Er habe ihn „schon fast herbeigesehnt“, den Moment, da Polizisten in seinen Schränken herumwühlen, sagte der Tatverdächtige Hartwig Löger: Er wolle doch „endlich zur Aufklärung beitragen“.

Gelegenheit, die Justiz in ihrer Arbeit zu unterstützen, hatte Löger schon als Finanzminister. Als der damalige Justizminister Josef Moser Alarm schlug, die Justiz brauche dringend mehr Geld, sie könne sonst den Normalbetrieb nicht mehr stemmen, da blockte Löger ab: Keinen Cent mehr für die Justiz werde es geben. Erst als Moser seinen von Protest begleiteten Rücktritt androhte, gestand ihm Löger das Mindeste zu: Moser durfte wenigstens die eigenen Rücklagen auflösen. Monate später brannte der Hut erneut. Löger blieb wiederum hart. Er wusste ja den Kanzler hinter sich.

Was das mit der Korruptionsaffäre rund um die Casinos AG zu tun hat? Sehr viel. Wenn Strafermittler einer Armada gut dotierter Rechtsanwälte gegenüberstehen, brauchen sie gutes Rüstzeug, um ihrer Aufgabe gerecht zu werden. Von einer Waffengleichheit sind die Staatsanwälte gerade in großen Korruptionscausen oft weit entfernt. Das ist nicht erst seit gestern so, die Kurz-Regierung hat das Problem geerbt. Sie hat aber nichts dazu beigetragen, es zu entschärfen, im Gegenteil: Sie hat der Polizei zusätzliches Personal zugesagt und dadurch den Druck auf die Ermittler noch erhöht.

Ausdehnung der Kontrollsphäre

Das Kabinett Kurz verschärfte den Druck auf die Justiz auch am Rednerpult. Als Innenminister Herbert Kickl die Menschenrechtskonvention infrage stellte, als er die Politik vom Gesetz entkoppeln wollte, da „das Recht der Politik folgen“ müsse und nicht umgekehrt, da schwieg der Kanzler. Er nahm ja selbst teil an den Attacken, bezeichnete Urteile als „ungerecht“ und warf Staatsanwaltschaften vor, politisch motiviert zu agieren. Der türkis-blaue Angriff auf die Justiz vollzog sich an zwei Fronten: budgetär und rhetorisch.

Zugleich dehnte der sanfte Autoritarismus, wie Kurz ihn praktizierte, die eigene Kontrollsphäre immer weiter aus. Auch die Justiz bekam das zu spüren. Die härteren Strafen für Gewalttäter, ein zentraler Wahlkampfslogan der Türkisen, waren in Wahrheit straffere Leinen für die Richter. Deren Freiheit, Strafen so zu bemessen, wie sie es im Einzelfall für richtig halten, wurde beschränkt. Auch hier warnten Juristen und Kriminologen über Berufsgrenzen hinweg. Auch hier stellte sich die Regierung taub.

Die Justiz ist die Basis, damit alles andere funktionieren kann.
Foto: APA/ROLAND SCHLAGER

Als Kurz einmal gefragt wurde, warum er zulasse, dass die Justiz in den Notstand schlittert, da erklärte er lapidar, die Justiz sei doch auch nur ein Ressort unter vielen, jeder Minister rufe pausenlos nach mehr Geld. Es war ein bezeichnender, vielsagender Satz.

Nein, die Justiz ist nicht nur irgendein Spezialfach auf der Regierungsagenda. Die Justiz ist die Basis, damit alles andere funktionieren kann. Der Rechtsstaat schützt die Bürger vor denen, die sie unterwerfen wollen. Er soll die Mächtigen hindern, ihre Macht zu missbrauchen. Das kann für Mächtige lästig sein. Sie lassen sich nicht gern kontrollieren, sie neigen dazu, die Kontrolleure auszubremsen. Die Verfassung soll genau das verhindern.

Im Zwei-Fronten-Krieg gegen die unabhängige Justiz gerät aber die beste Verfassung an ihre Grenzen. Justizminister Clemens Jabloner nutzt seine kurze Amtszeit, um die Mahnung vor dem stillen Tod der Justiz wie ein Mantra zu wiederholen. Wir sind gut beraten, auf ihn zu hören. (Maria Sterkl, 20.11.2019)