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Die Austria Presse Agentur produzierte bei der Nationalratswahl mehr als 2000 Meldungen, die zur Gänze von Maschinen erstellt wurden.

Foto: Getty Images

Achtung, ich bin kein Roboter. Die Chancen steigen, dass ein Satz wie dieser bald auf Artikel hinweist, bei deren Entstehung künstliche Intelligenz (KI) nicht im Spiel war. Eine soeben veröffentlichte Studie der London School of Economics and Political Science und der Google News Initiative sagt Algorithmusgestütztem Journalismus eine große Zukunft voraus.

Befragt wurden 71 Nachrichtenorganisationen in 32 verschiedenen Ländern, die bereits Erfahrungen mit künstlicher Intelligenz gemacht haben. 116 Journalisten aus Zeitungen, Rundfunkanstalten, Verlagsgruppen, Nachrichtenagenturen und Magazinen brachten ihre Sicht zum Thema ein.

Zentrale Aussage: Die Mehrheit der befragten Journalisten versteht den Einsatz künstlicher Intelligenz in ihrem Arbeitsbereich als zusätzliches, unterstützendes, katalytisches Instrument.

„Die Welt des Journalismus wird von künstlicher Intelligenz umgestaltet“, zeigen sich die Studienautoren überzeugt. Wenn Maschinen bestimmte journalistische Routinearbeiten übernehmen, erlebten das die befragten Medienarbeiter als positiv: Künstliche Intelligenz würde ihre Arbeit effizienter machen, Usern relevanteren Content liefern, und sie würde die Wirtschaftlichkeit erhöhen.

Mehr Vielfalt

Indizien, dass der Roboterjournalist den menschlichen Medienarbeiter ersetzt, fanden die Forscher nicht: Nachrichtenmedien könnten von künstlichen intelligenten Systemen profitieren. Richtig eingesetzt, würden sie die Vielfalt von Inhalten erhöhen, zudem würden Arbeitsstruktur, Nachrichtenfluss und Beziehung zur Öffentlichkeit verbessert.

In Österreich arbeitet die Austria Presse Agentur als erstes und bis dato einziges Medienunternehmen mit automatisiertem Content. Der Ernstfall wurde bei der Nationalratswahl erfolgreich geprobt, berichtet Katharina Schell, stellvertretende Chefredakteurin der Austria Presse Agentur und für Innovation zuständig: „Wir konnten mehr als 2000 Meldungen zu jeder österreichischen Gemeinde anbieten. Diese Menge hatten wir vorher natürlich nicht.“

Schell kündigt weitere Themenbereiche an, in denen der Algorithmus den Artikel erstellen kann. Geeignet sind „Meldungen, die auf strukturierten Daten basieren“. Zum Beispiel Sportergebnisse, Wetter, Wahlen oder Umweltdaten, kurz: „Content, den es bisher nicht gab.“

Die APA bietet maschinengestützte Meldungen als eigenes Produkt für Onlineinhalte an. Diese Artikel sind speziell gekennzeichnet.

Dass hinter dem Einsatz versteckte Rationalisierungsprogramme warten könnten, glaubt Schell nicht: „Jeder, der glaubt, dass er sich etwas spart an Aufwand und somit an Ressourcen, täuscht sich.“ Der Aufwand sei beträchtlich. Algorithmus-gestützter Journalismus sei einfach „eine weitere Spielart des Datenjournalismus“.

Die Geschichte liefere schließlich der Mensch, sagt Schell: „Der Mensch ist datendumm, aber die Maschine ist geschichtendumm. Die Geschichte in den Daten kann keine Maschine erkennen, dafür wird es noch lange Journalisten brauchen.“

Finanzielle Ressourcen

In den untersuchten Medienunternehmen kommt der Algorithmus am häufigsten beim Sammeln von Nachrichten, bei der Produktion und dem Vertrieb zum Einsatz. Die größten Herausforderungen, künstliche intelligente Systeme im Journalismus einzusetzen, sahen die Studienautoren in der Bereitstellung finanzieller Ressourcen sowie der Verfügbarkeit von Wissen und Können. Mangelndes Wissen innerhalb der Newsorganisationen gehe einher mit einem Mangel an strategischem Management. Am meisten mangele es an technologisch versiertem Fachpersonal, das Wissen in den Redaktionen einsetzen kann.

Nichtsdestotrotz lautet die Prognose: „Künstliche Intelligenz wird Journalismus schrittweise umgestalten, jedoch mit langfristigen strukturellen Effekten.“ Algorithmen werden Systeme antreiben. Aber die menschliche Note – die Einsicht und das Urteil des Journalisten – wird ein Benefit sein.

Kann die Nachrichtenwirtschaft diesen Vorteil nutzen? Auch hier zeigen sich die Forscher optimistisch: „Internet, soziale Medien und mobile Kommunikation haben neue Werkzeuge und Wege für den Journalismus geschaffen, um den tiefgreifenden Herausforderungen des digitalen Zeitalters zu begegnen. Jetzt versprechen KI-Technologien einen weiteren Sprung nach vorne.“

In einer stärker vernetzten Welt werde künstliche Intelligenz letztlich „in allen Bereichen“ an Bedeutung gewinnen. (Doris Priesching, 19.11.2019)