Viele Prozesse im Boden, zum Beispiel im Kohlenstoff- und Stickstoffkreislauf, hängen stark von der Aktivität von Mikroorganismen ab und können unter verschiedenen Umweltbedingungen ablaufen. Dies ist möglich, weil Böden eine der weltweit größten mikrobiellen Artenvielfalt enthalten. Somit können unterschiedliche Organismen unter verschiedenen Bedingungen aktiv sein und die Prozesse am Laufen halten. Die große Artenvielfalt der Bodenmikroorganismen trägt also zur Stabilität von Ökosystemen bei. Doch wie erhält sich diese Vielfalt?

Überlebensstrategien

Ein Faktor ist die Fähigkeit dieser Mikroorganismen, längerfristige Perioden ungünstiger Bedingungen zu überleben. Dies ist für sie besonders wichtig, da es im Boden oft zu längeren Engpässen von Wasser und Nährstoffen kommt. Allerdings wissen wir immer noch sehr wenig darüber, wie sie es schaffen, solche Engpässe auszuhalten, ohne abzusterben. Am einfachsten wäre es, wenn wir diese Mikroorganismen im Labor züchten könnten, um sie dort ganz genau zu untersuchen. Doch leider wissen wir immer noch viel zu wenig über die Bedürfnisse der meisten Mikroorganismen in der Umwelt, um sie im Labor kultivieren zu können. Daher müssen wir ihre Lebensweisen und Überlebensstrategien auf anderen Wegen entschlüsseln. Oft ist das wahre Detektivarbeit.

Ein System, in dem wir Überlebensstrategien untersuchen, sind sogenannte Bodenkrusten aus der Negev-Wüste in Israel.

Gruppenmitglied Dimitri Meier bei der Probennahme in der Negev-Wüste.
Foto: Stefanie Imminger

Um dort überleben zu können, müssen die Mikroorganismen den Großteil des Jahres ohne Wasser überdauern. Aber auch vor unserer eigenen Haustür, in landwirtschaftlich genutzten Böden oder im Wienerwald, findet man solche Überlebenskünstler. Wir bringen die Proben aus der Negev-Wüste in unser Labor, wo wir in der Lage sind, wüstenähnliche Umweltbedingungen in einer Klimakammer nachzustellen. Wir können es zum Beispiel regnen lassen, wodurch wir Mikroorganismen "zum Leben erwecken". Dies ist schon mit dem bloßen Auge daran zu erkennen, dass sich die vorher trockenen braunen Krusten grün färben, weil darin lebende Cyanobakterien an die Oberfläche wandern. Anschließend lassen wir die Krusten durch trockenes Wüstenklima wieder austrocknen und analysieren die mikrobiellen Stoffwechselwege in dieser Periode.

Bodenkrusten vor (links) und nach (rechts) der Imitation von Regen im Labor.
Foto: Stefanie Imminger

Keine einheitlichen Strategien

Um zu entschlüsseln, wie Mikroorganismen in der Negev-Wüste so rasch aktiv werden und dann wieder in ihren Überdauerungszustand zurückkehren können, nehmen wir im Verlauf des Experimentes Krustenproben für unterschiedliche Untersuchungen. Zum einen extrahieren wir die gesamte DNA, die Erbsubstanz aller in der Probe enthaltenen Mikroorganismen (das sind mehrere 100 unterschiedliche Arten!), um diese zu sequenzieren.

Die Analyse dieser Daten, bei der die einzelnen DNA-Fragmente wieder zu Genomen zusammengesetzt und unterschiedlichen Mikroorganismen zugeordnet werden, ist mit einem sehr hohen Rechenaufwand verbunden. Am Ende sind wir jedoch in der Lage, die Genome vieler unbekannter Mikroorganismen zu entschlüsseln, was uns Einblicke in ihre möglichen Stoffwechselwege erlaubt. Zusätzlich sequenzieren wir die RNA aus den gleichen Proben. Dabei handelt es sich um temporäre Kopien von Genen, die Mikroorganismen in dem Moment zur Herstellung von Proteinen benötigten.

Unsere Daten zeigen, dass es keine einheitliche Überlebensstrategie gibt, sondern dass verschiedene Mikroorganismen unterschiedliche Mechanismen entwickelt haben, um sich vor Austrocknung und Nährstoffmangel zu schützen. Überraschenderweise scheinen nur ganz wenige Gruppen Sporen zu formen – besondere Überdauerungsstadien, die eine gezielte Umstrukturierung der Zelle erfordern. Stattdessen häufen einige Bakterien Zucker, Ionen und schützende Enzyme in der Zelle an, die eine Art schützende Matrix um Proteine und DNA formen, wenn das Wasser verdampft. Außerdem haben sie spezielle Enzyme und zusätzliche Genomkopien, um Schaden an der DNA zu reparieren, sobald Wasser wieder verfügbar ist.

Eine weitere Strategie ist, Gase wie molekularen Wasserstoff (H2) oder Kohlenmonoxid als Energiequelle zu verwenden, die in geringsten Konzentrationen immer in der Luft vorhanden sind. So eine Lebensweise ermöglicht ihnen, jede verfügbare Energiequelle zu nutzen, um in der Trockenperiode ein Minimum an Aktivität aufrechtzuerhalten.

Reaktivierte Bodenbakterien sichtbar machen

Wir ergänzen unsere Untersuchungen mittels mikroskopischer Verfahren. Es ist zum Beispiel immer noch unbekannt, ob wirklich alle Zellen im Boden durch die plötzliche Verfügbarkeit von Wasser reaktiviert werden – oder ob ein Teil als "Rückversicherung" im Überdauerungszustand verbleibt. Diese Frage können uns die genetischen Untersuchungen nicht beantworten. Um dies zu klären, nutzten wir zum Beispiel die hochauflösende Sekundärionen-Massenspektrometrie, kurz Nano-SIMS.

Mit dieser Technik kann man die Element- und Isotopenzusammensetzung zellulärer Biomasse bestimmen. Und in der Anwendung mit stabilen Isotopen können wir damit die Aufnahme von Nährstoffen oder Wasser in einzelne Zellen verfolgen. In dem beschriebenen Reaktivierungsexperiment des Wüstenbodens nutzen wir "schweres" Wasser (also Wasser, das mit einem schweren Wasserstoff-Isotop markiert wurde), um den Anteil an reaktivierten Mikroorganismen zu bestimmen – die Zellen also, die das schwere Isotop aufnehmen und in ihre Biomasse einbauen.

Epifluoreszenzmikroskopische Aufnahme von Mikroorganismen in Bodenkrusten – rot autofluoreszierende Cyanobakterien und nicht photosynthetisch aktive Zellen (in Blau, mittels eines DNA-Farbstoffs sichtbar gemacht).
Foto: Stefanie Imminger
Stefanie Imminger und Arno Schintlmeister bei der Analyse von Mikroorganismen mittels Nano-SIMS.
Foto: Daniela Trojan

Erfolgreiche Bodenbakterien

Zusätzlich versuchen wir weiterhin neue Mikroorganismen aus Bodenproben zu isolieren. Das ermöglicht uns, ihren Stoffwechsel im Labor im Detail zu erforschen. Zum Beispiel untersuchen wir gerade die Überlebensstrategie einer der häufigsten Gruppen von Bodenbakterien, den Acidobakterien. Bei Nährstoffmangel scheinen einige von ihnen Energie aus der Oxidation von atmosphärischem molekularem Wasserstoff zu gewinnen. Da wir mehrere Arten dieser Bakterien in Kultur haben, können wir genau untersuchen, unter welchen Bedingungen sie molekularen Wasserstoff zum Überleben nutzen. Wir erforschen auch andere Physiologien, die diese Gruppe von Bodenbakterien so erfolgreich macht.

Daniela Trojan beim Kultivieren der Acidobakterien.
Foto: Dagmar Woebken

Unsere Untersuchungen zeigen, über welche vielfältigen Wege sich Mikroorganismen in Böden an die unzuverlässige Verfügbarkeit von Nährstoffen und Wasser angepasst haben. Mit dieser Fähigkeit sind sie ein wichtiger Faktor, der zur Stabilität von Stoffkreisläufen und Ökosystemen beiträgt. (Dagmar Woebken, 20.11.2019)