Bei einem Gammablitz werden Photonen auf die Reise geschickt, die energiemäßig ihresgleichen suchen. Warum sie so potent sind, haben nun Astrophysiker herausgefunden.
Illustr.: DESY, Science Communication Lab

Abgesehen vom Urknall selbst gibt nach allgemeiner Auffassung nichts im Universum so viel Energie in so kurzer Zeit ab wie ein Gammablitz. In nur wenigen Sekunden wird bei einer derartigen kosmischen Explosion mehr Strahlung freigesetzt, als unsere Sonne in ihrer gesamten bisherigen Lebensspanne abgegeben hat, und das sind immerhin 4,6 Milliarden Jahre. Kein Wunder also, dass sich Astrophysiker mit diesem universalen Rätsel beschäftigen – und ein Rätsel ist es nach wie vor tatsächlich.

Obwohl mittlerweile Gammastrahlenausbrüche zumindest theoretisch auf mehrere Ursachen zurückgeführt werden konnten – kollidierende Neutronensterne sind eine Möglichkeit, zu einem Schwarzen Loch kollabierende äußerst massereiche Sterne eine weitere –, ist bis heute nicht eindeutig bewiesen, wie solche welterschütternden Ausbrüche wirklich auslöst werden.

Selten und energiereich

Was man zumindest zu wissen glaubt, ist Folgendes: Bis heute nachgewiesene sogenannte Gamma-Ray Bursts (GRB) fanden allesamt in mehr oder weniger fernen Galaxien statt. Obwohl sie reichlich selten auftreten und pro Galaxie in einer Million Jahre nur wenige Male aufblitzen, werden sie insgesamt irgendwo am Himmel zumindest einmal pro Tag registriert – ein verlässlicher Hinweis darauf, wie groß einerseits das Universum ist und wie energiereich andererseits diese Blitze tatsächlich sind.

Dass sich GRBs ab und an auch in der Milchstraße ereignen können, ist unbestritten. Einer dieser Ausbrüche könnte sogar für eines der größten Aussterbeereignisse der Erdgeschichte verantwortlich gewesen sein: Vor rund 450 Millionen Jahren verschwanden relativ plötzlich gut 85 Prozent aller damaligen Spezies. Einige Wissenschafter halten einen Gammablitz, der die Erde direkt getroffen hat, für die wahrscheinlichste Ursache dessen.

Das große H.E.S.S.-Teleskop mit einer Spiegelfläche von 614 Quadratmetern konnte gemeinsam mit den zwei angeschlossenen Teleskopen mit jeweils 107 Quadratmetern die aktuellen Gammastrahlenausbrüche identifizieren.
Foto: MPIK / Christian Föhr

Immer für Rekorde gut

So gewaltig Gammablitze aufgrund bisheriger Wahrnehmungen an sich schon sein mögen, sie sind offenbar sogar immer noch dazu in der Lage, die bisherigen Beobachtungen zu toppen und für neue Rekorde zu sorgen: Mithilfe terrestrischer Teleskope haben nun zwei internationale Forscherteams die bisher energiereichsten Ausbrüche zweier Gammablitze beobachtet, die rund 1000 Milliarden mal mehr Energie freisetzten als sichtbares Licht.

In drei im Fachjournal Nature veröffentlichten Studien präsentieren Forscher nun die Emissionen zweier Gammablitze, die weit jenseits der bisherigen Messungen liegen. Im Jänner 2019 erfassten zunächst die beiden Weltraumteleskope Neil Gehrels Swift Observatory und das Fermi Gamma-Ray Space Telescope den Gammaausbruch GRB 190114C. Wenige Augenblicke später, von dem kosmischen Ereignis alarmiert, richteten zahlreiche terrestrische Observatorien ihre Himmelsaugen in die entsprechende Richtung.

Schnell und genau

Eines dieser Observatorien, das Magic-Teleskope (Major Atmospheric Gamma-Ray Imaging Cherenkov Telescopes) auf der Kanarischen Insel La Palma, war schnell genug in der Lage, sich entsprechend auszurichten und 50 Sekunden nach dem eigentlichen Ausbruch von GRB 190114C entscheidende Messungen vorzunehmen. Die Analysen der dabei registrierten Daten ergaben Erstaunliches: Die von Magic eingefangenen Photonen, die von GRB 190114C ausgesandt wurden, waren energiereicher als alles, was man diesbezüglich bisher jemals kannte: Annähernd ein Teraelektronenvolt betrug die Energie der nachgewiesenen Lichtteilchen.

Ähnliche, wenn auch nicht ganz so hohe Werte stellten Forscher um Edna Ruiz-Velasco auch beim Gammaausbruch GRB 180720B vom Juli 2018 fest. So rekordmäßig diese Ausbrüche sind, so vielsagend sind sie auch bezüglich ihrer Ursache: Mirzoyan und sein Team konnte aus den Daten erstmals auch auf den Mechanismus schließen, der hinter der hohen Photonenenergie stecken könnte. Die Forscher gehen aufgrund der aktuellen Beobachtungen davon aus, dass die hochenergetischen Photonen der Gammablitze ihre Energie im Verlauf der Umkehrung des sogenannten Compton-Effekts erhalten. Dabei werden die Lichtteilchen bei der Streuung durch Elektronen im Unterschied zum herkömmlichen Ionisationsprozess mit zusätzlicher Energie versorgt. Das Phänomen könnte ein Grund dafür sein, warum Gammablitze letztlich so energiereich sind. (Thomas Bergmayr, 20.11.2019)