ebenfalls zu langen Wartezeiten führt. Pro Monat muss Mohammed deshalb im Schnitt umgerechnet 5,60 Euro allein für den Toilettenbesuch ausgeben. Dabei liegt der Mindestlohn gerade einmal bei rund 75 Euro, wenn er überhaupt gezahlt wird.

Dass sich bezüglich der Sanitäranlagen in Nigeria noch viel ändern muss, fordert Ayo Ogunlade, der in Abuja für die nichtstaatliche Organisation Water Aid arbeitet. Generell habe sich die Situation verbessert, sagt er: „Noch vor wenigen Jahren hatten nicht einmal 30 Prozent der Einwohner Zugang zu Sanitäranlagen.“ Doch die Folgen von fehlenden Toiletten bleiben für die Gesellschaft gravierend.

Laut Statistikagentur verfügen gerade einmal sieben Prozent aller Schulen über eine kombinierte Versorgung mit Wasser, Sanitäranlagen und Hygiene, womit Seife gemeint ist. Besonders für Mädchen ist das katastrophal. „Wenn sie ihre Menstruation haben, müssen sie entscheiden, ob sie in die Schule gehen und dort möglicherweise von Buben lächerlich gemacht werden. Oder sie bleiben zu Hause, verpassen dann aber wichtigen Unterrichtsstoff bis hin zu Prüfungen. Es geht um die Frage, ob und wie sehr wir unsere Mädchen wertschätzen.“

Licht ins Dunkel

Den Bau von öffentlichen Toiletten, die in aller Regel privat betrieben werden, begrüßt Ogunlade deshalb. Wichtig seien jedoch Standards wie getrennte Toiletten für Männer und Frauen sowie Licht, wenn es dunkel ist. Auch müsse bei der Konstruktion an Menschen mit Behinderung gedacht werden.

Je mehr gebaut werden, desto eher lässt sich bis zum Jahr 2025 Nigerias großes Ziel erreichen. In einem 2016 verabschiedeten Fahrplan soll das Land frei von öffentlicher Defäkation werden. Niemand soll sich mehr im Freien erleichtern müssen. Bis heute macht das noch etwa jeder Vierte.

Indien als großes Vorbild

Besonders betroffen ist einmal nicht der verarmte Norden, vielmehr zieht sich von Osten nach Westen ein Gürtel durch das Land. Als großes Vorbild gilt nun Indien, das Premierminister Narendra Modi Anfang Oktober als frei von offener Defäkation erklärt hatte. Seit 2014 war das eins seiner Ziele, für das er massiv geworben hat. Eine nigerianische Delegation hatte sich dort im letzten Jahr erfolgreiche Maßnahmen angeschaut.

Das UN-Kinderhilfswerk Unicef schätzt, dass nur 1,4 Prozent aller Busbahnhöfe und Märkte über Wasser, Sanitäranlagen und Hygiene verfügen. Kommt es hier nicht zu gravierenden Veränderungen, lässt sich das gesteckte Ziel kaum erreichen. Auf dem Markt von Jabi gibt deshalb auch Zahraddeen Abubakar zu: „Wenn ich auf Reisen bin und es wieder einmal keine Toilette gibt, nehme ich den Busch.“ (Katrin Gänsler aus Abuja, 19.11.2019)