Jörg Renkawitz beobachtet das Verhalten von Immunzellen.

Foto: Renkawitz

Durch den menschlichen Körper patrouillieren Milliarden von Immunzellen, um Krankheitserreger zu erkennen und auszuschalten. Dabei bewegen sie sich nicht nur durch den Blutstrom, sondern durch jede Art von Gewebe. Die menschliche Immunabwehr ist zwar gut erforscht, doch wie genau diese Zellen es anstellen, durch dichte Gewebestrukturen vorzudringen, ist noch nicht restlos geklärt.

Jörg Renkawitz konnte im Rahmen seines Postdoc-Studiums am Institute of Science and Technology (IST) in Klosterneuburg neue Erkenntnisse in dieser Frage gewinnen. In einer Studie, die im Fachjournal Nature veröffentlicht wurde, beschreiben Renkawitz und Kollegen, wie die Immunzellen passende "Schlupflöcher" identifizieren, um möglichst effizient durch das Gewebe zu manövrieren.

Renkawitz wurde dafür mit dem Life Science Research Award 2019 der Österreichischen Gesellschaft für Molekulare Biowissenschaften und Biotechnologie (ÖGMBT) ausgezeichnet.

Klettergerüst

"Die Immunzellen wandern durch dichte Strukturen aus extrazellulärer Matrix und ortsständigen Zellen", erklärt der Wissenschafter. "Man kann es mit einem komplexen Klettergerüst vergleichen." Um das Verhalten der Immunzellen zu beobachten, haben die Wissenschafter dieses "Klettergerüst" in der Nanofabrication Facility des IST – einem Labor, das auf Nanokonstruktionen spezialisiert ist – nachgebaut.

"Die künstliche 3D-Umgebung weist Poren in unterschiedlichen Größen auf, durch die sich die Zellen ,durchquetschen‘ können", beschreibt Renkawitz. "Es ist eine vereinfachte Imitation von Körpergewebe, die jenem der Haut aber durchaus ähnlich ist."

Es ist bekannt, dass manche Zelltypen Tunnel durch das Gewebe bohren, indem sie das Material vor sich regelrecht "wegverdauen". Doch die Strategie der Immunzellen sieht anders aus, erwies sich bei den Experimenten von Renkawitz und Kollegen: "Wir konnten zeigen, dass die Immunzellen bei ihrer Wanderung den Weg des geringsten Widerstands gehen", resümiert der Forscher. "Sie vermeiden Lücken, durch die sie nicht oder nur schwer hindurchkommen würden."

Es erinnert ein wenig an die Strategie einer Katze, die mit ihren Schnurrhaaren die Breite eines Durchgangs erspürt, wenn die Zelle testet, ob sie durch eine Pore passt: "Wir haben herausgefunden, dass die Zelle ihren Kern – also ihr steifestes Organell – nach vorne schiebt, um damit die Durchgängigkeit einer Lücke zu überprüfen", schildert der Wissenschafter.

Nützlich für die Krebsforschung

Die Erkenntnisse könnten für die Krebsforschung von Nutzen sein – sowohl bei der Rolle des Immunsystems in diesem Zusammenhang als aus bei der Untersuchung der Ausbreitung von Tumoren im Körper.

Der 1983 in Heidelberg geborene Forscher studierte Biochemie an der LMU München und der TU München. Bereits in seiner Masterarbeit ging es um Zellmigration. Renkawitz folgte Michael Sixt, seinem Betreuer von damals, an eine Postdoc-Stelle am IST.

Mittlerweile ist Renkawitz mit seiner Familie wieder in München, wo er eine Professur am Biomedical Center Munich (BMC) hält. Wie sieht die Freizeit abseits der Biomedizin aus? Renkawitz: "Ich habe zwei kleine Buben im Alter von fünf und acht, mit denen ich viel unternehme." (Alois Pumhösel, 25.11.2019)