Urlaubsziele sind vom Massentourismus geprägt, daran wird sich so bald nichts ändern, sagen Experten.

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Seit Jahrzehnten freut sich die Fremdenverkehrswirtschaft über gute Wachstumszahlen und zählt mittlerweile zu den größten Branchen und Arbeitgebern weltweit. Ist es damit in Zeiten von Klimawandel, Flugscham und Overtourism nun vorbei?

„Vorerst wird sich daran nichts ändern“, ist Harald Friedl, Lehrender für angewandte Tourismuswissenschaften an der FH Joanneum in Bad Gleichenberg, überzeugt. „Es gibt eine extreme Zunahme an Fluginfrastruktur, und auch die Kreuzschifffahrtsindustrie boomt.“

Ob sich daneben nicht auch ein Trend zum nachhaltigen Individualtourismus ausmachen lässt? „Die ökologischen und sozialen Auswirkungen einer Reise haben nichts mit dem Grad ihrer Organisatiertheit zu tun“, betont der Tourismusexperte. „Rucksacktouristen können mitunter üblere Spuren hinterlassen als ein Pauschalurlauber, dessen Destination entsprechend organisiert ist.“

Grüner Tourismus

Grundsätzlich haben sich zwar die unterschiedlichen Tourismusformen stärker ausdifferenziert, aber die Klammer bilden immer noch der Massentourist auf der einen Seite und der „drifter“, der alles selber checkt, auf der anderen. „Insgesamt sind die Umweltauswirkungen massiver geworden, weil in unserer mobilen Konsumkultur jeder unterwegs ist.“

Schlagwörter wie Tourismusethik und Nachhaltigkeit werden gern als Feigenblätter und Beschwörungsformeln eingesetzt. „Allerdings wächst die Gruppe jener Menschen, die sich ernsthaft darüber Gedanken machen.“

Grüner Tourismus werde deshalb an Bedeutung gewinnen, gleichzeitig sei die Branche aber nach wie vor zutiefst wachstumsorientiert. Zwischen All-inclusive-Cluburlauben und umweltschonenden Trekking-Touren werde man also auch immer mehr „grüne“ Reiseangebote finden.

Abhängigkeit vom Tourismus

Wie soll man sich als einigermaßen kritischer Reisekonsument nun verhalten? Auf Flugreisen verzichten und lieber auf dem Weitwanderweg nach Italien pilgern? „Würde man Flugreisen gänzlich abschaffen, hätten wir wahrscheinlich in vielen Regionen der Welt Unruhen, weil die dortige Wirtschaft oft völlig vom Tourismus abhängt“, so der Experte für nachhaltiges Reisen, der bereits einige Bücher zum Thema veröffentlicht hat.

„Bricht der Tourismus ein, fällt eine der wichtigsten Einkommensquellen aus.“ Also weitermachen wie bisher? „Natürlich muss sich etwas ändern, aber sinnvoller als Flugreisen zu verteufeln wäre es, die Menschen zu längeren Reisen zu motivieren, sodass man ein besseres Verhältnis zwischen der Länge eines Flugs und der Aufenthaltsdauer bekommt.“

Angesichts der massiven Zunahme von Kurzreisen ist hier wohl noch einiges an Bewusstseinsarbeit zu leisten.

Investitionen in Nachhaltigkeit

Als Buchautor und Lehrender geht es Friedl vor allem um die Unterstützung von Reisenden und Tourismusunternehmen bei ihrer Entwicklung in Richtung Nachhaltigkeit. „Mein Ansatz ist nicht die Drohung mit dem Weltuntergang durch Klimaerwärmung, denn das kann leicht zu Fanatismus oder Fatalismus führen.“

Er setze stattdessen auf Empowerment. So könnte man Betriebe etwa von der wirtschaftlichen Sinnhaftigkeit grüner Investitionen wie Photovoltaikanlagen etc. überzeugen. „Damit lassen sich mittelfristig nämlich nicht nur die Energiekosten senken, sondern auch umweltbewusste Gäste gezielt ansprechen.“

Selbst im Massentourismus werde heute vermehrt in Nachhaltigkeit investiert, ist der Experte überzeugt. Dieses Umschwenken erfolge allerdings nur durch massiven ökonomischen oder gesellschaftlichen Druck. „Das wichtigste Motiv für ein Umlernen ist immer Schmerz“, weiß Friedl.

Ungerechterweise spüren diesen Schmerz vor allem jene, die von der Tourismusindustrie am wenigsten profitieren. Etwa die Bewohner jener Orte, die regelmäßig von schwimmenden Megahotels oder Touristenbusflotten heimgesucht werden. Es ist ihr Schmerz, der Druck erzeugen und eine Veränderung bewirken kann. „In Venedig oder Hallstatt werden durch den Druck der Bevölkerung konkrete Maßnahmen getroffen.“

Schleppende Digitalisierung

Eine Aufforderung zum Lernen ist auch die fortschreitende Digitalisierung der Reisebranche, die vor allem kleine Betriebe vor große Herausforderungen stellt. „Mittlerweile bucht die Hälfte der Touristen online“, berichtet Mario Jooss, Leiter der Tourismusforschung an der FH Salzburg.

Als Experte für E-Tourism weiß er über die zentrale Rolle der neuen Medien in jeder einzelnen Reisephase bestens Bescheid. Von der Inspiration bis zum Buchen und Bewerten einer Reise läuft heute kaum noch etwas ohne das Internet mit seinen diversen Social-Media-Plattformen.

„In einem aktuellen Forschungsprojekt schauen wir uns an, welche digitalen Angebote Hotelgäste überhaupt nutzen und diese damit auch für die Unternehmen relevant machen.“ Die Untersuchung zeigte, dass etwa Youtube bei der Urlaubsvorbereitung und der Entscheidung für eine bestimmte Region große Bedeutung zukommt.

„Viele schauen sich entsprechende Videos an, bevor sie sich für einen Ort und ein Hotel entscheiden.“ Sehr wichtig für einen Tourismusbetrieb sind auch die Onlinebewertungen. „Zwei Drittel der Gäste lesen diese Kritiken, bevor sie sich für eine Unterkunft entscheiden.“

Die Betriebe müssen sich also darauf einstellen, dass sich öffentlich bekrittelte Mängel auf die Buchungszahlen auswirken. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, braucht es neben Qualität und Authentizität aber auch einen guten Webauftritt und Marketing.

Das erfordert entsprechendes Know-how, das noch nicht überall vorhanden ist. „Die meisten Ferienhotels haben zwar Internetseiten, doch nicht selten fehlen dort wichtige Funktionen wie etwa eine Buchungsmöglichkeit etc.“, weiß Mario Jooss. (Doris Griesser, 20.11.2019)