Gordon Sondland bringt den US-Präsidenten in den Impeachment-Ermittlungen in Nöte.

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Es dauert 29 Minuten, bis Gordon Sondland die Bombe platzen lässt. Bis er, selber ein Republikaner, auf Distanz zu republikanischen Kongressabgeordneten geht. Zu Politikern, die unbeirrt behaupten, Donald Trump habe von der Ukraine keine Gegenleistung für eine Leistung verlangt, weder Militärhilfe noch ein Treffen mit dem neuen ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj von Ermittlungen gegen Joe Biden und dessen Sohn Hunter abhängig gemacht. Er wisse, sagt der EU-Botschafter, komplizierte Zusammenhänge würden häufig auf die eine Frage verkürzt: "Gab es ein Quidproquo?". Und: "Die Antwort ist ein Ja."

Allerdings, schränkt Sondland ein, habe dies nach seiner Kenntnis nur für einen in Aussicht gestellten Besuch Selenskyjs in Washington gegolten. Rudy Giuliani, Trumps persönlicher Anwalt, habe zu verstehen gegeben, dass sein Mandant auf einer öffentlichen Erklärung bestehe, in der sich Selenskyj zu Nachforschungen gegen Burisma verpflichte, den ukrainischen Erdgaskonzern, in dessen Aufsichtsrat Hunter Biden mehrere Jahre lang saß. Dass es zwischen Burisma und den Bidens einen Zusammenhang gebe, so der Diplomat, habe er zunächst nicht begriffen. Und erst sehr spät sei ihm klargeworden, dass das Weiße Haus, um Druck zu machen, auch Militärhilfe für die Ukraine in Höhe von 391 Millionen Dollar blockiert hatte.

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Auftrag des Präsidenten

Was Sondland allerdings klipp und klar für Unfug erklärt, ist die Version mancher Anhänger Trumps, nach der Giuliani auf eigene Faust handelte, als er der Ukraine die Pistole auf die Brust setzte. Die Anweisungen, stellt er klar, habe der Präsident persönlich gegeben. Auch Minister, etwa Außenamtschef Mike Pompeo, seien im Bilde gewesen.

Noch bis vor wenigen Wochen war Sondland in der öffentlichen Wahrnehmung einfach ein Botschafter bei der Europäischen Union. Einer, der nach eigenem Bekunden immer schon Botschafter werden wollte und sich die Gunst des Präsidenten sicherte, indem er dessen Organisationskomitee zur Feier der Amtseinführung eine Million Dollar aufs Konto überwies. Trump belohnte einen großzügigen Spender, indem er ihm einen Posten in einer politisch bedeutsamen, obendrein lebenswerten Stadt anvertraute.

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Tatsächlich war Sondland weit mehr als nur EU-Botschafter. Nach Schilderung anderer Zeugen der Ukraine-Saga war er direkt beteiligt an dem Versuch, die Regierung in Kiew solange unter massiven Druck zu setzen, bis sie die Bidens ins Visier nahm. Noch vor seinem Auftritt im Geheimdienstausschuss des Abgeordnetenhauses war jedem klar, dass der Mann mit dem kahlen Schädel eines der wichtigsten, wenn nicht das wichtigste, Kapitel der Impeachment-Saga schreiben würde.

Er selber charakterisiert sich nicht ohne Stolz als einen der "drei Amigos", die Giuliani in geheimer Mission in Kiew unterstützen sollten, im Auftrag Trumps, wohlgemerkt. Die beiden anderen waren der Energieminister Rick Perry und Kurt Volker, Sonderbotschafter für die Ukraine. Das Trio habe nicht freiwillig mit Giuliani gearbeitet, betont Sondland, als er Mittwoch in öffentlicher Anhörung vor dem Ausschuss aussagt. Man habe es nur getan, weil es der Präsident so gewollt habe.

Giuliani im Fokus

Trump, erklärt er, sei skeptisch gewesen, ob es Selenskyj ernst meine mit seinem Reformversprechen. Zumal er, verweist Sondland auf eine in rechten Kreisen verbreitete Verschwörungstheorie, geglaubt habe, dass ihn die Ukraine 2016 durch digitale Attacken um den Wahlsieg bringen wollte. Als ihn die Amigos von Selenskyjs Ernsthaftigkeit zu überzeugen versuchten, habe er sie angewiesen, "mit Rudy" zu reden. Für ihn, Sondland, seien die Forderungen Giulianis daher die des Präsidenten gewesen.

Nimmt man alle Indizien zusammen, dann war Sondland im Trio der Freunde offenbar derjenige mit dem kürzesten Draht ins Oval Office. Am 26. Juli etwa, einen Tag nach einem folgenschweren Telefonat Trumps mit Selenskyj, rief er Trump per Handy aus einem Kiewer Restaurant an, um ihn auf dem Laufenden zu halten. "Präsident Selenskyj mag Ihren Hintern", sagte er, um kurz darauf zu versichern: "Er wird alles tun, was Sie von ihm verlangen." Zuvor, so schilderte es ein Diplomat namens David Holmes, habe Trump gefragt, ob Selenskyj denn nun ermitteln lasse. Dabei habe er so laut gesprochen, dass auch er, Holmes, es hören konnte.

Er könne sich beim besten Willen nicht mehr an jedes Detail erinnern, versucht sich Sondland aus der Affäre zu ziehen. Man wisse ja, der Präsident habe eine Vorliebe für drastische Worte, beantwortet er die Stilfrage. Zur Substanz bemerkt er nur: "Ich wusste, das Thema der Ermittlungen war wichtig für Präsident Trump". (Frank Herrmann aus Washington, 20.11.2019)