Washington hat Israels Recht anerkannt, das Westjordanland zu besiedeln. Im Bild die Siedlung Psagot.

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Nur der Zeitpunkt, mitten in eine israelische Regierungsbildung hinein, ist eine Überraschung: Dass die USA ihre Rechtsmeinung zu den israelischen Siedlungen im Westjordanland ändern würden, lag längst in der Luft. Wenn diese nicht mehr illegal sind, dann ist das Palästinensergebiet, das Israel 1967 von Jordanien erobert hat, laut Washington nicht mehr besetzt, sondern umstritten. Das ist die israelische Position – und nun auch die amerikanische.

Der Sieg für die israelische Diplomatie kommt nach einer – ebenso erwarteten – Niederlage. Der Europäische Gerichtshof hat vor ein paar Tagen geurteilt, dass die aus Siedlungen stammenden Produkte nicht als israelisch bezeichnet werden dürfen. Damit hielt er sich an die Rechtsmeinung (nicht nur) der EU-Juristen, dass Siedlungen auf erobertem Gebiet völkerrechtswidrig sind. Mag sein, dass das US-Timing auch damit zusammenhing.

Es ist nicht das erste Geschenk von US-Präsident Donald Trump an Benjamin Netanjahu: Zuerst fand im Dezember 2017 die Anerkennung von ganz Jerusalem als israelischer Hauptstadt statt, inklusive des nach EU-Rechtsmeinung besetzten Ostteils. Im März 2019 – also mitten im Wahlkampf für die israelische Parlamentswahl im April – folgte die Anerkennung der israelischen Annexion des 1967 eroberten Teils des Golan. Aber der letzte Schritt, die Anerkennung des Rechts Israels, das Westjordanland zu besiedeln, wurde eigentlich erst im Kontext von Trumps "ultimate deal" erwartet, der dem ganzen Nahen Osten Frieden bringen sollte.

Vollendete Tatsachen

Dass die Araber nun vor vollendete Tatsachen gestellt werden, ohne dass den Palästinensern wenigstens ein Trostpflaster verabreicht würde, wird die US-Politik in der Region nicht einfacher machen. Die Behauptung, dass damit Verhandlungen mit den Palästinensern erleichtert würden, ist nicht nachzuvollziehen. Die Palästinenser haben schlicht nichts mehr, worüber sie verhandeln könnten. Für jene arabischen Staaten, die jetzt schon eng mit Israel zusammenarbeiten, wie Saudi-Arabien oder Ägypten, ist der US-Schritt eine Demonstration, dass sie in Washington nichts zu melden haben. Und das extremistische Narrativ von Israel als imperialistischem Projekt bekommt neue Nahrung. Der US-Präsident verschenkt Land im Nahen Osten. Die Hardliner im Iran können die Nachricht gut gebrauchen.

Wobei Trumps frühere Anerkennungsschritte bisher wenig praktische Auswirkungen auf dem Boden hatten. Aber es wäre töricht, die Entscheidung der USA herunterzuspielen: Die internationale Gemeinschaft wird ihr nicht in Massen folgen, ein Dammbruch ist es dennoch. Der große Schönheitsfehler für Israel bleibt jedoch die Person des US-Präsidenten, in dessen Weißes Haus soeben eine evangelikale Christin, die an aggressiver Dummheit nicht zu übertreffen ist, eingezogen ist: Vor einem Freund Donald Trump sollte man sich eher fürchten, als auf ihn zu bauen. (Gudrun Harrer, 19.11.2019)