Bild nicht mehr verfügbar.

Außenminister Mike Pompeo verkündete in einer kurzen Ansprache, dass die USA nicht mehr nach den Grundsätzen des Hansell-Memorandums von 1978 operieren werden.

Foto: REUTERS/Yara Nardi

Die USA haben am Montag eine bedeutende Änderung ihrer Politik gegenüber den israelischen Siedlungen im Westjordanland bekanntgegeben. Außenminister Mike Pompeo sagte in einer kurzen Ansprache am Nachmittag, die USA würden künftig nicht mehr nach den Grundsätzen des sogenannten Hansell-Memorandums von 1978 operieren. Dieses war mehr als 40 Jahre lang die rechtliche Basis für die US-Politik gegenüber dem Siedlungsbau. Festgehalten wird dort, dass nach Ansicht Washingtons die Errichtung ziviler Gebäude im besetzten Westjordanland in Widerspruch zu internationalem Recht steht.

Die bisherige US-Politik, die auf dem Memorandum aufbaute, habe "die Sache des Friedens nicht vorangetrieben", sagte Pompeo. "Die harte Wahrheit ist, dass es niemals eine juristische Lösung dieses Konflikts geben wird und dass Streitereien darüber, wer im Recht und wer aus Sicht internationaler Gesetze nicht im Recht ist, keinen Frieden bringen werden." Die USA wollen sich laut Pompeo eine Rechtsmeinung zu individuellen Siedlungen vorbehalten. Die Entscheidung sei nicht als Präzedenzfall für andere Fragen zu sehen.

Reihe proisraelischer US-Entscheidungen

Die geänderte US-Ansicht wird zwar aller Voraussicht nach keine unmittelbaren Folgen für den Nahost-Konflikt haben – allerdings ist davon auszugehen, dass sie erneut massive Proteste der Palästinenser und ihrer politischen Führung auslösen wird. Sie steht im Widerspruch zur Sicht der meisten anderen westlichen Staaten. Sie schränkt die Möglichkeiten der Palästinenser, künftig einen eigenen und eigenständigen Staat aufzubauen, weiter als bisher ein.

Der Schritt reiht sich ein in eine Serie einseitig proisraelischer Entscheidungen der Regierung von US-Präsident Donald Trump. Israel hatte 1967 während des Sechstagekriegs unter anderem das Westjordanland und Ostjerusalem erobert. Dort leben heute mehr als 600.000 israelische Siedler in mehr als 200 Siedlungen. Die Palästinenser sehen beide Gebiete als Teil eines künftigen unabhängigen Staates. Der UN-Sicherheitsrat hatte 2016 einen vollständigen Siedlungsstopp von Israel gefordert.

Erfreulich für Netanjahu

Gut möglich scheint, dass die neue Situation die Palästinenserführung von Präsident Mahmud Abbas im Westjordanland innenpolitisch weiter in die Defensive drängt. Umgekehrt ist die Änderung der US-Haltung ein Sieg für die israelische Regierung um Premier Benjamin Netanjahu und seine rechten Koalitionspartner.

Außenminister Israel Katz dankte den USA für die Entscheidung: "Es gibt keinen Zweifel am Recht des israelischen Volkes am Land Israel." Er dankte Trumps Regierung für ihre "anhaltende und starke Unterstützung". Netanjahu selbst lobte den US-Beschluss als Korrektur einer "historischen Fehlentscheidung".

Netanjahu braucht die Unterstützung dringend: Nach der Parlamentswahl vom September – der zweiten in diesem Jahr – hatte seine Likud-Partei erstmals seit langem die relative Mehrheit eingebüßt, seine Koalition die Absolute verpasst. Sein Rivale Benny Gantz vom Bündnis Blau-Weiß hat nur noch bis Mittwoch Zeit, eine neue Regierung zu bilden und so Neuwahlen zu verhindern.

EU distanziert sich von US-Kehrtwende

Die EU wird sich hingegen dem US-Kurswechsel nicht anschließen. "Die Position der Europäischen Union zur israelischen Siedlungspolitik in den besetzten Palästinensergebieten ist klar und bleibt unverändert", erklärte Außenbeauftragte Federica Mogherini am Montagabend. "Alle Siedlungsaktivitäten sind nach dem Völkerrecht illegal und unterhöhlen die Tragfähigkeit der Zweistaatenlösung die Perspektiven für einen dauerhaften Frieden."

Die EU rufe Israel auf, sämtliche Siedlungsaktivitäten im Einklang mit seinen internationalen Verpflichtungen als Besatzungsmacht zu unterbinden. Die EU werde weiter Bemühungen um eine Wiederaufnahme eines echten politischen Prozesses hin zu einer auf dem Verhandlungsweg erzielten Zweistaatenlösung unterstützen. Das sei der "einzig realistische und gangbare Weg, die legitimen Erwartungen beider Parteien zu erfüllen". (mesc, APA, 18.11.2019)