Die möglichen Therapiemaßnahmen sind beim Glioblastom limitiert, denn "die Blut-Hirn-Schranke behindert das Eindringen von Medikamenten ins Gehirn bzw. in das Glioblastom merklich", sagt Matthias Preusser, Leiter der Klinischen Abteilung für Onkologie am AKH Wien. Personalisierte Therapieansätze könnten das ändern.

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Jährlich erkranken in Österreich etwa 350 Menschen an einem Glioblastom. Dieser bösartige und schnell wachsende Hirntumor entwickelt sich aus Stützzellen im Gehirn, den sogenannten Gliazellen. Sie spielen eine wichtige Rolle für die Funktion der Nervenzellen im Gehirn.

Bemerkbar machen sich Glioblastome durch mehrdeutige Symptome, etwa Kopfschmerzen, Schwindel und Erbrechen, Seh- und Sprachstörungen, Lähmungen oder epileptische Anfälle. Auch psychische Veränderungen wie leichte Reizbarkeit und Desorientierung können auftreten.

Nicht bei jedem dieser Symptome denken Betroffene gleich an einen Hirntumor. Viele sterben innerhalb eines Jahres nach der Diagnose. "Die mittlere Überlebenszeit beträgt 1,5 bis zwei Jahre", sagt Matthias Preusser, Leiter der Klinischen Abteilung für Onkologie am AKH Wien. Die Überlebensprognose hänge davon ab wie gut der Tumor entfernt wurde, vom Patientenalter und dem klinischen Zustand nach der Operation.

Ein komplexer Tumor

"Weiterhin spielt der Mutationsstatus eines speziellen Gens, des IDH1/2-Gens, und die Frage, ob der Regulator des sogenannten MGMT-Gens methyliert und somit stillgelegt ist, eine wichtige Rolle", sagt Preusser. Denn dann wird eine bestimmte Reparatur am genetischen Material der Tumorzellen nicht durchgeführt, und das bedeutet, dass die Chemotherapie mit Temozolomid wirkungsvoller ist. Die aktuelle Standardbehandlung besteht aus der operativen Entfernung des Glioblastoms, Chemo- und Strahlentherapie.

Therapien, die bei anderen Krebserkrankungen zu einem deutlich längeren Überleben oder gar zur Heilung führen, verschaffen den meisten Glioblastom-Patienten eine eher geringe Überlebenszeit. Warum ist das so? "Die Tumorzellen kommunizieren. Sie sind miteinander und mit Nervenzellen vernetzt", so Preusser. Das erhöhe die Therapieresistenz deutlich und ermögliche Rezidive. "Außerdem ist das Glioblastom ein operativer Albtraum, denn es ist kein abgekapselter Tumor, sondern ein sehr schnell wachsendes, sich ausbreitendes Geflecht, das sich ins Gehirn hineinfrisst. Es bleiben unweigerlich Tumorzellen im Gehirn zurück", so der Onkologe weiter.

Die möglichen Therapiemaßnahmen sind zudem limitiert, denn "die Blut-Hirn-Schranke behindert das Eindringen von Medikamenten ins Gehirn bzw. in das Glioblastom merklich", erklärt der Mediziner. Hinzu kommt, dass die Tumorzellen im Glioblastom sehr unterschiedlich sind, "weshalb Therapien, die die verschiedenen Zelltypen gezielt angreifen, in Kombination vermutlich am wirksamsten sind. Mit der aktuellen Standardtherapie ist eine dauerhafte Heilung jedenfalls nicht möglich", so Preusser.

Immunsystem sensibilisieren

Alle Hoffnungen richten sich daher auf wirksamere, personalisierte Therapieansätze. Hierfür wird das entfernte Tumorgewebe mit molekularbiologischen Methoden umfassend charakterisiert. Das soll so funktionieren: Wenn Gene in Tumorzellen mutieren, können auf ihrer Oberfläche neue Tumoreiweiße (Neoepitope) auftauchen, die das Immunsystem noch nicht kennt. Zudem präsentieren manche Tumoren auf ihrer Zelloberfläche vermehrt bestimmte Moleküle. Diese könnten genutzt werden, um die Tumoren für das Immunsystem erkennbar zu machen. Es kann also versucht werden, eine Immuntherapie auf diese Eiweiße abzustimmen.

Das ist auch der Gedanke hinter dem Konzept einer personalisierten therapeutischen Impfung – als Ersttherapie oder im Anschluss an die Standardtherapie. Sie soll das Immunsystem befähigen, tumorassoziierte Antigene und Neoepitope zu erkennen und aktiv gegen die Tumorzellen vorzugehen. Die Immunzellen bekommen also über den Impfstoff die Information, woran sie die Krebszellen des Patienten erkennen können.

Für den Erfolg der Tumorimpfung ist es entscheidend, dass der Impfstoff die richtigen Tumoreiweiße enthält, sodass das Immunsystem auch zu den Tumorzellen vordringt. "Das Konzept einer personalisierten Tumorimpfung wird schon seit ein paar Jahren verfolgt", sagt die Neurologin Ghazaleh Tabatabai von der Abteilung Neurologie mit Schwerpunkt Neuroonkologie am Universitätsklinikum Tübingen.

Noch keine klaren Ergebnisse

Einige klinische Studien mit unterschiedlich tiefer Personalisierung konnten bereits eine Immunantwort erzeugen. "Bisherige Phase-I-Studien haben etwaige Nebenwirkungen, die richtige Dosierung und die Stärke einer Immunantwort untersucht. Bei einem Impfstoff wurde ein Neoantigen verwendet, bei der zweiten Studie enthielt der Impfstoff maßgeschneidert für jeden Patienten bis zu zehn tumorassoziierte Antigene des Tumors", so Tabatabai. Es zeigte sich, dass beide Impfstoffe eine spezifisch gerichtete Immunantwort produzierten.

Für die klinische Praxis ist wichtig, dass der Impfstoff der zweiten Studie bei jenen Patienten, die wegen einer Hirnschwellung zugleich mit einem das Immunsystem unterdrückenden Kortisonpräparat behandelt wurden, keine ausreichende Immunantwort auslösen konnte. Die beiden Patienten, die kein Kortisonpräparat einnahmen, zeigten dagegen eine spezifisch gegen tumorassoziierte Antigene gerichtete Immunantwort.

Das Ergebnis könnte also auch bedeuten, dass eine Kortisontherapie vor einer Tumorimpfung die Wirksamkeit der Tumorimpfung beeinträchtigt. "Vor zwei Jahren ergab eine Phase-III-Studie mit einem Impfstoff gegen die sogenannte EGFRvIII-Mutation in den Tumorzellen allerdings keinen Überlebensvorteil durch die Vakzinierung", berichtet Tabatabai. Bisher nachgewiesen ist jedoch, dass es mit einer therapeutischen Impfung prinzipiell möglich ist, das Immunsystem gegen ganz bestimmte Tumoreigenschaften scharfzumachen.

Dendritische Tumorimpfung

Die Therapie befindet sich noch in einem experimentellen Stadium. "Möglicherweise bringt die Kombination der Impfung mit einer Krebsimmuntherapie mit sogenannten Checkpoint-Inhibitoren, die die Bremsen des Immunsystems lösen, den erhofften Erfolg", so Preusser. Die alleinige Immuntherapie mit diesen Checkpoint-Inhibitoren wirkt beim Glioblastom derzeit nur wenig.

Während bei der beschriebenen Impfung der Impfstoff bestimmte Tumoreiweiße enthielt, werden bei der dendritischen Impfung dendritische Zellen eingesetzt. Das ist eine spezielle Art von Abwehrzellen, die andere Immunzellen gezielt zur Immunabwehr aktivieren. Werden aus dem Blut isolierte dendritische Zellen im Labor mit den Tumorzellen zusammengebracht, kommt es zur immunologischen Prägung der dendritischen Zellen. Sie bringen nachfolgend anderen Immunzellen bei, woran sie Tumorzellen erkennen können.

"Studienergebnisse belegen für die dendritische Impfung, dass das Immunsystem tatsächlich aktiviert wurde. Eine klare Verlängerung der Überlebenszeit konnte aber nicht sicher nachgewiesen werden. Eine Analyse der Ergebnisse in Untergruppen deutet aber an, dass die Überlebenszeit in einzelnen Subgruppen länger sein könnte", sagt Onkologe Preusser. Eine Phase-III-Studie hierzu ist bereits am Start. (Gerlinde Felix, 20.11.2019)