Traditionell rittern nur Männer um das Kreuz, bis Petrunya mitmacht.

Foto: Polyfilm

In dem Flecken Štip in Nordmazedonien gibt es ein alljährliches Ritual, bei dem ein Priester ein Kreuz von einer Brücke in einen nicht unbedingt reißenden, aber beißend kalten Fluss wirft. Männer in unterschiedlich entblößter Gestalt springen hinterher und versuchen, das Kreuz an sich zu bringen, denn es bringt Glück. In Wahrheit ist es aber ein Kreuz mit dem Kreuz. Das macht Teona Strugar Mitevska mit ihrem Film Gott existiert, ihr Name ist Petrunya deutlich. Die Heldin mit besagtem Namen, die 32 Jahre alte Petrunya Eftimovski, ist als Identifikationsfigur zuerst einmal nicht nach Schema gewählt: eine 32 Jahre alte, übergewichtige, arbeitslose Historikerin, deren Lebenseinstellung man als patzig beschreiben könnte.

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Wie es der Zufall (oder der Gott namens Petrunya?) haben will, springt Petrunya mit den Männern in den Fluss und erwischt das Kreuz. Damit bringt sie die Gesellschaft in ihrem eher traditionell ausgerichteten Land ordentlich durcheinander. Die Polizei nimmt sie – und vor allem das Kreuz – in Gewahrsam. Eine Fernsehreporterin mit modernen Ansichten nimmt sich der Sache an und liefert auch die einschlägigen Stichworte: Mittelalter und Patriarchat.

Im Februar hatte Gott existiert, ihr Name ist Petrunya im Wettbewerb der Berlinale Premiere, nun kommt er ins Kino: eine Geschichte aus einer Gegend in Europa, in der ein wenig Fortschritt nicht schaden würde. Teona Strugar Mitevska deutet an, dass ihre Parabel letztlich nicht so sehr auf die Religion als auf die Korruption in ihrem Land zielt. In jedem Fall schafft sie es, mit einer guten Hauptdarstellerin und einer geschickten Dramaturgie den Doppelsinn einer religiösen Behauptung herauszuarbeiten: „Das ist mein Kreuz.“ (Bert Rebhandl, 20.11.2019)