Die Muren erreichten in Teilen Tirols, Kärntens und Salzburgs gewaltige Dimensionen. Die Aufräumarbeiten wie hier in Muhr im Lungau werden Wochen dauern.

Foto: APA/Barbara Gindl

Der voll betankte Milchsammelwagen der Salzburger Molkerei, der langsam die kurvige Bergstraße vom Großarltal ins Pongauer St. Johann hinunterrollt, strahlt etwas von beruhigender Normalität aus: Nach den schweren Niederschlägen und den Murenabgängen vergangenes Wochenende ist im Großarltal die größte Gefahr gebannt.

Am Weg ins Großarltal hinein weist tatsächlich wenig darauf hin, dass bis Montagabend in dem 27 Kilometer langen Pongauer Tauerntal noch Zivilschutzalarm ausgegeben war. Ein paar durchnässte Wiesen, ein paar Lacken – Bilder, die man nach starken Sommergewittern auch kennt.

Ein Murenkegel in Hüttschlag am Ende des Großarltals.
Foto: Thomas Neuhold

Erst in der südlichen Talhälfte knapp nach der Ortschaft Großarl ändert sich das Bild schlagartig. Das Tal ist verwüstet, Schlammberge schieben sich an den Engstellen gefährlich nahe an den Straßenrand heran. Mächtige Baumstümpfe liegen daneben, vereinzelt schießen noch Bäche über die Fahrbahn. Kaum ein Talhang, der nicht von einer Mure umgepflügt worden ist.

Je weiter im Süden, desto größer werden die Schäden: Einzelne Gehöfte sind nur ganz knapp von den Muren verfehlt worden, dazwischen liegen Felsbrocken – teilweise in der Größe von Einfamilienhäusern. Sie stammen von einem mächtigen Felssturz von vor wenigen Wochen.

Zusammenhalt in verwüsteten Tälern

Einige Helfer der freiwilligen Feuerwehren aus umliegenden Tälern helfen den Bewohnern der verschlammten Gehöfte beim Aufräumen. Riesige Muldenkipper transportieren den ins Tal gerutschten Schlamm und Schutt ab. Dabei hat man im Großarltal noch einigermaßen Glück gehabt: In Kärnten ist ein Menschenleben zu beklagen, im benachbarten Gasteinertal haben die Muren ganze Häuser ineinandergeschoben und zerstört.

Der Weg ins Gasteinertal war beim STANDARD-Lokalaugenschein am Dienstag freilich noch versperrt. Eine Mure hatte die Salzachtalbundesstraße verlegt und teilweise zerstört. Damit ist eine der wichtigsten Ost-West-Straßenverbindungen Salzburgs voraussichtlich bis Donnerstag gekappt. Erkundungsflüge waren aber möglich: Im Gasteiner- wie im Raurisertal sind von den Landesgeologen hunderte abgerutschte Hänge gesichtet worden.

Salzburger Katastrophenjahr

Die Schneemassen im Jänner, Hochwasser und Muren im Sommer und nun die heftigen Unwetter haben Salzburg heuer bereits schwer getroffen. Der zuständige Landesrat Josef Schwaiger (ÖVP) spricht von einem Katastrophenjahr. 3500 Schadensfälle wurden heuer bereits an den Katastrophenfonds gemeldet und zehn Millionen Euro ausbezahlt.

Hangrutschungen in Hüttschlag im Salzburger Pongau haben für Verwüstungen gesorgt.
Foto: Thomas Neuhold

Hinzu kommen noch die aktuellen Schäden, die Schwaiger auf bis zu sieben Millionen Euro schätzt. Damit sei die Schadenssumme aus einer Nacht größer als in einem durchschnittlichen Jahr.

Nicht überrascht über das Ausmaß der Schäden zeigt sich der Salzburger Landesgeologe Rainer Braunstingl: „Hier zeigen sich die Sünden der Raumordnung“, wird Braunstingl in der Lokalbeilage der Salzburger Nachrichten zitiert. Es sei auf Murenkegel gebaut worden. Wenn solche Schwemmkegel, an deren Seite ein Bach fließe, komplett verbaut werden, suche sich das Wasser seinen Platz zwischen den Häusern.

Wie im Großarltal und im Gasteinertal, wo mit der Räumung der verlegten Talstraße von Hofgastein nach Bad Gastein Dienstagnachmittag begonnen werden konnte, hat sich auch die Lage im Lungau inzwischen stabilisiert. Nach und nach konnten gesperrte Straßen und evakuierte Häuser wieder freigegeben werden.

Dieser Hütte in Hüttschlag wurde unter dem Schlamm begraben.
Foto: Thomas Neuhold

Auch in Osttirol hat sich die Lage am Dienstag langsam normalisiert – obschon in der Nacht auf Dienstag in Dölsach erneut eine Mure abgegangen ist und zwei Wohnhäuser beschädigt hat. Verletzt wurde niemand. Am späten Nachmittag waren noch 350 Haushalte im Tauerntal und im Lesachtal ohne Strom und einige Straßen gesperrt. In Gaimberg wurden sieben Häuser evakuiert, nachdem ein instabiler Hang abzurutschen drohte. Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) schätzt die Schäden in Tirol auf zehn Millionen Euro.

Auf den Bergen blieb in Osttirol wie auch in Oberkärnten und in den Salzburger Tauern die Lawinengefahr im kritischen Bereich.

Lage in Kärnten angespannt

In Oberkärnten hat sich zwar die Hochwassersituation entspannt, es können jedoch noch jederzeit Muren abgehen. Stark betroffen war das Mölltal, wo auch zahlreiche Schulen geschlossen blieben. Mallnitz war weiterhin von der Außenwelt abgeschnitten und konnte nur aus der Luft versorgt werden. In Obervellach, Reißeck, Berg im Drautal sowie in Feld am See blieb der Zivilschutzalarm aufrecht. In der Nacht auf Dienstag wurde ein drei Jahre alter Bub aus Heiligenblut wegen eines Blinddarmdurchbruchs mit dem Hubschrauber ins Klinikum nach Klagenfurt geflogen. (Thomas Neuhold, Stefanie Ruep, 19.11.2019)