Die Siedlung Givat Zeev im Westjordanland, nahe Ramallah, dem Sitz der Palästinenserregierung.

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Sprachlich ist es eine zweifache Verneinung, mit der die USA ihren Segen zum israelischen Siedlungsbau im Westjordanland geben: Die Siedlungen seien „not inconsistent“, nicht inkonsistent mit dem Völkerrecht, nicht im Widerspruch dazu stehend. Was das nun genau in der Praxis heißt – ob die USA eine israelische Annexion, wie sie Benjamin Netanjahu im Wahlkampf versprochen hat, von Teilen des Westjordanlands prompt anerkennen würden –, ist aus dem US-Statement allerdings nicht klar herauszulesen. Es ist fraglich, ob es dazu schon eine klare politische Linie in Washington gibt.

Denn der Verdacht ist naheliegend, dass die Entscheidung Donald Trumps nicht nur mit seiner Unterstützung für Netanjahu zu tun hat. Er richtet sich damit auch an seine evangelikalen christlichen Wähler, die meist brennende Zionisten sind. Denn nur wenn das ganze historische Israel in jüdischer Hand ist, kann der Messias wiederkommen (der dann übrigens alle Juden bekehren wird).

Aber Israel können die evangelikalen Fantastereien egal sein. Denn auch wenn der Großteil der internationalen Gemeinschaft, darunter auch die EU, bei ihrer Meinung bezüglich des Status des Westjordanlands als „besetzt“ bleiben wird, so ändert die US-Neupositionierung dennoch die Wahrnehmung. Sie normalisiert den Blick auf die mehr als 400.000 jüdischen Siedler, die seit 1967 im Westjordanland angesiedelt wurden beziehungsweise schon dort geboren sind. Wenn man Ostjerusalem dazuzählt, sind es noch einmal gut 200.000 mehr.

Pragmatisch oder ideologisch

Während manche Israelis aus eher pragmatischen Gründen – wegen des günstigen Wohnraums etwa – ins Westjordanland ziehen, so sehen es andere, der ideologische Teil der Siedler, sozusagen als biblisches Geburtsrecht, nach Judäa und Samaria „zurückzuziehen“.

Israel hat jedoch auch eine rein rechtliche Erklärung parat, warum der Siedlungsbau nicht gegen die vierte Genfer Konvention von 1949 verstoßen soll: Diese untersagt es, in durch Krieg eingenommenes Gebiet Teile seiner Zivilbevölkerung zu transferieren. Israel hat das Westjordanland im Sechstagekrieg 1967 von Jordanien erobert, das es seinerseits im Zuge des israelisch-arabischen Kriegs 1948/1949 eingenommen hatte. Da die jordanische Souveränität über das Gebiet ebenfalls nicht international anerkannt war, argumentiert Israel, dass es sich beim Westjordanland eben nicht um das von Israel besetzte vorher souveräne Territorium eines anderen Staats handelt. Davor war das Westjordanland ja britisches Mandatsgebiet, danach gehörte es zu dem im Uno-Teilungsplan von 1947 den Palästinensern zugesprochenen Land – der jedoch von den Arabern abgelehnt wurde.

Nach dem Krieg 1967 verabschiedete der Uno-Sicherheitsrat einstimmig – also inklusive USA – Resolution 242, in der ein israelischer Rückzug verlangt wurde. Da aber in der englischen Fassung nicht von „den Territorien, die im jüngsten Konflikt besetzt wurden“, sondern nur von „Territorien“ die Rede ist, fand Israel auch hier Interpretationsspielraum.

Dass Trump der israelischen Argumentation folgt, ist keine Überraschung: Im Dezember 2017 erkannte er Jerusalem inklusive Ostjerusalem als Hauptstadt Israels an und verlegte in der Folge die US-Botschaft dorthin. Nach den Grenzen der israelischen Hauptstadt gefragt, vollführt die US-Diplomatie jedoch bisher einen Eiertanz: Die seien dann doch wieder in Verhandlungen zu entscheiden. Ähnlich ist es nun mit den Siedlungen im Westjordanland: Es handelt sich um ein prinzipielles Statement, aber keine Klärung von Grenzen.

Die „Trump-Höhen“

Klarer hingegen scheint die Sache beim Golan bzw. bei jenem Teil, den Israel 1967 von Syrien erobert und 1981 annektiert hat. Diese Annexion hat Trump im März 2019 – mitten in den israelischen Wahlkampf hinein – anerkannt. Praktische Auswirkungen hat dies bisher keine, außer dass eine neue Ortschaft auf dem Golan nun „Trump-Höhen“ heißt.

Trump ist der erste US-Präsident, der sich völlig von der Zweistaatenlösung für Israel und Palästinenser abgewandt hat. Die Position, dass die Waffenstillstandslinie, die von 1949 bis 1967 galt, die Basis für eine Friedenslösung sein sollte, hat jedoch schon Präsident George W. Bush aufgeweicht.

In Erwartung des unilateralen israelischen Abzugs aus dem Gazastreifen, bei dem ja auch Siedlungen entfernt wurden, fand 2004 ein Briefwechsel zwischen Bush und dem damaligen israelischen Ministerpräsidenten Ariel Sharon statt. Bush hält darin fest, dass es „unrealistisch“ sei zu erwarten, dass das Ergebnis von Verhandlungen mit den Palästinensern zu einem „völligen und kompletten Rückzug (Israels) zu den Waffenstillstandslinien von 1949“ führen würde. Allerdings war auch Bush damals noch der expliziten Meinung, dass dies auf Verhandlungswege zwischen Israel und Palästinensern zu akkordieren sei.

Als Barack Obama die 1967er-Grenze wieder als Basis für Verhandlungen nannte, entbrannte eine Diskussion über die Verbindlichkeit der Bush-Zusage für den nächsten US-Präsidenten: ohne Ergebnis. Diesmal ist es mehr als ein Brief. Aber wie es weitergeht, hängt nicht zuletzt davon ab, ob Trump 2020 wiedergewählt wird. (Gudrun Harrer, 19.11.2019)