In der Jochalge Zygnema circumcarinatum fanden die Forscher ein Gen, das bei der Stressbewältigung eine Rolle spielen könnte.

Foto: Universität Göttingen

Stress, also unangenehme äußere Bedingungen, die ein Individuum unter Druck setzen, verspüren nicht nur wir Menschen. Auch Pflanzen kennen diesen Zustand. Umweltfaktoren wie beispielsweise Trockenheit oder ein hoher Salzgehalt im Boden können deren Physiologie stören. Alle Landpflanzen, vom Lebermoos bis zum Weizen, nutzen unter Stressbedingungen eine komplexe Signalkaskade. Welche Rolle ein bestimmtes Gen für den Rezeptor in dieser Signalkaskade spielt, hat nun ein internationales Forschungsteam untersucht.

Die Signalkaskade bei Stress basiert bei Landpflanzen auf der Wahrnehmung des pflanzlichen Hormons Abscisinsäure. Die Verarbeitung dieses Hormons wurde lange als eine Schlüsseleigenschaft der Landpflanzen angesehen. Wissenschafter vermuteten, dass dieses Hormon, welches Stressantworten reguliert, den frühen Pflanzen im Rahmen der Evolution half, mit dem Stress umzugehen, dem sie während der Eroberung des Landes vor über 500 Millionen Jahren ausgesetzt waren. Das konnte nun bestätigt werden.

Schon prähistorische Algen hatten den entscheidenden Rezeptor

"Wir konnten zeigen, dass die nächsten Algenverwandten der Landpflanzen, die fädigen Jochalgen, ein komplettes Set an Genen haben, welches jenem Set, das Landpflanzen für die Wahrnehmung der Abscisinsäure nutzen, stark ähnelt", sagt Jan de Vries vom Institut für Mikrobiologie und Genetik der Universität Göttingen, Koauthor der im Fachjpournal "Pnas" veröffentlichten Studie. Besonders trat dabei hervor, dass der erste Schritt in der Signalkaskade vorhanden war: ein möglicher Rezeptor für das Hormon.

In der aktuellen Untersuchung analysierte ein internationales Team von Wissenschaftern aus vier Ländern unter der Leitung der Hebrew University of Jerusalem, ob und wie sich dieses Gen für den Rezeptor in die Signalkaskade integriert. "Mittels molekularbiologischer Methoden haben wir herausgefunden, dass es sich in die Signalkaskade integriert und diese auch regulieren kann", so de Vries. "Allerdings tut es dies unabhängig vom Hormon Abscisinsäure."

Die Wahrnehmung des Stresshormons hat also einen hormon-unabhängigen Ursprung in den Algen. Interessanterweise tritt dieser ursprüngliche Mechanismus auch immer noch zusätzlich in Landpflanzen auf – obwohl diese auch den klassischen hormon-abhängigen Mechanismus aufweisen, welchen jeder Biologiestudent im Grundstudium lernt. (red, 19.11.2019)