Ab Winter gibt es an der Universität Wien Doktratsschulen. Bis zum Studienjahr 2020 sollen ihnen zirka die Hälfte der Doktoranden angehören.

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Wer an der Universität Wien promovieren wollte, dem wurden bis vor kurzem eingangs nur wenige Steine in den Weg gelegt. Jeder mit einem Master konnte sich inskribieren – weitere Voraussetzungen oder ein Auswahlverfahren gab es nicht.

Die Folge: viele Doktoranden, wenige Abschlüsse. Bis 2017 schrieben sich laut dem Vizerektorat jährlich etwa 1500 für ein Doktorat ein, von denen aber nur etwa 500 abschlossen. Auch die durchschnittliche Studiendauer war mit knapp fünf Jahren erheblich länger als die vorhergesehenen drei Jahre. Um hier Besserung zu schaffen, wurde das Doktorat in den letzten zehn Jahren zunehmend strukturierter. So ist es seit 2009 Pflicht, im ersten Jahr eine Projektskizze zu erstellen und eine Betreuungszusage einzuholen. Seit 2017 werden in den Lehrplänen Zugangsregelungen eingeführt, wo nun ähnliche Anforderungen bereits zur Inskription vorliegen müssen.

Wie der Vizerektor für Forschung und Internationales, Jean-Robert Tyran, im Juli sagte, soll es dadurch eine höhere Verbindlichkeit geben und die Zahl der Doktoranden besser reguliert werden. Es werde eine Abschlussquote von 80 Prozent angestrebt: Jährlich sollen circa 700 Zulassungen 550 Abschlüssen gegenüberstehen. So wolle die Uni im Gegenzug mehr Verantwortung für die Doktoranden übernehmen und für besseren Service und Finanzierung sorgen. Das soll durch sogenannte Doktoratsschulen geschehen, die ersten gehen schon diesen Winter an den Start. Der Unterschied zum bisherigen System: Die Doktoranden schreiben nicht mehr im stillen Kämmerchen, sondern sind enger betreut, tauschen sich in den Schulen aus.

Internationaler Trend

Damit folgt die Uni Wien einem internationalen Trend: Im angelsächsischen Raum sind die Schulen schon lange üblich, auch in der Schweiz und Deutschland haben sie sich in den vergangenen Jahren durchgesetzt. In manchen Fächern gab es sie bereits an der Uni Wien, nun soll ein einheitlicher Rahmen geschaffen werden.

"Mittelfristig sollen die Schulen möglichst allen unseren Doktoranden eine Heimat bieten", sagt Lucas Zinner, Leiter des Forschungsservice und der Nachwuchsförderung an der Uni Wien. Man wolle ein Arbeitsumfeld schaffen, "das den kollegialen Austausch fördert und die Bedingungen der Betreuungssituation verbessert". Für die Finanzierung wurde das seit 2013 bestehende Förderprogramm "uni:docs" für exzellente Doktoranden gestrichen. Diese Mittel und jene von bestehenden Schulen werden von der Uni in den neuen Schulen gebündelt und auf circa acht Millionen Euro jährlich verdoppelt. "Das ist europaweit bemerkenswert, vielerorts wird eher gespart", sagt Zinner.

Die Fakultäten können die Schulen beim Rektorat beantragen. Die Schulen können dezentral über ihre Struktur und Leistungen entscheiden und dabei aus ihrem Budget fachspezifische Angebote machen. Etwa Gastprofessoren einladen, Forschungsaufenthalte im Ausland finanzieren oder Soft-Skills-Seminare veranstalten. In den nächsten Jahren sollen die Schulen die Uni in ihrer gesamten fachlichen Breite abdecken, bis zum Studienjahr 2020 sollen ihnen zirka die Hälfte der Doktoranden angehören. Zinner schätzt, dass langfristig bis zu 20 Schulen entstehen werden. Diese könnten auch fächerübergreifend sein, wie etwa die bestehende für Kognitionswissenschaften, in der Psychologen und Naturwissenschafter forschen.

Auch Förderung kleiner Fächer

Dass mit der Einstellung von uni:docs eine der wenigen Förderungen für kleine Fächer und Themen wegfallen könnte, fürchtet Zinner nicht: "Was sich mit uni:docs fördern lässt, kann und soll auch in den Schulen gefördert werden." Die Ausrichtung gebe keine Inhalte vor: "Schulen sollen etwa zu Physik und nicht zu weicher Materie entstehen." Die Ausschreibung und Bewerbung von Stipendien erfolgten nicht mehr, wie bei uni:docs, zentral, sondern an den Schulen und Fakultäten. "Nicht jeder wird mit der Aufnahme in die Schule auch ein Stipendium erhalten, aber deutlich mehr als bisher."

Dass so zu viele Doktoranden gefördert werden, die nach dem Abschluss keine Stelle an der Uni erhalten und abwandern, glaubt Zinner nicht: "Die Schulen sollen die Doktoranden besser auf den Arbeitsmarkt vorbereiten." Laut ihm arbeiten etwa 80 Prozent der Promovierten nicht in der Wissenschaft, sondern in der Wirtschaft. (Miguel de la Riva, 26.11.2019)