Ex-Burgtheater-Direktor Matthias Hartmann (links) und die Angeklagte Silvia Stantejsky (Mitte) sahen sich vor Gericht wieder.

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Obwohl für die Finanzmisere am Burgtheater die Dramenform Tragödie treffend wäre, hielt der kurz vor Abschluss stehende Strafprozess in der Causa auch komödiantische Momente bereit: „Im Theater sind ja alle Menschen im ambivalenten psychischen Bereich. Sonst machen die das doch gar nicht“, gestand Ex-Burg-Direktor Matthias Hartmann am Dienstag im Zeugenstand, und sorgte damit für Erheiterung im Verhandlungssaal 203 des Wiener Landesgerichts. Denn wenn eines in dem bisher viertägigen Prozess deutlich wurde, dann dies, dass sich die Welt der Künstler mit jener der Buchhalter nicht unbedingt glänzend verträgt.

Im Fall der Angeklagten, der früheren kaufmännischen Geschäftsfüherin der Burg, Silvia Stantejsky, scheint längst klar, dass sie die Sorgen der Künstler und Angestellten weit über die buchhalterische Sorgfaltspflicht gestellt haben dürfte. Seit 1980 am Theater beschäftigt, galt sie über Jahrzehnte als Kummerkasten des Betriebs. Sechzehnstundentage, Nacht- und Wochenendarbeit, und doch türmten sich weiter die Zettel auf dem Schreibtisch.

Psychische Erkrankung

Unter dem Druck, das nach Ansicht seiner Geschäftsführer seit Jahren finanziell unterdotierte Staatstheater auf Kurs zu halten, ging irgendwann nichts mehr: Stantejsky erkrankte psychisch, war ab 2010 in Behandlung, und arbeitete dennoch weiter. Ab 2013 wurde dann Stück für Stück bekannt, dass sich in den Bilanzen ein Verlust von knapp 20 Millionen Euro summiert hatte – unbemerkt von der übergeordneten Bundestheaterholding, vom Aufsichtsrat, den Wirtschaftsprüfern und Stantejskys Co-Geschäftsführer Matthias Hartmann.

Ab wann die Bilanzen nicht mehr stimmten, wird aktuell nicht verhandelt, denn nachgeprüft wurde rückwirkend nur bis ins Jahr 2008, dem Jahr der Übernahme Stantejskys. Vor Gericht deutete einzig Hartmann an, dass die Misere früher begonnen haben könnte. Ein Rechnungshofbericht, der bis zur Ausgliederung aus der Staatsverwaltung im Jahr 1999 zurückgehen soll, ist zwar noch ausständig – Stantejsky macht man nach Einstellung der Ermittlungsverfahren gegen Hartmann und Ex-Holdingchef Georg Springer dennoch den Prozess. In Teilen ist sie nämlich geständig.

Stantejsky bestreitet nicht, Bargeld aus der Hauptkassa der Burg (30.000 Euro) entnommen zu haben, um diese für eigene Zwecke zu verwenden. Sie gab auch zu, sich an Hartmann und dem Regisseur David Bösch zugedachten Honoraren (163.000 bzw. 185.000 Euro) bedient zu haben.

"Beschönigung", "Fehldarstellungen"

Allerdings begründet sie dies damit, dass sie in der angespannten Finanzsituation über die Jahre private Auslagen von bis zu 300.000 Euro in die Burg gesteckt habe, die sie sich dann zurückholen habe wollen. Eine Argumentation, die sie nicht lückenlos belegen kann. Sowohl bei Hartmann, der in Teilen bereits entschädigt wurde, als auch bei Bösch, der um sein nie erhaltenes Honorar wegen Verjährung umfallen könnte, entschuldigte sich Stantejsky unter Tränen.

In den ihr zur Last gelegten Delikten der Untreue und Veruntreuung scheint eine Verurteilung – bis dahin gilt die Unschuldsvermutung – unausweichlich. Nicht geständig zeigt sie sich aber zum Vorwurf der Bilanzfälschung. Sie habe zwar die finanzielle Lage beschönigt und „Fehldarstellungen“ vorgenommen, meinte Stantejskys Verteidigerin Isabell Lichtenstrasser. Stantejsky sei es aber darum gegangen, „die miese finanzielle Lage des Burgtheaters zu bewältigen“ und die Vorgabe der Holding nach einer schwarzen Null in der Bilanz umzusetzen.

Während Hartmann vor Gericht schilderte, wie undurchsichtig er Stantejskys Zahlenwerk empfand, hielt der mittlerweile pensionierte frühere Holdingchef Georg Springer teils überraschend deutlich zur Angeklagten: Er beschrieb sie als „kompetentes, fachlich hervorragendes, Arbeitstier“, allerdings auch als "delegationsfeindlich bis zum Exzess". Sie hätte demnach mehr Arbeit abgeben müssen und habe "zu oft 'ja' und zu wenig oft 'nein' gesagt".

Schwarze Null ohne Vorgaben

Dass er als Holdingchef in Kenntnis der als unzureichend empfundenen staatlichen Subvention Jahr für Jahr dennoch eine schwarze Null gefordert hatte, bestritt er nicht, das sei schließlich Aufgabe des Holdingchefs. Springer betonte aber auch, dass sich die Forderung nur auf das Planbudget bezogen habe und nicht auf die Jahresabschlüsse. Man habe zwar Wert auf eine ausgeglichene Bilanz gelegt, dem Burgtheater aber "ganz bewusst keine Vorgaben gegeben und ausdrücklich betont, es bleibt euch überlassen, ob ihr das über die Ausgaben oder die Einnahmen macht".

Klar wurde aus Springers Aussagen: Die in den Jahren der Misere zuständigen Minister hatten sich in der Frage, entweder die Subvention zu erhöhen oder den künstlerischen Auftrag zu reduzieren, für weitgehende Untätigkeit entschieden. Während Ex-SP-Ministerin Claudia Schmied nicht als jemand in die Geschichte habe eingehen wollen, "der Theater schließt", habe es aus dem VP-geführten Finanzministerium immer geheißen: "Wenn ihr aufhört, Konzern zu spielen und anfängt, einer zu sein, werdet ihr sehen, dass genug Geld da ist" – Effizienz, die man offenbar nur im Versagen der Kontrollorgane erreicht hatte.

Der Prozess wurde am Dienstag auf 27. Jänner vertagt. Stantejsky drohen bis zu zehn Jahre Haft. Ihre Verteidigung plädiert aufgrund der psychischen Erkrankung auf verminderte Schuldfähigkeit. (Stefan Weiss, 19.11.2019)