Mahnwache Im Oberpinzgau: Dort entsteht ein neues touristisches Luxusressort, in der einheimischen Bevölkerung regt sich Widerstand.

ORF

Wer derzeit im Salzburger Oberpinzgau am Pass Thurn bei Mittersill unterwegs ist, sieht tiefe Baugruben. Auf rund 1200 Meter Seehöhe entsteht dort ein weitläufiges Tourismusareal mit mehr als einem Dutzend privaten Chalets, Wohnungen, einem Hotel. Betreiber ist die Six-Senses-Gruppe. Genehmigt wurde dieses Megaprojekt vor mehr als zehn Jahren, erst jetzt zu Baubeginn regt sich aktiver Widerstand in der Bevölkerung.

Vielen Einheimischen reicht es. „Dass Menschen, die scheinbar unendlich Geld haben, sich alles leisten können und die Heimat zerstören, sehe ich nicht mehr ein“, erzählt ein Betroffener Nora Zoglauer. Die ORF-Reporterin war für die Am Schauplatz-Reportage Geld versetzt Berge (Donnerstag, 21.05 Uhr, ORF 2) im Oberpinzgau unterwegs. In der Region gibt es gleich mehrere neue Luxusprojekte für reiche Investoren, die die Nähe zu Kitzbühel schätzen und sich dort einen Zweitwohnsitz zulegen wollen.

„Dort oben wird ganz viel verbaut, es gibt mit der Panoramabahn eine Verbindung zu den Kitzbühler Alpen. Der Name Kitzbühel zieht nach wie vor. Aber Kitzbühel ist fast zugebaut. Jetzt hoffen Investoren eben auf den Oberpinzgau und meinen, wenn der erste Reiche dort ist, dass andere nachziehen“, erzählt Zoglauer dem STANDARD, „es geht immer so: Zuerst wird eine Gondelbahn gebaut, das Zweite ist dann die Chaletsiedlung drumherum.“

Angst und Drohungen

Einfach waren die Recherchen für die Sendung nicht: „Viele haben mir in Gesprächen ihre Geschichten und Bedenken erzählt, sie waren dann aber nicht bereit, vor die Kamera zu gehen. Acht Menschen haben Interviews zu- und dann wieder abgesagt.“ Aus Angst vor negativen Konsequenzen. Offenbar nicht unbegründet. „Bei Leuten, die offen Kritik äußerten, gab es etwa Anrufe beim Arbeitgeber“, sagt Zoglauer. Eine kritische Leserbriefschreiberin habe einen anonymen Anruf bekommen, dass bei ihrem Auto etwas nicht stimmt. Zoglauer: „Das waren schon Sachen, wo ich mir denke, was ist jetzt mit der Meinungsfreiheit.“

Naturschutz und Bedenken

Ab 5,5 Millionen Euro kostet ein Chalet am Pass Thurn, begehrt ist die Gegend vor allem bei reichen Holländern und Briten. Einen E-Porsche gibt es noch als Draufgabe. Genutzt werden diese Wohneinheiten dann von den Eigentümern oft nur für kurze Zeit im Jahr. Was die einheimische Bevölkerung vor allem stört, sei auch das Thema Nachhaltigkeit, sagt Zoglauer. Das Hotel und die Chalets der Six-Senses-Gruppe etwa entstehen in einem hochsensiblen Moorgebiet. „Das Projekt wird promotet mit ‚The Art of Sustainable Living‘. Aber da werden viele Bäume abgeholzt, das Areal sogar untertunnelt, damit der Lärm der vielbefahrenen Pass-Thurn-Straße nicht stört.“ Den bekommen dann die Menschen ab, die darunter wohnen.

Befürworter dieser Luxussiedlungen argumentieren, dass man gerade in strukturschwachen Regionen Entwicklungen im Tourismus zulassen müsse, Stichwort Arbeitsplätze.

Zoglauer: „Ich bezweifle, dass die Bevölkerung profitiert.“ Für die alteingesessenen Hotelbetriebe würden diese Projekte eine massive Konkurrenz bedeuten. „Die Chalets und Appartements werden in der Nebensaison über Internetplattformen extrem billig vermietet. Die Hoteliers sagen, sie können da nicht mehr mitmachen. Diese Betriebe gehen vor die Hunde“. Die meisten heimischen Alpenregionen hätten schon längst die Zweitwohnsitzquote erreicht, sagt Nora Zoglauer. Darum entstünden weitere Modelle, mit denen sich gesetzliche Regelungen umgehen lassen. „Weil diese Projekte als Hotelprojekte deklariert sind, darf man sie rechtlich in Wohngebieten bauen. Somit ist das nicht als Zweitwohnsitz ausgewiesen.“

Eine Regelung, die Landesrat Josef Schweiger (ÖVP) – er ist im Bundesland Salzburg für Raumordnung zuständig – ändern will. Er regt an, dass alle, die einen Zweitwohnsitz haben, das bei Gemeinden öffentlich melden, sagt er in der Am Schauplatz-Reportage.

Und Winfried Herbst vom Naturschutzbund Österreich fordert, dass das Thema Raumordnung den Gemeinden entzogen und auf einer unabhängigen Ebene behandelt wird. (Astrid Ebenführer, 21.11.2019)