Gegen Postenschacher hilft nur ein radikaler Ansatz, so der Rechtsanwalt Georg Krakow. Im Gastkommentar macht er sich für mehr Transparenz stark. Lesen Sie zur Causa Casinos auch Gastkommentare von Heidi Glück und Peter Doralt.

Die Causa Casinos empört: Das, was da scheibchenweise an die Öffentlichkeit dringt, dokumentiert ein Sittenbild, das vor Jahrzehnten als „Proporz“ begonnen und anscheinend noch immer nicht aufgehört hat. Mangels Mehrheit an den Casinos brauchte man nicht nur einen Koalitionspartner, sondern auch einen privaten Miteigentümer, der bei der Bestellung des präferierten Vorstandskandidaten mitspielt. Was üblicherweise nur ungustiös ist, ist in diesem Fall auch strafrechtlich interessant. Ein Deal Lizenzvorteile gegen Vorstandsposten (und möglicherweise Zuwendungen) wäre wohl ein Fall für das Korruptionsstrafrecht. Zur Vergabe der Lizenzen ist es bislang jedenfalls noch nicht gekommen – aber auch schon das Versprechen würde für den Tatbestand genügen.

Der strafrechtliche Ball liegt nun bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft. Der Fall gehört ganz unabhängig von politischen Farben ordentlich untersucht – das kann die WKStA. Wir sollten daher bei der Frage einer strafrechtlichen Verantwortung weder vorverurteilen noch uns zurücklehnen.

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Das beste Blatt bei staatsnahen Postenbesetzungen haben oft nicht die Geeignetsten.
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Schaden für das Land

In der Zwischenzeit sollten wir aber mit aller Entschlossenheit darüber diskutieren, wie wir endlich solche und ähnliche Praktiken bei der Besetzung von Führungspositionen bei öffentlichen Unternehmen abstellen. Auch wenn der Proporz nicht mehr so wie in den 60er-Jahren offen praktiziert wird, zeigen veröffentlichte Chatverläufe auf, dass ähnliche Absprachen immer noch praktiziert werden.

Funktionen, die die öffentliche Hand zu besetzen hat, sind streng nach Qualifikation und ohne Rücksicht auf ein Parteibuch oder ein sonstiges Naheverhältnis zu besetzen. Dass man das immer noch extra aussprechen muss, ist schlimm. Wie immer dieser Fall rechtlich ausgeht – für das Land, den Wirtschaftsstandort und unsere Gesellschaft ist schon ein Schaden entstanden.

Verpflichtende öffentliche Ausschreibungen oder die Vorschaltung von Personalberatern haben in der Vergangenheit nur wenig gebracht: Zu wenige Top-Manager setzen durch eine aussichtslose Bewerbung die Entscheidungskommission unter Druck. Will man wirklich qualifizierte Führungskräfte finden, bieten auch öffentliche Hearings allein in den meisten Fällen keine Abhilfe, denn Top-Leute lassen sich ungern am Nasenring durch die mediale Arena zerren.

Publizität erhöht Druck

Trotzdem ist Transparenz der Schlüssel für sauberere Besetzungen. Die Steuerzahler sollten nachlesen können, aus welchen Gründen ein Bewerber ausgewählt wurde. In einer detaillierten schriftlichen Beurteilung sollte das Entscheidungsgremium nicht nur festhalten müssen, welche Qualifikationen und Vorerfahrungen für den ausgewählten Kandidaten gesprochen haben, sondern auch, wer wie abgestimmt hat.

Diese Publizität hätte präventiven Charakter: Jemanden über den grünen Klee loben zu müssen, der offensichtlich ungeeignet ist, dürfte für viele renommierte Aufsichtsräte jenseits ihrer Schmerzgrenze liegen. Umgekehrt würde die Veröffentlichung des Abstimmungsverhaltens jene schützen, die sich gegen einen Kandidaten ausgesprochen haben.

Publizität wäre aber auch schon deutlich früher notwendig, nämlich bei der Erstellung des Ausschreibungsprofils. Das offensichtliche Zuschneiden auf gewünschte Kandidaten würde deutlich schwieriger, müssten die Verantwortlichen im Detail begründen, warum man genau diese Anforderungen gewählt und gewisse Parameter der letzten Ausschreibung weggelassen hat.

Rechnungshof stärken

Auch eine Ausweitung der Prüfkompetenzen des Rechnungshofs ist dringend angesagt. Wo die öffentliche Hand durch eine Sperrminorität wesentliche Entscheidungen beeinflussen kann, ist es gegenüber dem privaten Mehrheitseigentümer zumutbar, dass der Rechnungshof hineinschaut. Auch eine echte Prüfkompetenz bei den Parteifinanzen hätte einen positiven Einfluss auf die Postenbesetzungen – schließlich erhoffen sich Politiker durch die Installierung von Vertrauensleuten oft die heimliche Unterstützung der Parteiarbeit.

Alle diese Maßnahmen erhöhen den Druck auf die Verantwortlichen. Sie werden aber nicht ausreichen, um die Interessenkonflikte, denen Politiker gegenüberstehen, gänzlich zu beseitigen: Die Einflussnahme auf staatliche Leitbetriebe, die Belohnung loyaler Mitarbeiter, die Chance auf Parteispenden – all das kann weiter schwerer wiegen als die Verantwortung gegenüber dem Steuerzahler oder die Angst vor der nächsten Wahl.

Rückzug aus Unternehmen

Die Gefahr von Freunderlwirtschaft und Postenschacher bei Unternehmen mit Staatsbeteiligung wird erst dort endgültig der Vergangenheit angehören, wo sich der Staat von seinen Beteiligungen trennt. Gerade das Beispiel Casinos zeigt offenkundig, dass die öffentliche Hand nach wie vor an zahlreichen Unternehmen beteiligt ist, die ganz eindeutig nicht zu den Staatsaufgaben zählen. Aber auch im Infrastrukturbereich sollte sich der Staat den Ausstieg aus Betriebsunternehmen überlegen, die im Wettbewerb mit privaten Anbietern stehen.

Die laufenden Regierungsverhandlungen sind die perfekte Gelegenheit, um dem Staat endlich die Nadel wegzunehmen, von der er bislang nicht losgekommen ist. (Georg Krakow, 21.11.2019)