In Umerziehungslagern sind über eine Million Uiguren interniert.

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Es handle sich um einen "Kampf gegen Terrorismus, Infiltration und Separatismus", der "ohne Gnade mit diktatorischen Mitteln" bekämpft werden müsse. So soll sich der chinesische Präsident Xi Jinping im April 2014 über Maßnahmen geäußert haben, die gegen die Uiguren in der westchinesischen Provinz Xinjiang ergriffen werden sollten. Kurz davor waren bei einer Messerattacke durch einen uigurischen Terroristen 31 Menschen ums Leben gekommen.

In der Folge begann Peking mit unverhältnismäßiger Härte gegen die muslimische Minderheit in Xinjiang vorzugehen. Über eine Million Menschen sind bisher in sogenannten "Umerziehungslagern" interniert worden. Peking gibt vor, in den Lagern Menschen eine bessere Ausbildung zukommen zu lassen. Details über das rigorose Vorgehen der Regierung gegen die Uiguren wurden jetzt der "New York Times" zugespielt und am Wochenende veröffentlicht. Bei dem Whistleblower, der das 403 Seiten starke Dokument der Zeitung übermittelt hatte, soll es sich um jemanden aus dem chinesischen Establishment handeln.

Dankbarkeit für Repression

Die Dokumente belegen, wie systematisch Kinder von Eltern getrennt werden sollten, Studenten von der Uni genommen wurden und Bauern ihre Ernte nicht einbringen konnten und über Monate hinweg in Lagern interniert wurden. Die Familien der Betroffenen wurden massiv unter Druck gesetzt, sollten sie die Maßnahmen kritisieren. Am Telefon erzählte man ihnen, sie sollten der Kommunistischen Partei Chinas dankbar sein.

Einsickern von Terroristen befürchtet

Die Regierung befürchtete nicht zuletzt aufgrund des Rückzugs der US-Truppen aus Afghanistan ein Einsickern von Terroristen. Die Provinz Xinjiang grenzt sowohl an Afghanistan als auch an Pakistan.

Als im August 2016 mit Chen Quanguo ein neuer Parteigouverneur für die Provinz ernannt wurde, nahm die Einrichtung solcher Umerziehungslager rapide zu. Lokale Beamte sollen zunächst skeptisch auf die neue Linie und Chens Anweisungen reagiert haben. Doch wer Widerspruch äußerte, wurde ebenfalls inhaftiert.

Das chinesische Außenministerium spielte die Bedeutung des Berichts herunter. Sprecher Geng Shuang bezeichnete ihn als als eine "tölpelhafte Zusammenstellung selektiver Interpretationen, taub und blind gegenüber den Fakten". Die als Sprachrohr der KP in Peking geltende "Global Times" schrieb, "manche im Westen wollen in Xinijang den Ausbruch von Chaos und extremer Gewalt sehen".

Verbesserter Lebensstandard

Die Uiguren leiden seit Jahrzehnten unter der Herrschaft Pekings. Seit Xis Amtsantritt im Jahr 2012 aber hat sich der Kurs gegenüber der muslimischen Minderheit verschärft. Daran ändert auch das relative starke Wirtschaftswachstum nichts. Zwar hat sich auch der Lebensstandard vieler Uiguren in den vergangenen Jahren deutlich verbessert. Viele aber beklagen den schleichenden Verlust ihrer Identität. Demografisch nämlich hat die Kommunistische Partei längst die Zukunft der Provinz entschieden: Durch die jahrelange Politik Pekings, in der Provinz Han-Chinesen anzusiedeln, sind die Uiguren mittlerweile zur Minderheit in ihrer Heimat geworden. (Philipp Mattheis aus Schanghai, 19.11.2019)