"Tourismus ist ressourcenintensiv, ob Sie nun low budget oder first class fliegen", sagt Sonu Shivdasani.

Foto: iStock

Was tun, wenn das Reiseziel des Begehrens ausschließlich mit dem Flugzeug zu erreichen ist? Das haben wir Sonu Shivdasani, einen 53-jährigen Briten indischer Abstammung, gefragt. Seit der Eröffnung seines ersten Soneva-Resorts auf den Malediven im Jahr 1995 gilt er als einer der Erfinder des Luxus-Ökotourismus.

In seinen Häusern wird viel Plastik vermieden, kaum Tropenholz verbaut – und eine Umweltabgabe eingehoben, die in eine Stiftung wandert. Mit dem Geld werden Aufforstungen oder andere Ökoprojekte in den Tropen finanziert.

Mittlerweile hat Shivdasani auf den Malediven ein zweites Resort eröffnet und ein weiteres in Thailand. Dort, auf der Insel Koh Kut, haben wir ihn zum Gespräch getroffen. Er trägt einen schlichten Leinenanzug, redet wahnsinnig gern über Biokraftstoffe und fragt als Erstes: Haben Sie schon die Mülltrennungsanlagen besucht?

STANDARD: Herr Shivdasani, was ist für Sie Luxus?

Sonu Shivdasani: Sechs Wochen mal nicht in ein Flugzeug zu steigen. Zum Beispiel wenn meine Frau und ich über Weihnachten und Neujahr auf unserer Hotelinsel in den Malediven bleiben.

STANDARD: Sie haben dort 1995 das erste Öko-Luxusresort der Welt eröffnet: Soneva Fushi. Gäste wie Madonna, Gwyneth Paltrow und Paul McCartney haben dort übernachtet.

Shivdasani: Wir sind 1987 zum ersten Mal auf die Malediven geflogen. Die Inseln fanden wir traumhaft, die Hotels grausam. Es gab nur Ein- oder Zwei-Sterne-Unterkünfte, Plastikstühle, Neonleuchten und Dosenessen. Die Hotels pumpten ihr Abwasser direkt ins Meer und beschädigten die Korallenriffe.

STANDARD: Da haben Sie gedacht: Mit einem schönen Fünf-Sterne-Resort kriegen wir das besser hin.

Shivdasani: Überhaupt nicht. Wir wollten nur eine kleine Insel pachten, um dort ein Haus zu bauen. Die Behörden lehnten jedoch ab. Man darf als Ausländer nur etwas mieten, wenn das Unternehmen touristisch tätig ist.

STANDARD: Sie wurden Hoteldirektor aus Versehen?

Shivdasani: Ja, es gab keine andere Möglichkeit, die Insel zu bekommen.

STANDARD: Für Soneva haben Sie ein Konzept des intelligenten Luxus entwickelt. Sie bauen Duschen unter Palmen, Bäder im Freien und fordern Ihre Gäste auf, barfuß zu gehen. Eigentlich nehmen Sie dem Luxus seinen Glamour.

Shivdasani: Ist das nicht veraltet, dass Luxus Glamour bedeutet?

STANDARD: Wie hat sich die Idee vom Luxus denn verändert?

Shivdasani: Vor 30 Jahren besaß er noch eine ländliche Note – er war denjenigen vorbehalten, die ein Schloss oder ein Landgut unterhielten. Inzwischen hat sich das Bild verstädtert. Von Ausritten am Morgen und Fischen am Nachmittag, von frischer Luft und viel Platz für den Einzelnen hin zu weniger Raum in akklimatisierten Apartments in London, Paris oder Schanghai. Im Grunde lebt man wie in Boxen.

STANDARD: Bei Ihnen kann man hingegen Villen mieten.

Shivdasani: Aber wenn man ein Jahr in einer Villa bei uns lebt, hat der Aufenthalt auch den Nimbus der Einzigartigkeit verloren.

STANDARD: Zu oft die Wasserrutsche vom Schlafzimmer im ersten Stock in den Pool runtergerutscht …

Shivdasani: … oder barfuß durch den Sand gelatscht. Und plötzlich wird es wieder ein Luxus, die englischen Oxfordschuhe anzuziehen und zum Abendessen in die Stadt zu fahren.

STANDARD: Ihre Hotels sind aber trotzdem für das Motto "No shoes, no news" bekannt.

Shivdasani: Ich finde es toll, wenn Menschen zu uns kommen und die teuren Anzüge, Schuhe oder Kleider zu Hause lassen. Den Gästen, die sich im Urlaub aufbrezeln möchten, sagen wir: Tragt doch Shorts! Beobachten Sie mal, wie leicht man sich in Shorts an der Bar unterhält. Weil alle in kurzen Hosen gleich sind. Und ohne Schuhe ist ein Gespräch offener, als wenn alle Anzug tragen.

STANDARD: Gäste wie Gwyneth Paltrow und Madonna haben sich deshalb unter die anderen Urlauber gemischt?

Shivdasani: Als Madonna 2007 kam, hat sie mit den anderen Gästen ganz entspannt gesprochen. Ihr damaliger Ehemann, der Regisseur Guy Ritchie, besucht uns seitdem öfter. Er sitzt gern an der Bar, trinkt und redet mit anderen Gästen.

STANDARD: Wovon hängt es ab, ob jemand Ihren "intelligenten Luxus" schätzt?

Shivdasani: Auf welchem Wohlstandsniveau er sich befindet. Es gibt fünf Stufen. In der ersten häuft man ein Vermögen an und erwirbt damit Status – nur noch Premier-Cru-Weine, nur noch Suiten im Hotel Burj Al-Arab in Dubai. Auf Stufe zwei erwirbt man Geschmack, kauft einen Bentley, einen besonderen Anzug. Die Reichen der dritten Stufe suchen Erlebnisse. Ihre Garage ist voll, nun wollen sie wilde Tiger sehen und auf den Mount Everest steigen. Auf den letzten beiden Stufen geht es darum, wofür ein vermögender Mensch einstehen möchte. Er setzt das Geld für gute Zwecke ein, was Bill Gates und Warren Buffett vorleben. Unser typischer Gast ist in der Stufe drei bis fünf, da sehe ich mich auch.

STANDARD: Diese Milliardäre finden Ihr recyceltes Wasser wichtiger als den Komfort des Bettes?

Shivdasani: Nachhaltigkeit allein füllt unsere Zimmer nicht. Erst wenn alles andere stimmt, der Service, das Essen, ist sie das I-Tüpferl. Besonders europäische Gäste, aus Deutschland oder Großbritannien, legen darauf Wert. Sie identifizieren sich mit dem Gedanken, der Umwelt zu helfen, und wissen bereits viel über die Zerstörung des Planeten.

STANDARD: Was denken Gäste aus anderen Regionen?

Shivdasani: In bestimmten asiatischen Märkten ist das Gegenteil der Fall: in Indien, China, dem Nahen Osten. Wenn ich zu sehr die Nachhaltigkeit betone, denken einige Gäste, oh Gott, bei uns gibt es keine Klimaanlage. Natürlich haben wir eine, sie soll nur nicht die ganze Zeit an sein. Wir wollen die Zimmer nicht wie einen Eiskasten vorkühlen.

STANDARD: Für solche Erfahrungen können die Gäste in die Skihalle von Dubai. Ein Beispiel für intelligenten Exzess?

Shivdasani: Na ja, offensichtlich nicht. Genauso wenig wie der Plastikwahn in vielen Hotels. Duschgel, Shampoo, Creme, alles in kleinen Wegwerfartikeln. In Europa denken einige Staaten darüber nach, Plastiksackerln zu verbieten. Und die Hotelbranche verwendet das Material, als gebe es keine Alternative. Wir füllen unser selbst aufbereitetes Trinkwasser lieber in Glasflaschen ab. Damit sparen wir Tonnen von Plastikmüll. Sehen Sie sich mal um in unserem Restaurant auf Koh Kut. Sie werden kaum Tropenholz finden. Die großen Pfeiler in der Mitte stammen von einem alten Teakhaus in Chiang Mai, die Bohlen sind Sperrholzreste aus verlassenen Gebäuden. Wir setzen auf Eukalyptus, sandgestrahlter Kiefer, Bambus, alles schnell nachwachsende Bäume. Niemand muss den Regenwald für seine Rezeption kahlschlagen.

STANDARD: Zum Glück gibt es Abholzverbote für Tropenwälder.

Shivdasani: Und wer hält sich bitte daran? In den Tropen sind viele Beamte korrupt.

STANDARD: Ihr Stammsitz liegt auf den Malediven, politisch auch umstritten. Der Staat hatte mal die größte Anzahl von IS-Kämpfern, gemessen an der Einwohnerzahl.

Shivdasani: Wo gibt es in den Tropen stabile Regierungen, die keinen Dreck am Stecken haben und demokratisch gewählt sind? Denken Sie an Thailand, wir haben eine Militärregierung an der Macht. In den Philippinen regiert mit Rodrigo Duterte ein schräger Präsident, der Donald Trump verehrt.

STANDARD: Trump hat den Klimavertrag von Paris aufgekündigt. Spinnt er?

Shivdasani: Ich glaube an eine höhere Instanz im Universum. Das Pendel wird nun auf die andere Seite ausschlagen. Medienmogul Michael Bloomberg hat angekündigt, die Ausgleichszahlungen für die USA zu leisten, und der Gouverneur von Kalifornien will sich dem Diktat aus Washington nicht beugen. Auf eine verrückte Art sehe ich Trumps Entscheidung als positiv an. Die Menschen hatten Paris schon vergessen – jetzt sind sie wieder sensibilisiert.

STANDARD: Mit Umweltthemen wurden Sie erst vertraut, als Sie in den 1980er-Jahren Ihre jetzige Frau Eva, ein schwedisches Fotomodell, kennenlernten.

Shivdasani: Sie hat mir Artikel aus Zeitungen ausgeschnitten, die ich lesen sollte. Aber in Oxford, wo wir damals lebten, sah ich auch mit eigenen Augen, wie die Natur verschandelt wurde. Für Margret Thatcher stand die Privatisierung an oberster Stelle. Aus grünen Tälern wurden Viertel mit hässlichen Reihenhaussiedlungen. Das hat mich sensibilisiert.

STANDARD: Auch auf Ihren Reisen? Wohin fahren Sie, wenn Sie nicht in den Tropen sind?

Shivdasani: Jeden Winter in die Dolomiten, um Ski zu fahren. Es ist drei Grad kälter als in Vorarlberg, wo wir früher waren, ein wichtiger Faktor für die Schneesicherheit in Zeiten des Klimawandels.

STANDARD: Das Umweltfreundlichste ist aber wohl, einfach zu Hause zu bleiben.

Mit der Umweltabgabe, die Sonu Shivdasanis Gäste entrichten müssen, hat die Soneva-Stiftung unter anderem 500.000 Bäume in Thailand gepflanzt.
Foto: Soneva

Shivdasani: Tourismus ist ressourcenintensiv, ob Sie nun low budget oder first class fliegen. Ich glaube jedoch fest daran, dass Tourismus die Welt positiv verändert. Er stoppt Kriege, weil Menschen ein Verständnis von anderen Kulturen bekommen. Er hilft dem Naturschutz, wie wir an den Wildreservaten in Afrika sehen. Oder auf den Malediven. Seitdem mehr Reisende kommen, gibt es ein Gesetz, das die Jagd auf Meeresschildkröten und Haie verbietet, die Riffe werden besser geschützt. Ich halte das für einen Fortschritt.

STANDARD: Um zu Ihnen zu gelangen, muss man den schlimmsten Umweltsünder von allen nehmen: das Flugzeug.

Shivdasani: Deshalb veranschlagen wir zwei Prozent des Übernachtungspreises als Umweltabgabe. Das Geld wandert in eine Stiftung. Damit haben wir bereits Urwälder in der Nähe von Chiang Mai aufgeforstet und Tausende von Elektroherden in Myanmar installiert. Bis dahin hatten die Menschen Holzkohleöfen benutzt. Das war schlecht für ihre Gesundheit und die Umwelt. Einige Burmesen gaben 30 Prozent ihres Einkommens für Feuerholz aus. Das haben wir teilweise ändern können.

STANDARD: Als junger Mann waren Sie ein kleiner Umweltsünder.

Shivdasani: Damals haben mich alte Autos fasziniert. Während meiner Studienzeit habe ich mir zum Preis, den ein brandneuer Golf GTI kostete, einen alten Porsche 911 RS gekauft.

STANDARD: Warum mussten es eine Benzinschleuder sein?

Shivdasani: Ich lebte vom sechsten bis zum achten Lebensjahr auf einer Farm in Nigeria. Mein Vater brachte mir mit sieben Jahren das Autofahren bei. Das prägt mich bis heute.

STANDARD: Sind Sie immer mit dem Auto in die Schule gefahren?

Shivdasani: Ich hatte meinen Esel, auf dem ich dorthin geritten bin.

STANDARD: Ihr Vater war ein indischer Kaufmann und Banker. Ab dem 13. Lebensjahr schickte er Sie auf das renommierte Eton College. Worauf hat Sie die Schule vorbereitet?

Shivdasani: Ich lernte Disziplin, mit anderen Menschen zusammenzuleben und eigenständig zu arbeiten. Viele der Schüler waren ehrgeizig. Sie hatten schon eine klare Vorstellung davon, etwas in ihrem Leben erreichen zu wollen.

STANDARD: Was hat Ihnen Eton über Nachhaltigkeit beigebracht?

Shivdasani: Nichts, das war kein Thema in den frühen 80er-Jahren in England. Aber es gab eine Menge Clubs für Schach, Schießen, Backgammon, Kunst. Ich spielte Racquetball, Tennis und Squash. Eine Zeitlang war ich in der Theatergruppe, in der wir ausgedachte Sketche übten.

STANDARD: Anschließend haben Sie Literatur in Oxford studiert. Welche Werke haben Sie beeinflusst?

Shivdasani: Ich liebe die Komödien von Shakespeare, die weiblichen Helden darin sind unübertroffen. Und natürlich Robinson Crusoe. Eva und ich wollten genau solch ein einsames Inselerlebnis erschaffen.

STANDARD: Nur dass man dafür in ein Flugzeug steigen muss. Besitzen Sie inzwischen einen Privatjet?

Shivdasani: Nein. Eines Tages vielleicht, wenn wir endlich nur noch Biotreibstoffe für Flugzeuge benutzen. Ich habe das Gefühl, dieser Tag ist gar nicht mehr so weit entfernt. (Ulf Lippitz, RONDO, 3.12.2019)